Für den bewegendsten Moment der Trauerfeier sorgte die kleine Sarah, die mit ihren ganz eigenen Worten an ihren Großvater Manfred Rommel erinnerte. Foto: dpa

"Leitfigur", "Integrator", ein Politiker mit "demokratischem Rückgrat" - politische Weggefährten erinnerten mit großen Worten an den verstorbenen Oberbürgermeister Manfred Rommel. Für den bewegendsten Moment der Trauerfeier sorgt aber seine elfjährige Enkelin Sarah.

"Leitfigur", "Integrator", ein Politiker mit "demokratischem Rückgrat" - politische Weggefährten erinnerten mit großen Worten an den verstorbenen Oberbürgermeister Manfred Rommel. Für den bewegendsten Moment der Trauerfeier sorgt aber seine elfjährige Enkelin Sarah.

Stuttgart - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte ihn eine „Leitfigur“, Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) einen „couragierten und mutigen Mann“: Mehr als 800 Trauergäste haben am Donnerstag in der Stuttgarter Stiftskirche Abschied von Manfred Rommel genommen. Der ehemalige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt und CDU-Politiker war vor einer Woche im Alter von 84 Jahren gestorben. Seit Mitte der 1990er Jahre litt er an der Parkinson-Krankheit. Er wird in einem Ehrengrab beigesetzt.

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Toleranz, Menschlichkeit und Humor waren an diesem Trauertag wohl die am häufigsten verwendeten Vokabeln bei der Würdigung von Manfred Rommel. „Wir haben den Verlust einer Leitfigur zu beklagen“, sagte Ministerpräsident Kretschmann, die stets „uneitel und mit großer Gelassenheit“ und mit viel trockenem, schwäbischem Humor gewirkt habe. Sein Nach-Nachfolger als OB, Fritz Kuhn, berichtete von einem Rommel-Zitat zum Tod, das heute noch im Rathaus kursiert: „Den Löffel abgeben muss jeder, nur nicht im November - da sind die Blumen so teuer.“ Rommel starb am 7. November.

Kretschmann betonte, dass Rommels weltoffener und integrativer Politikstil auch international auf Resonanz gestoßen sei. „Er war ein großer, begnadeter Integrator.“ Unter den Trauerenden waren gleich drei ehemalige CDU-Ministerpräsidenten Baden-Württembergs: Lothar Späth, Erwin Teufel und Stefan Mappus.

Rommels Enkelin sorgt für rührendsten Moment der Trauerfeier

Die Trauerfeier in der Stiftskirche wurde in die Domkirche St. Eberhard übertragen, wo die Stuttgarter das Geschehen verfolgen konnten. Rommel war bis 1996 gut 22 Jahre Oberbürgermeister seiner Heimatstadt, prägte ihre liberale Grundhaltung. Ihm wird vor allem eine moderne Ausländerpolitik zugeschrieben. Bundesweit für Aufsehen sorgte er, als er 1977 nach dem Selbstmord der RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe im Gefängnis Stammheim gegen massive politische Widerstände deren Beerdigung in Stuttgart durchsetzte.

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Württembergs evangelischer Landesbischof Frank Otfried July würdigte Rommel als einen Politiker, der seinen gesellschaftlichen Grundüberzeugungen stets treugeblieben sei. „Immer wieder bewies er diese Freiheit, einmal gegen den Strom zu sprechen“, sagte July. Rommel sei „voll Glut der Mut-Menschlichkeit“ gewesen.

Rommel war der Sohn von Generalfeldmarschall und „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel. Dieser hatte Hitler treu gedient, wurde aber kurz vor Ende des Krieges wegen angeblicher Verwicklung in das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 zum Selbstmord gezwungen. Damals war sein Sohn Manfred 15. Unwesentlich älter als seine Enkelin Sarah heute. Die 11-Jährige sorgte für den wohl rührendsten Moment der Trauerfeier: Spontan - und gegen das Protokoll - ging sie mit ihrer Mutter ans Mikro, einen großen weißen Plüsch-Eisbären im Arm. Sie wolle ihrem Fred danken. „Er hat auf meinen Opa im Krankenhaus aufgepasst“.

