Bislang nur eine Simulation: Kritiker der Gäubahnunterbrechung testen, wie es mit dem Umstrieg klappt am Bahnhof Stuttgart-Vaihingen. Foto: Lichtgut

Im Frühjahr 2027 will die Bahn die Gäubahnstrecke in Stuttgart-Vaihingen für mindestens fünf Jahre kappen. Kritiker haben jetzt versucht zu simulieren, was das für Bahnfahrer bedeutet.

Kritiker der Gäubahn-Kappung haben mit Sack und Pack den erzwungenen Umstieg von Reisenden im Fern- und Regionalverkehr am S-Bahnhof Stuttgart-Vaihingen „getestet“. Mit den rund 50 Mitstreitern, die am frühen Donnerstagmorgen entlang der Gäubahnstrecke zwischen Konstanz und Böblingen zugestiegen waren, hatte das Vorhaben von vornherein einen eher symbolischen Charakter. Das ganz große Gedränge konnten die Aktivisten, die auf Einladung des Bündnisses Pro Gäubahn und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) einen erzwungenen Umstieg im S-Bahnhof Vaihingen „testeten“ – oder genauer gesagt: testweise herbeiführen wollten – so noch nicht erreichen.

 

Geplant war, mit der frühmorgendlichen Aktion eines kritischen Bündnisses aus VCD, BUND, Deutscher Umwelthilfe, Naturfreunde Württemberg sowie zehn lokaler Initiativen von Gäubahn-Anrainern aufzuzeigen, dass die geplante Kappung der Gäubahn im Rahmen von Stuttgart 21 am Umsteigebahnhof Stuttgart-Vaihingen zu chaotischen Zuständen auf den Bahnsteigen führt.

Mit der S-Bahn geht es von Vaihingen weiter in die Stuttgarter Innenstadt

Die Aktivisten, die, beginnend in Konstanz, nach und nach dem IC 1184 nach Stuttgart zugestiegen waren, reisten unter anderem mit Fahrrädern, Trolleys oder Rollstühlen an. Eben mit allem, was sperrig ist und auf vollen Bahnsteigen Schwierigkeiten garantiert. Nach Ankunft auf Gleis 4 um 7.43 Uhr wechselten die Teilnehmer der Protestaktion am Bahnhof Vaihingen auf Gleis 3, um von dort die S-Bahn in die Stuttgarter Innenstadt zu nehmen.

Hintergrund der Aktion: Nach den derzeitigen Planungen der Bahn soll die Zugverbindung aus Süden ab März 2027 in Stuttgart-Vaihingen enden, damit der oberirdische Stuttgarter Hauptbahnhof stillgelegt werden kann. Fahrgäste müssen dann über lange Zeit in Vaihingen in die S-Bahn umsteigen oder umgekehrt dort den Fern- und Regionalzügen zusteigen. Ändern soll sich das erst wieder frühestens 2032, wenn der Bahnverkehr aus und nach Stuttgart über den geplanten Pfaffensteigtunnel erneut an die Gäubahn angeschlossen ist.

Auch ohne das ganz große Gedränge erwies sich schon beim Ausstieg auf Gleis 4 als Hindernis, dass dort keine Rolltreppe, sondern nur Treppenstufen in den Verbindungskorridor führen. Über den vorhandenen Aufzug kann eine größere Zahl an Menschen, die aus, welchen Gründen auch immer, die Treppen nicht nutzen kann, nicht ausreichend schnell den gegenüberliegenden Bahnsteig erreichen.

Der alte Hauptbahnhof in Stuttgart wird im März 2027 stillgelegt

Wenn viele Fahrgäste gleichzeitig aussteigen, geht es eng zu auf dem Treppenabgang am Bahnhof Stuttgart-Vaihingen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

An Gleis 3 trafen dann die ausgestiegenen Fahrgäste des IC auf die morgendlichen Berufspendler, die dort auf ihre S-Bahn warteten. Tatsächlich wurde hier zeitweise im Eingangsbereich der Raum knapp. Auch eine Kindergartengruppe musste sich den Weg mühsam durch die Menge bahnen. Ein kleiner Vorgeschmack auf das vorhergesagte künftige Gedränge also.

Die S-Bahn selbst war dann voll besetzt. „Reisende, die im IC noch einen Sitzplatz hatten, mussten sich jetzt teilweise in die 1. Klasse setzen oder stehen“, kommentierte Hans-Jörg Jäkel, Vorsitzender des Gäubahnkomitees Stuttgart, das Geschehen. Hinzugerechnet werden müssten zudem die rund 200 Fahrgäste, die im IC sitzen geblieben seien. „Das ist die Qualität, die dieser Umstieg haben wird“, so Jäkel.

Mit der Panoramastrecke entfällt auch ein Back-up für die S-Bahn Stuttgart

Romeo Edel, Sprecher der Allianz Mobilitätswende Baden-Württemberg, betonte, dass die Panoramastrecke und damit die Gäubahn in jedem Fall als „Back-up benötigt wird, wenn auf der S-Bahn-Stammstrecke eine Störung ist“. In solchen Fällen müssten ansonsten auch Fernreisende aus Richtung Süden in Zukunft in Stuttgart auf die Stadtbahn oder den Schienenersatzverkehr ausweichen.

Bereits im Frühjahr 2027 könnte es genau dazu erstmals kommen, wenn die Stammstrecke planmäßig für vier Monate gesperrt und die Gäubahn bereits gekappt ist. „Es ist zu befürchten, dass dann viele Verkehrsteilnehmer die Gleise meiden werden und aufs Auto umsteigen“, glaubt Gero Träuner, Vorstandsmitglied des VCD Baden-Württemberg.

Auch Raymund Holzer, Rentner aus Rottweil, hat sich am frühen Donnerstagmorgen mit auf den Weg gemacht, um seinen Unmut über die Gäubahn-Kappung zum Ausdruck zu bringen. „Die ganze Bevölkerung, die an der Strecke lebt, in Konstanz, Singen oder Rottweil, lässt man einfach im Regen stehen“, sagt Holzer. Entlang der Gäubahn leben rund 1,4 Millionen Menschen, die potenziell von der Kappung betroffen wären.