Millionen Deutsche leiden unter chronischen Schmerzen. Viele suchen trotz ihres Leidens keine medizinische Hilfe. Dabei kann eine gezielte Schmerztherapie eine deutliche Linderung der Beschwerden bewirken.
Kopfschmerzen und Migräne beeinträchtigen Millionen Menschen weltweit und gehören auch in Deutschland zu den Volkskrankheiten. Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DKMG) schätzt, dass die deutsche Bevölkerung 32 Millionen Arbeitstage im Jahr allein durch Migräne verliert.
Auf dieser Grundlage berechnet, koste Arbeitsunfähigkeit infolge von Migräne 3,1 Milliarden Euro, betont der Schmerztherapeut und Neurologe Hartmut Göbel, Gründer und Chefarzt der Schmerzklinik Kiel.
Kopfschmerzen sind eine Volkskrankheit
Kopfschmerzen und Migräne haben Göbel zufolge in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sowohl hinsichtlich ihrer Häufigkeit als auch hinsichtlich der Schwere und Intensität. Moderne Lebensstile mit hoher Beanspruchung der Funktionen des Nervensystems könnten ein Grund für das häufigere Auftreten sein.
Die Notwendigkeit für Behandlungen steige. In Europa sei aber davon auszugehen, dass nur etwa 20 Prozent der Betroffenen ärztlich versorgt werden. Kopfschmerzen würden häufig mit „wissenschaftlich ungesicherten unkonventionellen Therapien“ behandelt, erklärt Schmerztherapeut Göbel.
Funktion von Schmerzen
Schmerzen haben eine wichtige Warn- und Signalfunktion: Sie machen aufmerksam auf vorübergehende Gesundheitsstörungen. Wenn akute Schmerzen immer wiederkehren und über längere Zeit andauern, handelt es sich um chronische Schmerzzustände.
Nach Angaben der Deutschen Schmerzgesellschaft leiden in Deutschland schätzungsweise 8 bis 16 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen. Viele Patienten werden aber nur mangelhaft oder gar nicht behandelt.
Wie Schmerzen behandelt werden
Arzneimittel stellen die klassische Behandlungsmethode bei Schmerzen dar. Medikamente gegen Schmerzen bezeichnet man auch als Analgetika. Dabei werden verschiedene Substanzklassen mit unterschiedlichem Wirkgrad und Nebenwirkungen eingesetzt:
Nicht-Opioid-Analgetika
Hierzu gehören beispielsweise Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Paracetamol oder Ibuprofen (wirkt schmerzdämpfend, entzündungshemmend und fiebersenkend).
Opioid-Analgetika
Opioid-Analgetika werden in stark wirksame Mittel (beispielsweise Oxycodon, Pethidin, Hydromorphon, Fentanyl, Buprenorphin, Morphin oder Piritramid) und schwach wirksame Opioide ( wie zum Beispiel Tramadol, Tilidin oder Codein) unterschieden.
Adjuvante Analgetika
Diese „Hilfsmedikamente“ werden bei einer Schmerztherapie begleitend und ergänzend eingesetzt und sollen die Schmerzursache beeinflussen. Hierzu gehören Antidepressiva (wie etwa Amitriptylin), Neuroleptika (Psychopharmaka, die eine sedierende – das heißt beruhigende und dämpfende – sowie antipsychotische – also den Realitätsverlust bekämpfende – Wirkung besitzen) und Antikonvulsiva (Arzneimittel zur Behandlung von epileptischen Anfällen wie zum Beispiel Pregabalin sowie Carbamazepin oder Gabapentin).
WHO-Stufenschema
Die Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf) hat ursprünglich für die Tumortherapie ein dreistufiges Schema – das sogenannte WHO Drei-Stufenschema, englisch: WHO Analgesic Ladder – entwickelt, nach dem Ärzte chronische Schmerzen behandeln sollen.
Dieses Schema Es unterscheidet zwischen leichten, mittelstarken und starken bis sehr starken Schmerzen.
Schmerzskala
Der behandelnde Arzt muss die Schmerzstärke vor Therapiebeginn richtig einschätzen. Dafür gibt es sogenannte Schmerzskalen – wie die Visuelle Analog Skala (VAS) –, welche zur Erfassung und Dokumentation von Schmerzen dienen. Der Patient kann sein Schmerzempfinden mit Hilfe einer Richterskala von 0 bis 10 (0 = keine Schmerzen; 10 = stärkste vorstellbare Schmerzen) selbst messen.
Wichtig ist zudem die regelmäßige Kontrolle, um die Medikamentendosis optimal anzupassen. Der Patient erhält die Arzneien nach einem festen Zeitschema, um so für einen gleichmäßigen Blutspiegel und eine kontinuierliche Schmerzfreiheit zu sorgen.
Drei Stufen der Schmerztherapie
Stufe 1: Bei leichten Schmerzen Einsatz von nicht-opioiden Analgetika und Hilfsmedikamenten.
Stufe 2: Bei mittelstarken Schmerzen Einsatz schwacher Opioide, eventuell zusätzlich Nicht-Opioid-Analgetika und Hilfsmedikamente.
Stufe 3: Bei starken Schmerzen Einsatz von starken Opioiden, zusätzlich eventuell Nicht-Opioid-Analgetika und Hilfsmedikamente.
Schmerzmittel und Abhängigkeit
Nach Aussage von Schmerzmedizinern macht die Einnahme von Opioiden – bei richtiger Anwendung und Dosierung – nicht zwangsläufig süchtig. Am Ende der Behandlung wird die Dosis ausgeschlichen und langsam verringert, damit sich der Organismus an die Umstellung gewöhnen kann.
Multimodale Therapie
Bei der multimodalen Schmerztherapie – einem kombinierten Behandlungskonzept – wird ein chronischer Schmerzpatient über einen Zeitraum von mehreren Wochen interdisziplinär behandelt.
Medizinische, physiotherapeutische und psychologische Behandlungsmethoden werden hierbei miteinander kombiniert. Experten aus verschiedenen Fachdisziplinen wie Ärzte, Physiotherapeuten, Psychologen und Pflegekräfte arbeiten unter ärztlicher Leitung nach einem standardisierten Behandlungsplan zusammen.
Infos und Adressen
Deutsche Schmerzgesellschaft:
Die Deutsche Schmerzgesellschaft ist die größte wissenschaftliche Schmerzgesellschaft in Europa, www.dgss.org, info@Schmerzgesellschaft.de.
Deutsche Schmerzliga:
Die Deutsche Schmerzliga ( DSL) ist eine Selbsthilfeorganisation für Menschen mit chronischen Schmerzen, www.schmerzliga.de, info@schmerzliga.de.
Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin
: Auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) finden sich die Kontaktdaten der regionalen Schmerzzentren in Deutschland, www.stk-ev.de; www.dgschmerzmedizin.de, info@dgschmerztherapie.de.