Der Bauwagen hat einst der Straßenmeisterei Besigheim gehört und wurde umgebaut. Foto: KS-Images.de

Der Tierschutzverein Ludwigsburg pflegt auf dem P+M-Parkplatz bei Mundelsheim einen Taubenschlag.

Mundelsheim - Das Leben einer Stadttaube ist oft hart. Wirklich willkommen sind die Vögel eigentlich nirgends. Kaum niedergelassen, werden sie meist direkt wieder verscheucht. „Es ist eine ewige Jagd“, weiß auch Emily Zundel vom Tierschutzverein Ludwigsburg. Doch manchmal gibt es in dieser unendlichen Geschichte auch ein Happy End – wie auf dem P+M-Parkplatz an der Abfahrt Mundelsheim der A81. Seit Mai steht hier ein zum Taubenschlag umgebauter Bauwagen, der den Tieren ein Dach über dem Kopf, eine Heimat und Sicherheit bietet. Allerdings erfordert das auch viel Einsatz der Ehrenamtlichen.

Es ist gerade einmal 11 Uhr, doch auf den Schotterparkplatz bei Mundelsheim knallt an diesem Samstag schon ordentlich die Sonne herunter, als Emily Zundel mit ihrem Auto vor dem Bauwagen anhält. Im Gepäck ist heute ein neuer Wasserkanister: „Die Tauben bekommen von uns täglich frisches Wasser.“ Gemeinsam mit fünf Tierschützern ist die 23-Jährige für den Taubenschlag zuständig, der in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Ludwigsburg entstanden ist. Und eigentlich ist sie heute gar nicht an der Reihe, aber ihre Kollegin Anne Pieplow ist kurzfristig verhindert gewesen: „Sie fährt gerade eine Taube zum Tierarzt, die mit einem Auto kollidiert ist.“ Nicht jeder Tiermediziner ist auf die Vögel spezialisiert, die Fahrt führt bis nach Karlsruhe: „Auf eigene Kosten und in der Freizeit.“

Sie selbst hat indes das Zahlenschloss am Bauzaun geöffnet, der den Taubenschlag umgibt. Eine Sicherheitsmaßnahme, denn so nahe an der Autobahn herrscht reger Publikumsverkehr: „Das ist uns sonst zu gefährlich.“ Eine Angst, die nicht unbegründet ist. Tauben haben viele Feinde. Und auch auf dem P+M-Parkplatz haben sich die Tiere in der Vergangenheit nicht nur Freunde gemacht. Nachdem sie von der nahe gelegenen Autobahnbrücke mit Abwehrgittern verscheucht worden waren, ließen sie sich eben kurzerhand auf den geparkten Autos nieder.

Durch andere Tierschutzorganisationen seien Vorfälle bekannt, bei denen Flaschen oder brennende Gegenstände in die Taubenschläge geworfen wurden: „Viele Menschen haben Vorurteile und denken, Tauben sind dreckig und übertragen Krankheiten auf den Menschen.“ Das sei allerdings ein absoluter Irrglaube. Emily Zundel jedenfalls hat keinerlei Scheu vor den Vögeln. Andersherum ist das schon eher der Fall. Daher steckt sie zunächst vorsichtig ihren Kopf durch eine Plane, mit der die Bauwagentür verhängt ist, „um die Tauben nicht zu erschrecken“. Bleiben die ruhig, geht es nach drinnen – wo auch schon der heimliche Liebling der Tierschützer wartet: Puschel. Der vier Wochen alte Jungtaube ist hier im Taubenschlag geschlüpft. Auch das Elternpaar ist anwesend und begutachtet den Menschen-Besuch mit etwas Distanz. „Wir haben die Tauben zunächst ihre Eier ausbrüten lassen“, erklärt Emily Zundel, während sie Puschel in Augenschein nimmt: „Der Schlag wirkt auf Artgenossen attraktiver und sicherer, wenn sie von dort das Piepsen von Küken hören.“

