Die Regionalversammlung in Stuttgart beschließt eine „Lex Diezenhalde“, die einen Windpark zwischen Böblingen, Holzgerlingen und Ehningen erschwert: Die Windräder müssen ausnahmsweise einen deutlich größeren Abstand zum Wohngebiet einhalten.
Im Streit um den interkommunalen Windpark zwischen Böblingen, Holzgerlingen und Ehningen macht ein Beschluss der Regionalversammlungen den bisherigen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Bei der Sitzung der Versammlung am Mittwoch, 2. April, ist ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von CDU, FDP, Freien Wählern, SPD und ÖDP mit großer Mehrheit beschlossen worden. Er betrifft die Ausweisung mehrerer Vorranggebiete in der Region Stuttgart und hat insbesondere für das umstrittene Gebiet BB-14 auf dem Holzgerlinger First gravierende Auswirkungen.
Statt 900 Meter müssten nun 1200 Meter Abstand eingehalten werden
Die Fraktionen fordern darin für die Fläche BB-14 „wegen der außerordentlich hohen Siedlungsdichte und der daraus folgenden, gegenüber allen anderen Flächen besonderen Situation, zum Wohngebiet Diezenhalde einen 1,5-fachen Flächenabstand.“ Vorgeschrieben sind per Gesetz 800 Meter, die Planungen beruhten bisher auf 900 Metern. Nun müssten die Windräder 1200 Meter Abstand halten, wodurch das potenzielle Areal ersten Schätzungen zufolge nur noch halb so groß wäre. Der Antrag erhielt eine Mehrheit gegen die Stimmen von Grünen und Linken. Die AfD stimmte ihm zu.
Die Bewohner der Diezenhalde genießen durch den 1,5-fachen Abstand im Vergleich zu allen anderen Anwohnern von Vorranggebieten ein klares Privileg. Durch diese „Lex Diezenhalde“ wurde in der Region Stuttgart ein Präzedenzfall geschaffen. Auf dem Areal wollten Holzgerlingen und Ehningen gemeinsam mit den Stadtwerken von Böblingen und Stuttgart unter der Federführung des Projektierers Sowitec einen interkommunalen Windpark mit fünf 260 Meter hohen Windrädern errichten. Böblingen ist nach einem Beschluss im Gemeinderat derzeit in den Planungen außen vor.
Ob die Planungen für die Windräder unter der neuen Flächenvorgabe neu erstellt und überhaupt weiterverfolgt werden, ist zur Stunde ungewiss. Gerd Hummel, Geschäftsführer des Planers Sowitec, gibt sich am Mittwoch gelassen.
Dass der Windpark aufgrund der strengeren Abstandsregel von 1,2 Kilometern zur nächsten Wohnbebauung gar nicht realisiert werden kann, glaubt der Geschäftsführer nicht. Immerhin würden die Standorte bereits jetzt mehr als 900 Meter Abstand einhalten.
Der Sowitec-Geschäftsführer kann noch nichts zu konkreten Folgen sagen
„Der Windpark geht trotzdem, aber die Anlagen stehen dann vielleicht nicht mehr so ideal“, vermutet Hummel. Die aktuellen Standorte seien mit den Förstern so abgestimmt, dass sie möglichst wenig Auswirkungen auf wertvollen Baumbestand und den Naturschutz hätten. Allerdings könne er erst nach einer Neuberechnung verlässlich etwas dazu sagen und über konkrete Auswirkungen sprechen. Aus Richtung der Grünen-Regionalfraktion kommt hingegen deutliche Kritik an dem Beschluss.
„Mit dieser Ausweisung machen Sie den Regionalplan angreifbar und bringen damit die ganze Fortschreibung in Gefahr!“, sagt Grünen-Regionalrat und Planungssprecher Leo Buchholz. In weiteren Beschlüssen seien über 200 Hektar Fläche, allesamt ohne zwingende Ausschlussgründe, aus dem Regionalplan herausgenommen worden, „teilweise verbunden mit weit fortgeschrittenen und hoch konkreten Planungen“ wie in Böblingen.
Ex-Bürgermeister Dölker verteidigt Verkleinerung
Für den erhöhten Abstand zur Bebauung gestimmt hat auch der ehemalige Holzgerlinger Bürgermeister Wilfried Dölker, Regionalrat der Freien Wähler. Er sagt zu dem Antrag: „Wir können nicht ohne Kompromisse durch den Wust an Vorlagen kommen.“ Den Windpark unter der neuen Vorgabe umzusetzen, sei sicher nicht einfach, räumt er ein. Aber dennoch „grundsätzlich machbar.“
Die Diezenhalde sei im Regionsvergleich das am dichtesten besiedelte Gebiet und „hätte die Windräder klar in Sichtachse Richtung Südwesten“, sagt er zu den Sorgen der Anwohner dort.