Die Trauerrede von Winfried Kretschmann

Die Trauerrede von Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Sehr verehrte Frau Liselotte Rommel,

sehr verehrte Frau Catherine Rommel,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Fritz Kuhn,

sehr geehrter Herr Professor Dr. Wolfgang Schuster,

sehr geehrter Herr Landesbischof July,

sehr geehrter Herr Bischof Dr. Fürst,

herzliche Grüße an die früheren Ministerpräsidenten des Landes, Herrn Dr. Lothar Späth, Herrn Dr. Erwin Teufel und Herrn Stefan Mappus, Herrn Landtagspräsident Guido Wolf und den Damen und Herren Abgeordneten, liebe Freunde und Weggefährten von Manfred Rommel, verehrte Trauergemeinde.

Liebe Frau Rommel, liebe Familie Rommel, liebe Trauergemeinde, der Tod ist ein unbarmherziger Gleichmacher. Seine Unbarmherzigkeit empfinden am schmerzlichsten die Familienangehörigen und der engere Freundeskreis. Deshalb gelten in dieser Stunde des Abschieds von Manfred Rommel all unsere guten Gedanken nicht nur ihm, sondern auch Ihnen, liebe Frau Rommel, Ihrer Familie und all den Freunden, die er in großer Trauer hinterlässt.

Jedes einzelne Leben ist wichtig und wertvoll, jeder Tod bedeutet das jähe Ende einer einzigartigen und unwiederholbaren Lebensgeschichte. Doch der Tod mancher Menschen erschüttert uns besonders stark, weil sie mit unserer eigenen Lebensgeschichte eng verflochten sind und weil uns zugleich schmerzhaft bewusst wird, dass wir eine Person der Zeitgeschichte verloren haben. So ein Mensch war Manfred Rommel.

Die Todesnachricht, die uns am letzten Donnerstag erreichte, machte uns alle stumm und ratlos. Alte Weggefährten und Menschen auf der Straße konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Aus aller Welt trafen bestürzte Beileidsbekundungen ein, die seine historische Bedeutung würdigten.

Das Land Baden-Württemberg, die Bürgerinnen und Bürger in Stadt und Land, haben in der Tat den Verlust einer Leitfigur zu beklagen. Ich will nun versuchen, die Faszination zu beschreiben, die von dem Menschen Manfred Rommel ausging. Manfred Rommel gehörte der Zwischengeneration der Flakhelfer an, die als junge Menschen am Aufbau der bundesrepublikanischen Demokratie maßgeblich beteiligt waren. Als diese Lebensleistung in den Jahren nach 1968 durch eine neue Generation in Frage gestellt wurde, war Manfred Rommel schon über vierzig Jahre alt und arbeitete als Spitzenbeamter im Dienste des Landes Baden-Württemberg.

In seiner Zeit als Oberbürgermeister wurde er mit Forderungen zur Atomkraft, zum Umweltschutz, zur Frauenförderung und damals weiteren als exotisch geltenden Themen, zuweilen auch in ungestümer Form, konfrontiert. War es wirklich die „behaglich-schwäbische Autorität“, die Helmut Schmidt an Manfred Rommel - wie auch an Theodor Heuss - wahrzunehmen glaubte, mit der er sich zahlreichen Konflikten stellte? Woher hatte er die souveräne Gelassenheit, vor der die politischen Gegner immer Respekt hatten? Worin war seine Autorität begründet?

Max Weber beschreibt in seinem berühmten Vortrag „Politik als Beruf“ drei notwendige Qualitäten des Politikers. Er braucht erstens die leidenschaftliche Hingabe an die Sache, zweitens ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl und drittens das rechte Augenmaß, das man durch eine gewisse Distanz zu sich und der Politik gewinnt.

Die leidenschaftliche Hingabe für die Sache, für das Wohl des Landes und der Stadt, rang Manfred Rommel seinem Körper oft genug und zunehmend unter Schmerzen ab. Er hat sich im Dienst für die Öffentlichkeit nie geschont, zeigte nach außen aber lieber Behaglichkeit als Überanstrengung.

Er war ein Mann fester Gesinnungen, aber doch letztlich ein überzeugter Verantwortungsethiker. Er tolerierte Meinungen politischer Gegner auch dann, wenn er sie nicht akzeptieren oder aufnehmen konnte, was er aber oft versuchte.

