Das Landgericht beschäftigt sich seit Mittwoch mit den Taten des mutmaßlichen Steuerhinterzieher. Foto: dpa

Ein 35-Jähriger steht wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht. Er ist geständig, sieht sich aber auch selbst als Opfer.

Kornwestheim - Die Zahlen, um die es für den Fiskus geht, sind enorm. Summa summarum kam der Staatsanwalt auf 800 000 Euro an hinterzogenen Steuern. Dazu wird dem Angeklagten Urkundenfälschung vorgeworfen. Mit falschem Namen und gefälschtem Pass hatte er sich in Kornwestheim in der Bolzstraße eine Wohnung gemietet, die als Adresse für eine Scheinfirma verwendet wurde, über die im Jahr 2010 zahlreiche Goldgeschäfte abgewickelt wurden. Der in Bad Liebenzell wohnhafte Angeklagte, der seit März in Untersuchungshaft in Stammheim sitzt, stellt sich aber als kleinen Fisch dar, der selbst nichts von dem großen Reibach gehabt habe. Ihm sei es auch gar nicht darum gegangen, sich zu bereichern, sondern nur darum, seine Schulden abzubezahlen.

Die Biografie des 35-Jährigen liest sich wie ein einziges großes Scheitern: sitzen geblieben, die Hauptschule schließlich ohne Abschluss verlassen, berufsvorbereitendes Jahr angefangen, aber wegen Fehlstunden nicht zur Prüfung zugelassen. Neuer Versuch, den Hauptschulabschluss zu machen: abgebrochen. Drogenprobleme seit dem 15. Lebensjahr – Marihuana, Haschisch, Heroin. Aber da ist eben auch die andere Seite: 1998 schaffte der Liebenzeller den Entzug, und er ist seither clean. Er hat immer wieder gearbeitet, machte sich ab 2002 selbstständig, mal mit einer Gaststätte, mal als Automatenaufsteller. Nie mit großem Erfolg, aber doch recht solide, bis er in Backnang eine Diskothek übernahm, die ihn in die Insolvenz trieb.

„Mein Traum war kaputt, ich war finanziell am Ende“, berichtete der 35-Jährige am ersten Verhandlungstag. „Außer Schulden hatte ich nichts mehr.“ Und die wurden immer mehr, da er nur manchmal jobbte und gerne selbst dem Glücksspiel am Automaten frönte. Als die Banken, Familienangehörigen und Freunde nichts mehr gaben, lieh sich der Türke schließlich Geld bei Landsleuten, „Zinsleuten“, wie der Angeklagte erklärte, die keinen Spaß verstanden hätten. Zehn bis 20 Prozent monatliche Zinsen hatte er zu berappen – unmöglich für den Hartz IV-Empfänger. Daher sei es zu den nun vor dem Landgericht verhandelten Taten gekommen.

Ein Nachbar stellte ihn in einem Café in Hanau einem Herrn vor, der ihm einen Job angeboten habe, berichtete der Angeklagte. Er solle nur eine Perücke kaufen, ein Passbild von sich mit den künstlichen Haaren machen lassen und ihm dieses bringen. Beim nächsten Treffen habe er einen gefälschten Pass ausgehändigt bekommen mit der Weisung, mit diesem eine Wohnung anzumieten und ein Gewerbe auf diese Adresse anzumelden. Er habe da zwar schon geahnt, dass nicht alles mit rechten Dingen zugehe, aber auch keinen Weg mehr aus der Situation heraus gesehen, so der 35-Jährige. Der falsche Pass habe 12 000 Euro gekostet, habe der Auftraggeber gesagt, und das Geld eingefordert, wenn der Liebenzeller nicht mehr mitgemacht hätte. Außerdem laufe das Geschäft ohnehin nur vier bis sechs Wochen. Fortan habe er also Gold mit – nicht von ihm selbst ausgestellten – Rechnungen zu Firmen gefahren, die Einzahlungen von dem auf seinen falschen Namen eröffneten Konto abgehoben und dem Chef ausgehändigt. 500 Euro pro Woche habe er dafür bekommen, zuzüglich Spesen. Das ging über Monate so. Mit dem Geld beglich er seine Schulden.

Aber seine falschen Unterlagen, mit denen er sich bei den belieferten Unternehmen auswies, vergaß der Liebenzeller einmal unter dem Reservereifen eines geliehenen Auto. Das wurde im Zuge einer Hausdurchsuchung ebenfalls gefilzt. „Da war klar, dass die Ermittlungen früher oder später zu mir führen würden“, erinnerte sich der Angeklagte. Monatelang zitterte er bei jedem Klingeln an der Haustür, bis tatsächlich die Polizei den Knopf gedrückt hatte. „Das war der glücklichste Tag meines Lebens“, betonte der 35-Jährige.

Die Verhandlung wird in der kommenden Woche fortgesetzt.