Frau S. hat sich schließlich an die Bahnhofsmission gewandt. Foto: Lichtgut/Christoph /Schmidt

Als ihr Partner sich von ihr trennt, packt Frau S. eine Reisetasche mit etwas Kleidung. Doch wenige Wochen später weiß sie nicht mehr weiter.

Frau S. hat es nie in die große Stadt gezogen. „Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen“, sagt sie. Die Verzweiflung hat sie nach Stuttgart geführt. Ihr war klar, dass sie Hilfe brauchte – und dass die Bahnhofsmission Hilfe bietet. „Die nächste Bahnhofsmission war in Stuttgart.“

Frau S. hat den Großteil ihres Lebens in Ostdeutschland verbracht, wo sie auch geboren wurde. Anfang September hatte sich ihr Partner nach vier Jahren Beziehung von ihr getrennt und verlangt, dass sie auszieht. Sie habe einige Kleidungsstücke in eine Reisetasche gepackt und sei los. Ein Auto hat die 48-Jährige nicht, sie fuhr Zug. Ihr erstes Ziel war ein Ort in Bayern. Über das soziale Netzwerk Facebook wusste sie von Wohnmöglichkeiten gegen Arbeit. So kam sie auf einen Bauernhof. Sie hatte gehofft, der Mutter des Bauern zur Hand zu gehen, doch stattdessen war Stallarbeit gefordert. Es habe ihr auf dem Hof gefallen, der Bauer war nett und anständig. Doch das Ausmisten sei körperlich zu anstrengend gewesen, berichtet die zierliche Frau. Das liege auch an ihrem rechten Arm.

Sie ist gelernte Friseurin, kann in dem Beruf jedoch nicht arbeiten

Frau S. schiebt ihren dünnen Pullover nach oben – fährt mit der linken Hand über den rechten Unterarm, der seltsam gebogen ist. Als junge Frau habe sie einen Unfall gehabt. Die Delle ist davon geblieben. „Elle und Speiche sind schief zusammengewachsen“, erklärt sie. Seither kann sie den Arm nicht mehr stark belasten. Der Unfall sei ausgerechnet zwei Wochen nach ihrer bestandenen Ausbildung passiert: Sie hatte Friseurin gelernt, doch arbeiten konnte sie in dem Wunschberuf nie wieder.

Kurzzeitig arbeitete sie nach dem Unfall in einem Steuerberaterbüro. Dann wurde sie schwanger und blieb zunächst zu Hause. Ihre Töchter sind heute 26, 24 und 17 Jahre alt. Die älteren hat sie weitgehend alleine aufgezogen. Die jüngste Tochter hat einen anderen Papa – und lebt, seit sie zehn ist, bei diesem. Hintergrund sei Schulangst gewesen. Deshalb sei sie auf die Schule im Wohnort des Vaters gewechselt. „Sie loszulassen war hart“, sagt Frau S. Momentan haben ihre Töchter allerdings keine Ahnung, was mit ihrer Mutter los ist, dass sie wohnungslos ist. Sie wolle die drei nicht belasten, sagt Frau S. Ihre Probleme müsse sie alleine lösen. In ihrem Unterkiefer fehlen Vorderzähne, ungewöhnlich in dem Alter. Wie kam es dazu? Ihr alter Chef, ein Gastronom, habe ein Drogenproblem gehabt und sie geschlagen. Danach seien mehrere Zähne locker gewesen – und später ausgefallen. Der Gewaltausbruch vor zwei Jahren war ihr letzter Arbeitstag dort. Danach hatte sie nur noch Gelegenheitsjobs. Finanziell war sie von ihrem Partner abhängig – bis der Schluss machte.

Bevor sie im Oktober nach Stuttgart kam, habe sie bei einer Alleinstehenden gewohnt, die sehr viele Tiere hatte und gegen Unterstützung einen Schlafplatz bot. Die habe jedoch versucht, sie auszubeuten.

Sechs Frauen teilten sich einen Raum

So zog sie weiter. Die Stuttgarter Bahnhofsmission vermittelte Frau S. einen Schlafplatz in der Zentralen Notunterkunft. „Schrecklich“ habe sie die Zeit dort empfunden, sagt Frau S. Die Tränen fließen ganz plötzlich, als sie davon erzählt. Mit fünf anderen Frauen habe sie auf dem Zimmer geschlafen. Gesprochen hätten sie nicht. Sprachprobleme waren ein, aber nicht der Hauptgrund. „Auch ich wollte meine Ruhe“, sagt sie. Eine der Frauen sei psychisch krank gewesen, die habe nachts immer in ihrem Koffer gewühlt. Eine weitere müsse sie bestohlen haben – einige Klamotten aus der Reisetasche fehlten. Dann, als sie dachte, sie könnte ausziehen, ging Corona in dem Zimmer um – und erwischte auch sie.

Die Tage in Quarantäne kamen ihr endlos vor. Frau S. hofft, dass sie den größten Tiefpunkt ihres Lebens hinter sich hat. Eine Beraterin bei der Frauenberatung habe ihr sehr zur Seite gestanden. Die Sozialpädagogin vermittelte ihr einen Platz in einem Wohnheim für wohnungslose Frauen. Und weil Frau S. dringend warme Kleidung und Schuhe für den Winter braucht, hat sich die Beraterin an die Aktion Weihnachten gewandt. Wir wollen die Käufe ermöglichen.

So können Sie spenden

Konten
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