Darin unterschied er sich von den Gesinnungsethikern der damals jüngeren Generation, der auch ich angehörte. Wir fühlten uns eher dafür verantwortlich, dass die Flamme der Gesinnung nie erlischt.

Gesinnungsethiker, die sich an ihm abarbeiteten, erregten seinen milden Spott.

Aber weil der immer milde, versöhnlich und ohne Aggression war, trug er entscheidend dazu bei, die Ideologien auf allen Seiten in pragmatische Politik zu überführen.

So prägte er das Klima der Debatten in politisch unruhigen Zeiten und ermöglichte als Person den Dialog zwischen den Generationen und den politischen Kulturen. Auf ethischer Verantwortung und auf menschlichen Lösungen bestand er auch gegenüber dem schwäbischen Wirtschaftsgebrumm, so, wenn Fremde ausgegrenzt werden sollten oder wieder einmal ein kurzer Prozess gefordert wurde.

Max Weber verlangt vom Berufspolitiker Augenmaß und Distanz. Und er merkt an, dass die Eitelkeit der stärkste Feind des Politikers ist, wenn er sich der Sache verantwortlich hingeben will.

Manfred Rommel hat seine Machtbefugnisse uneitel und mit großer Gelassenheit ausgeübt. Er befolgte das Motto: Ich regiere nicht, ich bilde Atmosphäre. Dieser Satz ist von Theodor Heuss, dessen Todestag sich am 12. Dezember schon zum 50. Male jährt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Theodor Heuss und Manfred Rommel in enger Geistesverwandtschaft das demokratische Leben Baden-Württembergs in der Nachkriegsgeschichte entscheidend beeinflusst haben und ihm eine eigene, positive Qualität verliehen haben.

Die zahlreichen faktischen Verdienste und politischen Erfolge, die Manfred Rommel sich im Laufe seines langen politischen Lebens erworben hat, sind aktenkundig und oft zutreffend beschrieben worden. Sie können aber seine Beliebtheit bei den Menschen noch nicht erklären, die er über alle Maßen genoss. Diese Volkstümlichkeit ist meiner Ansicht nach darin begründet, dass er als Politiker eine persönliche Haltung der Bescheidenheit eingenommen und vorgelebt hat, dass es dabei immer um die nötige Distanz zu sich und den Aufgeregtheiten der Tagespolitik eingenommen hat.

Dafür stand ihm ein ganzes Arsenal von Distanzierungstechniken zur Verfügung, die er bewunderungswürdig beherrschte und auch listig einzusetzen wusste. So ist sein berühmter Humor viel mehr als die richtige Platzierung von Aphorismen und Witzen, mit denen er jede beliebige Versammlung zum Lachen brachte. Der Humor war vielmehr seine besondere Denkform, mit der er Ideale mit der Wirklichkeit oder Gesinnungen mit der Verantwortung konfrontierte und sich und den Zuhörern aus dem Zusammenprall der Gegensätze ein komisches und gleichzeitig immer lehrreiches Vergnügen bereitete.

Er selbst beschrieb das in seinen Erinnerungen unter dem Titel Trotz allem heiter: „Humor ist Distanz zu sich selbst. Darum lasst uns den Blick für Seltsames und Komisches ausbilden. Wir werden dadurch menschlicher.“

Einige Zeitgenossen haben anfänglich seine Rhetorik unterschätzt. Sie baute sich jeweils langsam und zögernd auf, wollte nie glänzen, spielte mit der eigenen Unvollkommenheit, griff bei Bedarf gern zum Dialekt und gewann am Ende das Publikum - auch gegen dessen Widerstand - grandios für sich. Manche unterschätzen auch, welch wichtiger Kitt der Humor für den Zusammenhalt der politischen Gegensätze in der Demokratie ist.

Wo Manfred Rommel das Wort ergriff, da entfloh jedes Pathos, besonders das falsche. Und auch jetzt, wo wir in dieser traurigen Stunde versammelt sind, kann ich mich von der Vorstellung nicht ganz befreien, dass ihm zu unserer Feier bestimmt ein kritischer Vers oder eine ironische Bemerkung eingefallen wäre.

