Gemeinsam anpacken: Aber wie viele ältere Menschen bleiben in Sachen Ehrenamt denn nun bei der Stange? Foto: z

Die Älteren ziehen sich von ihren Posten zurück. Noch ist nicht absehbar, welche Folgen das für die Vereinslandschaft hat.

Kornwestheim - Franz Scheuermann vom Leitungsteam hat in diesen Wochen eine Menge zu tun. Nicht nur, dass nun während der Corona-Pandemie mehr Kunden das Angebot des Tafelladens in Anspruch nehmen und als Vorsichtsmaßnahme immer nur zwei von ihnen die Räumlichkeiten betreten dürfen, wodurch die Öffnungszeiten ausgedehnt werden mussten. Der Organisator des karitativen Angebots hat aktuell auch weniger Mitstreiter zur Seite. Nur rund 25 von 45 Ehrenamtlichen, also fast 20 weniger als sonst, stehen ihm zur Verfügung, weil viele Ältere in Zeiten des Coronavirus zur Risikogruppe zählen und deshalb den Kontakt mit den Tafelkunden in den beengten Räumen des Martinistüble vermeiden möchten. Vier Helfer haben erst kürzlich sogar ganz aufgehört. Leidet nun das Ehrenamt in der Stadt?

Im Tafelladen zumindest wird den verbliebenen Helfern derzeit einiges abverlangt. Scheuermann, der aufgrund seines Alters selbst zur Risikogruppe zählt, aber dennoch keine Pause einlegt, sucht händeringend weitere Freiwillige. „Zwei bis drei neue haben sich mittlerweile gemeldet“, sagt er. Allerdings gebe es derzeit auch mehr zu tun. Viele, die sich schon jetzt engagieren, investieren momentan mehr Stunden als früher, damit alle wartenden Bedürftigen die sehr günstigen Lebensmittel einkaufen können. Franz Scheuermann und Jacqueline Avagliano, die zusammen das Leitungsteam der Kornwestheimer Tafel bilden, sind daher froh um jeden, der flexibel ein paar Stunden mithelfen möchte.

Auch bei den Maltesern sind derzeit nicht alle Kräfte verfügbar. „Viele unserer Ehrenamtlichen halten sich zum Eigenschutz zurück“, sagt Lukas Leckeband vom Kornwestheimer Ortsverband. So mancher Helfer sei ja bereits über 60. „Sie wägen das Risiko natürlich ab, nicht jeder ist momentan verfügbar, obwohl wir natürlich hygienische und sicherheitstechnische Standards einhalten“, ergänzt Leckeband. Komplette Rückzüge – Ehrenamtliche, die nun wegen Corona ganz und auch für die Zukunft ausscheiden – hat er aber bislang noch nicht verzeichnet. Positiver sieht es beim Awo-Ortsverein aus. „Wir hatten drei Monate lang den Schafhof geschlossen“, sagt Vorsitzender Wolfgang Friedrich. Auch die Ferienfreizeit, für die viele Helfer benötigt werden, wurde in diesem Jahr abgesagt. Die Ehrenamtlichen der Awo hatten in den vergangenen Wochen also weniger zu tun als üblich. Großen Bedarf an zusätzlichen Ehrenamtlichen gebe es immer, erklärt Friedrich. Abgesprungen sei in den vergangenen Monaten aber auch dort niemand.

Bei vielen sport- und kulturschaffenden Vereinen mussten Proben, Trainings und Veranstaltungen für Monate entfallen. Von einem größeren Mitgliederschwund hat Oliver Hicking, der neue Vorsitzende des Stadtausschusses für Sport und Kultur, bisher zwar noch nichts mitbekommen. Das Vereinsleben habe wegen des Virus aber natürlich gelitten. „Das Gesellige fehlt bisher“, sagt er. Und gerade ältere Mitglieder hätten Vereinstermine aus Angst vor einer Ansteckung vermieden oder seien nur zögerlich zu den Treffen gekommen. Für Chöre und Musikvereine, die sich größtenteils schwer damit tun, jungen Nachwuchs für sich zu gewinnen, sei es bitter, dass Konzerte abgesagt wurden. Deshalb habe er sich dafür eingesetzt, dass die Vereine Räumlichkeiten nutzen können, in denen mit Abstand geprobt werden kann, zum Beispiel im Rathausfoyer, erläutert Hicking. Außerdem suche man nach Alternativen, um entfallene Konzerte zu kompensieren.

Kadir Koyutürk, Beauftragter für Bürgerengagement bei der Stadt, macht die Beobachtung, dass viele nach wie vor ein Ehrenamt übernehmen möchten. In diesem Bereich sei Kornwestheim generell gut aufgestellt. Fast jeder dritte Einwohner engagiere sich in irgendeiner Form. „Ich erhalte etwa alle zwei Wochen eine Anfrage von jemandem, der sich beteiligen möchte“, sagt er. Auch während der Corona-Pandemie sei in der Stadt viel ehrenamtlich gelaufen. Das Engagement auf dem Gebiet der Nachbarschaftshilfe sei überwältigend gewesen. Koyutürk erkennt allerdings auch den Trend dahin, dass sich viele nicht mehr über Jahre verpflichten und sich lieber zeitlich begrenzten Initiativen anschließen möchten. Das könne für einige Vereine durchaus zum Problem werden.