Solche individuell gestalteten Schatzkisten erhält jedes Kind aus den beiden Gruppen. Foto: Lydia Dakleu

An Kinder psychisch kranker Eltern aus dem Landkreis Esslingen richtet sich ein präventives Gruppenangebot der Stiftung Jugendhilfe Aktiv. Die Aktion Weihnachten unterstützt dieses.

Stuttgart - Kinder psychisch kranker Eltern reagieren oft auf zwei Arten auf ihre belastende Situation, hat die Sozialpädagogin Lydia Dakleu festgestellt: Die einen fielen in der Schule höchstens dadurch auf, dass sie so unauffällig sind. Als strebsam, verantwortungsbewusst und still beschreibt sie Lydia Dakleu. Zuhause schlüpften sie in die Elternrolle. Da übernähmen schon Kinder im frühen Grundschulalter das Kochen. „Sie versuchen, alles richtig zu machen“ – in der Hoffnung, dass die psychisch kranke Mutter oder der psychisch kranke Vater sich freut.

Die andere typische Reaktion: „Sie zeigen ihren Frust“, sagt Dakleu, was vielleicht sogar die gesündere Variante sei. Die Kinder sind auffällig in der Schule, weisen aggressives Verhalten auf. Das wiederum führe dazu, dass das schulische Umfeld aufmerksam werde. Der erste Schritt zur Hilfe.

Für viele eine ganz neue Erfahrung: einen Freund zu haben

Lydia Dakleu ist eine der Gruppenleiterinnen beim Projekt Seiltänzer der Stiftung Jugendhilfe Aktiv. Seit elf Jahren bietet die Stiftung in Esslingen und Echterdingen Gruppen für Kinder mit psychisch krankem Elternteil an. Es ist ein präventives Angebot mit dem Ziel, dass die Kinder später nicht selbst erkranken. Es ist bewusst als Gruppenangebot gestaltet: Für die Kinder sei es enorm wertvoll, andere kennenzulernen, denen es ganz ähnlich geht wie ihnen, erklärt Dakleu. Sicherlich entlastet es auch, wenn sie in der Gruppe so wichtige Botschaften hören wie „Du kannst nicht Deine Mutter heilen“ oder „Es ist okay, Kind zu sein, sich zu freuen am Leben.“

Ein Schuljahr lang kommen die Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren in die Gruppe. Die meisten sind im Grundschulalter. In der Zeit würden die interdisziplinären Kräfte vom Projekt Seiltänzer versuchen, herauszufinden, wo die Begabungen der Kinder liegen. Sie vermitteln sie an Vereine, damit die Kinder besser integriert werden. Oft entwickelten sich zudem wertvolle Freundschaften der Jungen und Mädchen untereinander. Für viele eine ganz neue Erfahrung: einen Freund oder eine Freundin zu haben.

Schulsozialarbeiter sind wichtige Multiplikatoren

Lydia Dakleu betreut die Gruppe in Esslingen mit. Ihre Gruppe muss pandemiebedingt pausieren. Mitte Januar soll es wieder losgehen, so die Corona-Regeln es zulassen. Sie wollen die Gruppe teilen, um Abstände einhalten zu können. Seit den Sommerferien hat Lydia Dakleu nur Einzeltermine mit den Kindern gemacht, ist mit diesen spazieren gegangen. Die Gruppe in Echterdingen konnte bis zum Lockdown weiterlaufen. Sie hat bessere Räumlichkeiten, bis Mitte Dezember traf man sich noch auf Abstand.

Die Kinder werden oft über Therapeuten vermittelt, auch über Selbsthilfegruppen kommen Kontakte zustande. Schulsozialarbeiter seien wichtige Multiplikatoren. Wenn die Kinder sehr leistungsorientiert seien, aber sonst keinerlei Interessen zeigten und die Eltern zudem nie zu Elternabenden und anderen Schulveranstaltungen erschienen, könnte das auf ein Problem hindeuten.

Am häufigsten seien die Kinder, die zu ihnen kommen, zu Hause mit dem Krankheitsbild Depression konfrontiert. Auch Borderline, Schizophrenie und eine posttraumatische Belastungsstörung seien schon vorgekommen, so die Gruppenleiterin. Besonders schwer sei es für die Kinder, wenn Mutter oder Vater Suizidtendenzen hätten.

Eine Schatzkiste für den Notfall

Wobei die Diagnose bei Mutter oder Vater nicht zwingend ist, damit ein Kind am Gruppenangebot teilnehmen darf. „Die Krankheitseinsicht ist zwingend“, sagt sie. Schließlich sei Grundvoraussetzung, dass die Eltern dem Kind erlauben, offen zu sprechen. Nur dann könne die Gruppe auch als entlastend empfunden werden. Was sie den Kindern im Rahmen des Angebots auch vermittelten: „Psychische Erkrankungen sind nicht ansteckend. Es gibt Möglichkeiten, sich zu schützen.“ Das werde immer mit großer Erleichterung aufgenommen.

Jedes Kind bekommt in dem Jahr eine eigene Schatzkiste, in der steht, was man im Notfall machen kann. Darin finden sich zum Beispiel Anti-Stressbälle, Musik, Düfte, die dem Kind gefallen, aber auch eine Telefonliste mit den wichtigsten Nummern, fachliche Kontakte eingeschlossen.

Die Aktion Weihnachten unterstützt das Projekt

Das Projekt Seiltänzer wird ausschließlich über Spenden finanziert. Bei der Aktion Weihnachten wurden Mittel beantragt, um Bastelmaterial, therapeutische Spiele und kleine Weihnachtsgeschenke für die Kinder zu finanzieren. Außerdem würden die Gruppen gerne, wenn das wieder geht, Ausflüge mit den Kindern unternehmen. Die Aktion Weihnachten unterstützt das Projekt.

Die Aktion Weihnachten freut sich über Spenden. Wenn Ihr Name als Spender veröffentlicht werden darf, vermerken Sie das bitte unbedingt bei der Überweisung. Die Konten lauten: Baden-Württembergische Bank, IBAN DE04 6005 0101 0002 3423 40, oder Schwäbische Bank, IBAN DE85 6002 0100 0000 0063 00.