Manfred Rommel war ein Mann des Wortes. Die Liebe zum Wort und seine große Lust zu erzählen und Erzählungen zu hören halfen ihm, jene nötige Distanz zum politischen Alltag und zu sich selbst herzustellen.

Ein Mann des Wortes war er auch, weil er mit wenigen richtigen Sätzen mutig zur rechten Zeit Konflikte niedergeschlagen hat. „Im Tod endet jede Feindschaft“, sagte er zur umstrittenen Beerdigung der RAF-Mitglieder. Aufkeimende Ressentiments gegen einen dunkelhäutigen Polizistenmörder brachte er mit dem einen Satz „Es hätte auch ein Schwabe sein können“ zum Schweigen. „Deutschland ist ein Einwanderungsland“ war sein dritter berühmter Satz, mit dem er sich auch gegen die eigenen Reihen stellte und zudem vorbildlich und großzügig Flüchtlinge in seiner Stadt aufnahm.

Sein weltoffener integrativer Politikstil stieß auch international auf starke Beachtung und Resonanz. Er selbst betrieb aktiv eine kommunale Außenpolitik, pflegte enge Freundschaft besonders mit Israel, Amerika und Frankreich. „Wenn das Nachkriegsdeutschland ein Symbol braucht, sucht es in Stuttgart“, das schrieb der Corriere della Sera schon 1996. Meine Damen und Herren, die Stunde des Abschieds von Manfred Rommel ist gekommen.

Er war für viele Menschen in aller Welt und für uns Träger der Hoffnung darauf, dass Politik durchaus integer, wertbewusst und verantwortlich ausgeübt werden kann. Er ermöglicht uns die Hoffnung auf eine politische Kultur, in der unterschiedliche Interessen und Meinungen sich annähern und ausgleichen lassen. Er hat uns gelehrt, trotz Krankheit und Schmerz die Haltung der Heiterkeit zu bewahren. Ich denke, wir Trauernden sollten gerade die Heiterkeit in der Erinnerung an ihn bewahren. Manfred Rommel war ein großer, ja, ein begnadeter Integrator. Diese Lebensleistung bleibt uns als Vorbild. Vor allem wir politisch Tätigen sollten versuchen, seiner Bitte zu folgen, die er am Ende seiner Dienstzeit äußerte: „Haltet auch ein bissle zusammen.“

Wir sind Manfred Rommel über alle Maßen dankbar für sein Wirken und nehmen voller Respekt Abschied von einem bedeutenden Menschen. Er wird uns sehr fehlen.

Die Trauerrede von Fritz Kuhn

Die Trauerrede von OB Fritz Kuhn

Liebe Frau Rommel, liebe Catherine Rommel und Familie, und ganz besonders liebe Sarah und lieber Lennard, liebe Trauergemeinde,

Stuttgart hat Manfred Rommel verloren, seinen früheren Oberbürgermeister und Ehrenbürger, und wir haben als Stadt, den Menschen Manfred Rommel verloren.

Liebe Frau Rommel, ich spreche Ihnen als Oberbürgermeister unserer Stadt, ganz persönlich und im Namen aller Bürgerinnen und Bürger, aller Stuttgarterinnen und Stuttgarter, unser tiefempfundenes Beileid aus.

Die Anteilnahme dieser Stadt und ihrer Menschen ist kein leeres Ritual. Wir nehmen Anteil, weil wir den Schmerz selber in uns tragen. Als die Todesnachricht am vergangenen Donnerstag, durch die Stadt ging, zeigten die Stuttgarterinnen und Stuttgarter ihre ganze Betroffenheit und den Verlust ihres persönlichen Manfred Rommel. In den Stadtbahnen und auf den Plätzen war zu hören: „Hasch scho g’hört d’r Rommel isch g’storben?“

Ich habe in den letzten Tagen oft, wenn Bürgerinnen und Bürger im Rathaus sich ins Kondolenzbuch eingetragen haben, mir Zeit genommen, mit ihnen zu sprechen. Eines war auffällig: Alle wollten etwas erzählen. Sie wollten nicht Reden halten über die politischen und staatspolitischen Verdienste. Sondern sie wollten persönliche Geschichten erzählen, was ihren Manfred Rommel für sie ausgemacht hat. Und das ist nichts Selbstverständliches. Natürlich war er für die Leute immer der Oberbürgermeister Manfred Rommel, aber es war auch der Mensch, und alle haben es liebevoll und zärtlich ausgesprochen, es war „d‘r Rommel“.

