Leiterin Martina Rudolph-Zeller übernimmt auch selbst Dienste bei der Telefonseelsorge. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Ehrenamtlichen der evangelischen Telefonseelsorge in Stuttgart sind rund um die Uhr für Menschen in der Krise da. Auffällig ist, dass die Zahl der Anrufer mit psychiatrischer Diagnose zunimmt. Wir finanzieren deshalb wichtige Fortbildungen.

Es gibt keine ruhige Jahreszeit für die Ehrenamtlichen. Ist die Leitung frei, dann klingele es auch, sagt die Leiterin der evangelischen Telefonseelsorge in Stuttgart, Martina Rudolph-Zeller. Aber sie merken natürlich, dass gerade die Weihnachtszeit für viele besonders belastend ist. Alleinstehenden wird die Einsamkeit in dieser Zeit bewusster, vor allem an den Feiertagen, wenn die Geschäfte geschlossen sind. Andere fragten sich, ob sie die Enkelkinder wohl sehen dürfen. Wer am 24. Dezember anrufe, sei oft sehr dankbar. „Sie freuen sich, dass jemand Dienst hat“, so Martina Rudolph-Zeller.

Ein Gespräch aus letzter Zeit ist ihr besonders im Kopf geblieben: der Anruf einer jungen Frau, die in einer existenziellen Krise steckte, draußen herumirrte und weinte. Minutenlang war kein Gespräch möglich – bis sie irgendwann zu der Verzweifelten durchdrang, mit den Worten: „Ich bin da, es ist okay.“ Schließlich ließ das Weinen nach. „Wir konnten noch ein Gespräch führen“, sagt Martina Rudolph-Zeller.

Sie sind immer erreichbar, die anderen Anlaufstellen sind es nicht

365 Tage im Jahr und 24 Stunden rund um die Uhr ist die Telefonseelsorge erreichbar für Menschen in der Krise. Möglich ist das durch die Ehrenamtlichen, die Telefondienste übernehmen. 120 sind es allein bei der evangelischen Einrichtung in Stuttgart, hinzu kommen die Ehrenamtlichen der katholischen Telefonseelsorge. Bevor ein Ehrenamtlicher das erste Mal einen Anruf entgegennimmt, hat er mindestens ein Jahr an Schulungen durchlaufen – insgesamt dauert die Schulungsphase zwei Jahre.

Die Schulungen seien extrem wichtig, sagt Martina Rudolph-Zeller, auch vor einem anderen Hintergrund: Inzwischen hätten 38 Prozent der Anrufer eine psychiatrische Diagnose. Da müsse man gut reagieren können. Es meldeten sich zum Beispiel Menschen, die an einer Depression, an einer Manie, einer Psychose oder an einer Borderline-Störung leiden. Auch Menschen mit Suizidgedanken riefen an, die sich fragten: Will ich weiterleben? Soll ich weiterleben? Immer wieder hörten sie, dass Menschen auf einen Therapieplatz warteten. „Wir dienen als Auffangnetz, wenn die Grenzen des Gesundheitssystems erreicht sind“, sagt die Sozialpädagogin. Durch die 24-Stunden-Erreichbarkeit deckten sie auch Randzeiten ab.

„Wir geben Impulse und bleiben ein Stück“

Manchmal riefen auch Menschen an, die voll im Wahn seien. Doch auch für die sei es entlastend, dass ihnen jemand zuhöre. Wie lange sie sprechen? „ Ein Gespräch dauert so lange wie es dauert“, sagt dazu die Ehrenamtliche Jutta. Sie nimmt seit eineinhalb Jahren Anrufe entgegen – und weil sie den Menschen, mit denen sie spricht, nur ihren Vornamen sagt, soll das hier auch so sein.

Es könne tatsächlich mal mehr Zeit vergehen, bis man den Punkt gefunden habe an dem es okay sei, das Gespräch zu beenden, sagt die 65-Jährige. Aber das sei in Ordnung. „Wir geben Impulse und begleiten für ein Stück“, sagt die Ehrenamtliche. Manchmal verblieben die Menschen in ihren Gedankenspiralen, dann wieder habe man das Gefühl, etwas bewegt zu haben. Wie kürzlich, als ein Alkoholiker am Ende des Gesprächs zu ihr sagte: „Heute trinke ich nichts mehr und morgen gehe ich zum Arzt.“

Jutta macht betroffen, „wie viele Schicksalsschläge einen Einzelnen treffen kann“. Und doch ist sie froh, sich für genau dieses Ehrenamt entschieden zu haben. Sie schaue jetzt mehr „auf das, was ich habe“ und nicht „auf das, was ich nicht habe“. Das Engagement sei nicht nur sinnvoll, es bringe sie auch persönlich weiter, sagt Jutta, die in ihrem anderen Leben Juristin ist. Auch privat, so sei es ihr im Positiven gespiegelt worden, führe sie Gespräche inzwischen anders – sie höre mehr zu. Das kommt gut an.

Die Aktion Weihnachten unterstützt die Telefonseelsorge in diesem Jahr bei ihrer wichtigen Arbeit. Wir finanzieren die Fortbildungen der Ehrenamtlichen, in denen sie mehr über psychische Erkrankungen lernen.

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Konten
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