In Zukunft werden die Eier aber gegen Kunststoff-Attrappen ausgetauscht. Der Schlag soll nämlich auch dazu dienen, die Taubenpopulation an der Autobahn auf schonende und tierfreundliche Weise unter Kontrolle zu halten. Die entfernten Eier werden dann am Waldrand abgelegt, erzählt Emily Zundel: „Dort können sich Wildtiere sie holen.“ Zu den Profiteuren gehören etwa Krähen, von denen ein Paar auf dem Parkplatz heimisch geworden, das sich mit um die Tauben kümmert, wie Zundel beobachtet hat: Sie fungieren jetzt als „Security“: „Wenn ein Falke oder Bussard kreist, wird er direkt von den Krähen verscheucht.“ Doppelte Sicherheit für die hier lebenden Tauben. Derzeit nutzen rund 20 bis 30 Tiere den Bauwagen – ein Bruchteil der einstigen Population von über 80 Vögeln.

Die Tierschützer hoffen, dass ein Teil des Schwarms auch wieder zurückkehren wird. „Tauben sind standorttreu“, weiß Emily Zundel. Um die Vermissten zu locken, stehen im Außenbereich des Schlags frisches Wasser und Futter bereit. Denn leider sei die Reihenfolge der Vergrämung nicht optimal gewesen, bedauert Zundel: „Es hätte erst ein Taubenschlag stehen müssen, bevor die Tiere von der Brücke vergrämt wurden.“ Anne Pieplow habe lange gekämpft und Aufklärung geleistet, bis die Genehmigung kam.

Dann musste alles schnell gehen: In nur zwei Tagen wurde mit der Gruppe „Tierengel unterwegs“ ein Bauwagen der Straßenmeisterei Besigheim umgebaut. An den Wänden finden sich nun mehrere Nisthöhlen und Sitzgelegenheiten. Zudem gibt es einen integrierten Käfig, falls eine Taube krank oder verletzt ist. Schälchen bilden die Basis für die Nester – die meist einfach gehalten sind: „Meist nur ein paar Stöcke und eine Feder.“ Puschel wohnt mittlerweile sogar auf Küchenpapier. Das eigentliche Nest haben die Tierschützer entfernt, nachdem der Gestank zu stark geworden war. Die Tauben scheint das nicht zu stören, nur ein Vogel brummelt während des Besuchs leise vor sich hin.

Emily Zundel beeilt sich, damit die Tauben schnell wieder ihre Ruhe haben. Mit einem Spachtel entfernt sie den Kot. „Hier hat jemand geschlafen“, stellt sie an einer Stelle fest, an der besonders viele Fäkalien liegen. Generell sei der Wagen in der Nacht sehr viel gefragter als tagsüber. Viele Bewohner sind dann nämlich lieber auf den Feldern rundherum unterwegs. Ein weiteres Überbleibsel der Nacht kehrt Zundel flink mit einem Besen zusammen: Futter wurde munter verteilt. Noch kurz die Tränke frisch befüllen, und schon ist der Kontrollgang wieder geschafft.

Die Arbeit für Emily Zundel ist damit aber noch nicht vorbei. Zuhause in Ilsfeld warten im Moment fünf weitere Tauben: „Manche davon wurden als Jungtiere von mir großgezogen.“ Andere erholen sich bei der 23-Jährigen von einem Katzenangriff. Und dann gibt es noch zwei Vögel, die hier ein Zuhause gefunden haben. Sie können nicht mehr in die Wildnis zurück: „Eine kann nach einem Knochenbruch nicht mehr fliegen, und der anderen fehlt ein Auge, womit sie nicht zurechtkommt.“ Und wie es das Schicksal so will, haben sich genau diese beiden Vögel ineinander verguckt. Noch ein Happy End!

Wer die Arbeit der Tierschützer am Taubenschlag bei Mundelsheim mit Futter oder Spenden unterstützen möchte, kann sich direkt bei Emily Zundel unter emily.zundel@web.de melden.