Es hat viele Gründe, warum Ihr Mann, liebe Frau Rommel, so beliebt war. Einer, der viele Menschen beindruckt hat, war, wie er den erzwungenen Freitod seines Vaters immer wieder verarbeitet hat. Er war beliebt, weil er gebildet war, ein sehr belesener Intellektueller. Aber er konnte Zusammenhänge einfach und klar darstellen und auch ganz Kompliziertes, einfach zum Ausdruck bringen. Wichtig war auch, dass Manfred Rommel ein bescheidener Mann war. Der Tanz um das goldene Kalb und die Sehnsucht nach Reichtümern war nie sein Ding. Er war bodenständig, gut geerdet und bescheiden.

Viele Menschen in Stuttgart hat beeindruckt, wie er seine schwere Krankheit bewältigt hat. Er hat vielen Trost und Erleichterung gebracht, weil er diese Krankheit nicht versteckt hat. Das hat vielen Menschen - auch noch heute - geholfen. Darüber reden die Bürger in unserer Stadt.

Wichtig war, dass der Oberbürgermeister Rommel, ausgehend von festen Grundsätzen und Wertentscheidungen, immer pragmatisch gehandelt hat. Er war keiner für die oberflächliche Pragmatik. Sondern, wenn es um eine konkrete pragmatische Entscheidung ging, dann war sie in Grundsätzen und Werten gegründet.

Sein unglaublicher Humor, feinsinnig, schwäbisch, hintersinnig, dialektisch, liebevoll, hat ihn natürlich auch sehr beliebt gemacht bei den Leuten. Es gab viele Reden, da haben die Leute schon darauf gewartet, ob es sich reimt oder ob er was Humorvolles sagt. Wichtig, der Herr Ministerpräsident hat darauf hingewiesen, er zog nicht andere durch den Kakao, sondern seine Ironie war Selbstironie, er konnte über sich selbst lachen. Manfred Rommel hat gerne und häufig den Philosophen Hegel zitiert. Er sagte, er habe viel von ihm gelesen, die Hälfte aber wieder vergessen und nur ein Drittel verstanden. Gerade bei Hegel hat es die Leute sehr gefreut, dass er gleich die Relativierung mit dazu gesagt hat. Er ließ auch Himbeergeist abfüllen, um ihn dann als Stuttgarter Weltgeist unter die Leute zu bringen und zu verkaufen. Hegel schrieb Schweres über den Tod. Er schrieb zum Beispiel, der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste. Und das Tote festzuhalten, das, was die größte Kraft erfordert.

Über Manfred Rommel wird im Rathaus die folgende Geschichte erzählt: Wenn er, der nun ja doch im November sterben musste, im November im Rathaus war, dann hat er mehrfach gesagt, ich zitiere: „Den Löffel abgeben muss jeder. Nur nicht im November. Da sind die Blumen so teuer“. Und genau an dieser Art von Humor können Sie ablesen, wie er Schwieriges, Schreckliches einfach in einem leichten humorvollen Satz aufzulösen wusste. Unsere Stadt verliert mit Manfred Rommel einen Politiker und Staatsmann von großem Rang. Einen Haushaltspolitiker, den Erfinder der mittelfristigen Finanzplanung und einen, der noch wusste, was das Wort sparen in der Alltagssprache bedeutet. Er war ein Politiker, der um Beziehungen zum Ausland besorgt war. Und sich um die Aussöhnung verdient gemacht hat. Frankreich, die Vereinigten Staaten, Polen und vor allem Israel waren im Fokus seiner Besuche und Aufmerksamkeit.

