Dirigent Hannes Reich mit Chor und Sinfonieorchester in der Stuttgarter Stiftskirche Foto: jse

Romantik, Dvoraks Messe op. 86 und majestätische Weihnachtsklänge: Die Bosch-Musikgruppen haben sich wieder zum Quempas-Singen in der Stuttgarter Stiftskirche versammelt – sehr zur Freude der Aktion Weihnachten, der Benefizaktion unserer Zeitung.

Einst war es nur die Wiederbelebung eines alten Weihnachtsbrauchs. Längst aber hat sich das Quempas-Singen der Bosch-Musikgruppen selbst zu einer Tradition entwickelt. Nach Corona-Knick und Erholungsphase im vergangenen Jahr kehrte die Traditionsveranstaltung in der Stiftskirche nun im vertrauten Prachtgewand zurück.

So durfte das Publikum erstmals seit 2019 wieder frei durchatmen. Denn nach zwei Jahren pandemiebedingten Ausfalls erfolgte 2022 zwar wieder die Quempas-Reanimation, allerdings unter der Regentschaft der FFP-2-Maskenpflicht mit vergleichsweise wenigen 600 Besuchern. „Es hat uns sehr gefreut, dass es wieder so angenommen wird wie vor Corona“, stellt Ilka Weinbrenner, Bosch-Verantwortliche für Kultur und Freizeit, zum Quempas-Singen 2023 angesichts dicht gefüllter Kirchenbänke fest.

Der Unterstufenchor des Salier-Gymnasiums wirkte mit

Auch kommt ein einst Vertrauter wieder: Hannes Reich, Leiter des 60 Instrumente starken Bosch-Sinfonieorchesters, steht hier erstmals seit 2019 wieder am Dirigierpult. Vergangenes Jahr noch musste er passen. Nun ist er gleich für den Kern des Ganzen gefragt: Quempas steht für das lateinische Lied „Quem pastores laudavere“ („Den die Hirten lobeten sehre“), das vor Jahrhunderten zur Christmette aus allen vier Kirchenecken gesungen wurde. Beim Bosch-Quempas positionieren sich in vier Kleingrüppchen dazu die von Frieder Richter einstudierten Stimmen des Unterstufenchors des Salier-Gymnasiums aus Waiblingen in den Ecken ders Kirchenraumes, um reihum nacheinander die ersten Verse zu intonieren, bevor der Bosch-Chor übernimmt und zum Kehrvers auch das Publikum einstimmt.

Das musikalische Hauptwerk des Konzerts dirigiert Till Drömann, Leiter des 55 Köpfe starken Bosch-Chors Stuttgart. Mit Antonin Dvoraks Messe op. 86 hat er eine Komposition ausgewählt, die nicht nur Orchester wie Choristen mit zig Elementen der ganzen Musikgeschichte viel abfordert und dem Hörer von keuscher Demut der finalen Friedensbitte bis zu triumphalen Sequenzen viel bietet, sondern die auch in der hellfreundlichen und somit weihnachtlichen Tonart D-Dur steht. Kunstvoll gewirkte Chor- und Orchesterpartien, sensibel bis energisch inszeniert auch vom Vokalsolistenquartett Christine Reber (Sopran), Seda Amir-Karayan (Alt), Dustin Drosdziok (Tenor) und Bosch-Eigengewächs Joachim Kunz (Bass), fügen sich in eine umfassendere Musikarchitektur dieses Abends.

Zu den prägenden Eindrücken gehören auch gemeinsam intonierte Strophen berühmter Weihnachtschoräle und eine Sondereinlage der Bosch-Blechbläserabteilung nebst Pauke unter Leitung von Michael Unger mit der glanzhaltigen Symphony aus der Fairy-Queen-Oper von Barockmeister Henry Purcell das Konzert. Verstrebt wird der Abend jedoch von einem Romantik-Dreieck.

Majestätisches Finale mit „Oh du Fröhliche“

Den Auftakt dazu macht Organist Peter Schleicher mit dem spätromantischen Satz „Weihnachten“ von Max Reger, aus dem nach obskur-nebulösem Start und einigen populären Weihnachtmelodien final das von Glockenspiel- und Röhrenglocken-Register angeschlagene „Stille Nacht“ schlüpft. Die mittlere Romantik vertritt die Dvorak-Messe – die frühe folgt erst fast am Ende: Hannes Reich dirigiert das Orchester zur wenig bekannten, aber spektakulären Weihnachtsouvertüre von Otto Nicolai, deren Ende nach Ringen dunkler gegen helle Kräfte ein monumentales, durch den Chor gesungenes „Vom Himmel hoch“ markiert.

Zu toppen vermag das Nicolai-Finale nur die Aufbietung aller Kräfte als Orgel, Chöre, Instrumentalisten und Publikum vereint zum Abschluss ein majestätisches „O du fröhliche“ erklingen lassen in der nun hell erleuchteten Stiftskirche: Als ungenannter Lichtdesginer hatte sich Mesner Markus Friedrich betätigt, der über den Abend einen großen Bogen vom in Schummerstimmung anhebenden Reger bis zur ultimvativen Erhellung zu „O du fröhliche“ spannte. Frohgemute Kunde des Quempas-Konzerts zuletzt auch für die Aktion Weihnachten, die Benefizaktion unserer Zeitung. Sie durfte sich in diesem Jahr über eine Spende der Bosch-Musikgruppen von 12 500 Euro freuen.