Manfred Rommel war ein Christdemokrat und ein Liberaler im alten und ursprünglichen Sinne. Er stand zum Staat und verteidigte diesen auch. Aber er wusste auch, dass es Menschen sind, Individuen, Gemeinschaften und Gesellschaften die hinter dem Staat stehen und die auch zu schützen sind. Manfred Rommel war tolerant. Und er wusste, und das ist ein wichtiger Punkt gewesen, dass Toleranz nicht großherzige Duldung bedeutet. Er sagte immer wieder: Tolerant sein, heißt akzeptieren, dass jemand Anderes eine andere Meinung hat, als man selber, und auch akzeptieren, dass dieser sie stets und frei sagen darf. Und dann hat Rommel in mehreren Texten noch eine dritte, höhere Stufe der Toleranz definiert, die hieß, dass derjenige, von dem man toleriert, was er sagt, dass man das auch zum Anlass nimmt über seine eigene Meinung nachzudenken, ob sie denn richtig sei. In diesem Stufenmodell der Toleranz, hat er vieles vorweggenommen, was später zeitgenössische Philosophen über diesen Begriff gesagt haben.

Seine Toleranz war die Grundeigenschaft für das weltoffene, auf Integration ausgerichtete Stuttgart. 40 Prozent der Menschen in unserer Stadt haben einen sogenannten Migrationshintergrund, 170 Nationen leben in dieser Stadt. Dass das friedlich geht und eine Stärke unserer Stadt ausmacht, dafür hat Manfred Rommel den Grundstein gelegt, auf dem Herr Schuster und auch ich aufbauen konnten und können. Ich will das nochmal in einem Zitat sagen, wie er über diese Fragen geredet hat. Zu einer Zeit als das etwas schwierige Wort Migrationshintergrund offensichtlich noch gar nicht in der Welt war, sagte er: „Der Versuch, Mustafa zum Germanen zu machen und ihn zu veranlassen, seinen Sohn Siegfried zu nennen, ist völlig blöd. Das sollen einmal Deutsche werden. Aber Deutsche, die ihren türkischen, serbischen, jugoslawischen oder italienischen Hintergrund durchaus bejahen.“ So hat Manfred Rommel über die Fragen der Integration gedacht.

Ich will noch einen wichtigen Punkt nennen. Manfred Rommel war einfach ein couragierter und mutiger Mann. Da sind schon Beispiele angesprochen worden, auch sein Eintreten für den Intendanten Claus Peymann, als es um einen Spendenaufruf für die Terroristin Gudrun Ensslin ging, war mutig. Das war nicht einfach in der damaligen Zeit, und ich finde, dass wir auch an diesen Mut denken sollten.

Auch als auf der Gaisburger Brücke zwei Polizisten erstochen worden sind, Herr Kretschmann hat schon darauf hingewiesen, und er dann sagte „es hätte auch ein Weißer oder ein Schwabe sein können“, das war für die damalige Zeit ein extrem mutiger Satz. Ich finde, wir sollten uns an dieser Stelle auch für den Mut von Manfred Rommel bedanken, nicht unbedingt das Erwartbare, aber das Nötige zu sagen und diese Courage zu haben. Manfred Rommel zog einen ganz entschiedenen Schluss aus den tragischen Ereignissen des Hitlerfaschismus. Und der war, wenn es drauf ankommt, stets und immer die Demokratie zu verteidigen. Sie müsse geschützt werden und zwar von allen in der täglichen Praxis, das war sein Credo.

Und nicht nur mit der Haltung, das Bundesverfassungsgericht werde es schon richten. Bei seiner Verabschiedung im Gemeinderat, als Oberbürgermeister, hat er dann am Ende gesagt: „Und haltet mir au a bissle zusammen!“. Übrigens, was für eine wunderbare schwäbische Formulierung, für das was man sonst vielleicht den Grundkonsens der Demokraten nennen würde. Er hat es auf diese einfache Formel gebracht. Zusammenhalten, dann wenn‘s notwendig ist, bei allem Streit. Und so die demokratischen Institutionen eben auch zu schützen. Und als wir uns vor einigen Monaten im Rathaus bei der Verabschiedung seiner langjährigen Sekretärin, Frau Kübler-Birk, sahen, hielt er eine kleine Rede. Frau Rommel sie werden sich daran erinnern. Für mich war es akustisch schon schwer zu verstehen, aber eines war klar, er wollte uns sagen, was den Staat zusammenhält: Beachtet die Regeln, auch die Mehrheitsregel, dies hat er zweimal betont, das zählt.

Dieser Manfred Rommel ist gestorben. Er hat sich um unsere Stadt in einem ganz tiefen Sinne verdient gemacht. Er ist von uns gegangen, aber was ihn ausmachte und ausmacht, das kann uns niemand nehmen. Das existiert weiter als Erinnerung, als Trost, als Verpflichtung und manchmal auch als Mahnung.

Liebe Frau Rommel, Sie können bei allem Schmerz und Leid stolz sein, auf das was ihr Mann - und Sie mit ihm - für unsere Stadt geleistet haben.

Die Trauerrede von Wolfgang Schuster

Liebe Familie Rommel, liebe verehrte Frau Rommel, viele Menschen trauern mit Ihnen in diesen Tagen, auch ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen.

Verehrte Trauergemeinde,

Manfred Rommel und Stuttgart: Der Gedanke, dass es diese Verbindung nicht mehr gibt, fällt schwer. Wir müssen heute Abschied nehmen von einer großen Persönlichkeit, die die politische Kultur in Stuttgart, in Baden-Württemberg, in der Kommunalpolitik, in Deutschland sowie in der CDU geprägt hat. Die CDU war über die Jahrzehnte seine politische Heimat. Jeder von uns hat sein Bild von Manfred Rommel, seine Erinnerungen und seinen Blick auf den Verstorbenen. Herr Landesbischof July, Herr Ministerpräsident Kretschmann und Herr Oberbürgermeister Kuhn haben jeweils ein Bild von dieser Persönlichkeit gezeichnet und Manfred Rommel gewürdigt. „Suchet der Stadt bestes“ - mit Klugheit und Weitsicht, mit Humor und Herz, mit Mut und Menschlichkeit.

Ich stehe hier mit einem Gefühl der tiefen Trauer und der großen Dankbarkeit.

Verehrter, lieber Manfred, wir sind dankbar für Dein Vertrauen. Manfred Rommel hat Vertrauen in seine Mitbürger, in seine Mitarbeiter und besonders in mich gesetzt. Er war überzeugt, dass Vertrauen selten enttäuscht, Misstrauen aber häufig bestätigt wird.

1980 hat Manfred Rommel mich als 30-Jährigen zum Leiter des Persönlichen Referates ernannt. Zwei Bereiche waren ihm dabei besonders wichtig, die Kultur und die internationalen Beziehungen.

Als Präsident des Deutschen Städtetags verstand er sich als internationaler Brückenbauer zwischen den Städten, um zur Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern beizutragen, um den Eisernen Vorhang durchlässiger zu machen und nicht zuletzt um ein besseres Verständnis für die Menschen zu erreichen, die aus anderen Kulturkreisen zu uns gekommen sind.

Anfang der 80er Jahre gab es in Stuttgart einen kulturellen Aufbruch unter dem Leitmotiv „Kultur für alle“: So entstanden neue Wege der Musikvermittlung zum Beispiel durch Helmut Rilling mit der neu gegründeten Internationalen Bachakademie, neue Angebote durch Theatergruppen, durch das Theaterhaus.

Diese Öffnung für mehr kulturelle Vielfalt, für gesellschaftskritisches Theater war nicht nur bequem. Die Freiheit der Kunst zu fördern und gegebenenfalls auch für Kunstfreiheit einzustehen, kann sehr schwierig sein. Ich erinnere mich noch gut an die Situation mit Claus Peymann und dessen Spendenaufruf für den Zahnersatz für Gudrun Ensslin.

Lieber Manfred, wir sind dankbar für Deinen Mut. Den Mut einzustehen, auch wenn einem der Wind der öffentlichen und veröffentlichten Meinung ins Gesicht bläst. Es ist schon daran erinnert worden, an den Mord von den beiden Polizeibeamten durch einen Asylbewerber aus Schwarzafrika.

Damals hatten wir eine sehr aufgeregte und aufgeheizte Debatte über Asyl. Es gab viele ausländerfeindliche Stimmen und Stimmungen. Manfred Rommel hat dann diesen Satz gewagt, und ich möchte doch nochmals daran erinnern, in seiner Trauerrede: „Wir sollten unserer Trauer Würde dadurch geben, dass wir nicht generalisieren, dass wir nicht Unschuldigen Schuld zuweisen. Der Täter hätte auch weiß sein können, er hätte auch ein Schwabe sein können.“ Ja es gab damals ganz heftige Reaktionen, Manfred Rommel stand mutig zu seinen Worten.

Mutig stand Manfred Rommel auch zu seiner schweren Krankheit. Er hat sie nicht verborgen und sich in seiner Verletzlichkeit nicht versteckt. Und damit hat er vielen Menschen, die durch Krankheit gezeichnet sind, Mut gemacht, trotz ihres Leidens an unserem gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Lieber Manfred, wir sind dankbar für dein Eintreten für Toleranz. Ja er stand für das faire Miteinander der Menschen in einer pluralistischen, heterogenen, internationalen Stadtgesellschaft. Denn er wusste, sie bleibt nur zukunftsfähig in einer Atmosphäre der Toleranz und Offenheit.

Das bedeutet lernfähig zu sein und zu respektieren, dass Andere anders sind und andere Meinungen vertreten. Deshalb war ihm Kritikfähigkeit in unserer Demokratie wichtig, denn Demokratie, so Manfred Rommel, fördert die Kritik.

Doch Toleranz bedeutete für Manfred Rommel nicht, alles zu dulden und Rechtsverstöße zu akzeptieren. Ich erinnere mich noch an illegale Hausbesetzungen. Nachdem die besetzten Häuser nicht freiwillig verlassen wurden, hat er sie konsequent durch die Polizei räumen lassen. Lieber Manfred, wir sind Dir dankbar für deine Weitsicht.

Manfred Rommel, ich hab das immer bewundert, hat viele philosophische und religiöse Bücher gelesen. Denn er wollte über das politische Alltagsgeschäft und über den Talkessel hinaus unsere gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrer Komplexität und historischen Eingebundenheit verstehen. Ganz im Sinne der Hegelschen Dialektik hat er deshalb in Zusammenhängen gedacht, um Synthesen zu finden. Synthesen, die er dann häufig in der Sprache des Alltags humorvoll formuliert und dadurch auch politisch wirksam eingebracht hat. Unser Ministerpräsident hat das sehr nachdrücklich vorher geschildert.

Da Manfred Rommel die politischen Vorgänge in Deutschland klug analysieren, bewerten und beschreiben konnte, war er ein gefragter Gesprächspartner für Journalisten aus aller Welt. Er hat mit seiner authentischen Persönlichkeit zu einem positiven Bild Deutschlands im Ausland beigetragen. Und das war ihm auch sehr wichtig. Wichtig war ihm auch die Freundschaft zu unseren amerikanischen Verbündeten.

Lieber Manfred, ich danke Dir für deine persönliche Unterstützung. Er hat mich in meiner persönlichen Entwicklung und meiner beruflichen Laufbahn vielfältig gefördert. Ich durfte vieles von ihm lernen, das mich bis heute mitgeprägt hat. So konnte ich an seine kommunalpolitische Arbeit und sein politisches Vermächtnis anknüpfen, sei es in der Integrationspolitik, sei es in dem Bemühen für unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse faire Kompromisse zu finden und im Gemeinderat möglichst breite Mehrheiten zu erreichen.

Liebe Manfred, ich danke für Deine Freundschaft. Du hast mir zu meinem Amtsantritt als Dein Nachfolger das freundschaftliche Du angeboten. Dies habe ich als besondere Auszeichnung empfunden. Denn Deine Freundschaft hat mir viel bedeutet.

Liebe Frau Rommel, liebe Familie Rommel, seien Sie versichert, dass Sie in Ihrer Trauer und Ihrem Schmerz nicht allein sind. Wir werden uns seiner in großer Dankbarkeit erinnern. Mögen Sie die Kraft finden, diesen schweren Verlust zu ertragen, möge Gott Ihnen in diesen schweren Stunden beistehen.

Lieber Manfred, danke für Dein Lebenswerk, danke für Deine Freundschaft, mögest Du ruhen in Frieden.