In diesem Bürohaus am Mittleren Pfad in Weilimdorf könnte das Land eine Aufnahmestelle für Flüchtlinge unterbringen. Foto: STZN/Schwarz

Land und Stadt sind sich bei der strittigen Anrechnung der Plätze auf die Flüchtlingszahl in Stuttgart offenbar einig geworden. Dem Vertrag fehlt aber noch eine Unterschrift.

Das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart stehen kurz vor der Unterschrift eines Vertrags, der die Modalitäten für eine Landes-Erstaufnahmeeinrichtung (Lea) im Stadtbezirk Weilimdorf regelt. Dort sollen in bisherigen Bürogebäuden im Mittleren Pfad im Regelfall bis zu 1300 Flüchtlinge untergebracht werden.

 

Vor bald einem Jahr hatte das Land eine Voranfrage zum Umbau eines großen Bürohauses nicht nur für diesen Bezirk, sondern auch für ein Gebäude in der Augsburger Straße in Obertürkheim (600 Lea-Plätze) gestellt. In Weilimdorf waren dem Land eine ganze Reihe Bürohäuser angeboten worden; der Leerstand in dem Gewerbegebiet ist in den vergangenen Jahren gewachsen, in ganz Stuttgart liegt er laut dem Immobilienvermittler Colliers International im dritten Quartal bei 564.000 Quadratmetern, das sind 6,6 Prozent des Bestandes.

Stadtverwaltung und Gemeinderat haben in der Lea-Frage keine Entscheidungshoheit, über die Einrichtung befindet allein das Land. Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges (CDU) hatte auf knappe Kapazitäten und die Notwendigkeit zur Vorsorge hingewiesen. Im Bereich des Regierungspräsidiums Stuttgart verliert das Land nach zehn Jahren Ende 2025 die in Teilen der ehemaligen Reinhardt-Kaserne in Ellwangen untergebrachte Lea mit bis zu 1000 Plätzen. Ziel ist es, in jedem Regierungsbezirk eine Lea vorzuhalten.

Oberbürgermeister Frank Nopper warnte vor einer Lea in Stuttgart

Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) hatte die Einrichtung für die Landeshauptstadt mehrfach abgelehnt. Die Infrastruktur in Stuttgart sei bereits überlastet, es gebe keine geeigneten Immobilien, eine Lea habe eine „Magnetwirkung auf Geflüchtete“, so seine Argumente. Der Gemeinderat hatte sich Anfang Dezember 2024 mit seiner knappen ökosozialen Mehrheit (31 von 60 Stimmen) für die Ansiedlung einer Landeserstaufnahmestelle ausgesprochen. Die Befürworter verwiesen auf die Möglichkeit der Anrechnung der Unterkunftszahlen auf die Pflichtaufnahmeqoute der Stadt. In Stuttgart waren mit Stand Juni 2025 genau 9426 Flüchtlinge untergebracht, zum Teil in Hotels. Der Bezirk Weilimdorf trägt mit 1237 Plätzen die Hauptlast. Nopper hatte zugesagt, sich für eine „möglichst verträgliche Lösung“ einzusetzen. In der Bürgerversammlung in Weilimdorf im Juli versprach er, die größte Unterkunft der Stadt in Weilimdorf mit etwa 700 Plätzen an der Holderäckerstraße aufzulösen, wenn die Lea komme.

Auf der Suche nach Aufnahmekapazitäten: Marion Gentges (rechts), Siegfried Lorek. Foto: dpa/Nico Pointner

Nach einer nichtöffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses mit dem Justiz-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) erklärte OB-Referent Winfried Klein am Mittwoch auf Anfrage unserer Zeitung: „Es ist richtig, dass Weilimdorf der Standort für eine Lea wird. Es gibt eine umfassende Vereinbarung, in der wichtige Punkte für die Stadt berücksichtigt werden konnten.“ Diese Vereinbarung sei allerdings „noch nicht abgeschlossen“. Weitere Informationen könnten nach dem Abschluss gegeben werden.

Im Notfall sogar bis zu 1800 Plätze in der Lea in Stuttgart-Weilimdorf

In der Sitzung wurden Eckpunkte der Vereinbarung vorstellt. So soll die Lea für zehn Jahre betrieben werden, danach folgen zwei Verlängerungsoptionen zu je fünf Jahren. Innerhalb der ersten zehn Jahre sagt das Land zu, keine weitere Erstaufnahmestelle in Stuttgart einzurichten, womit die Pläne für Obertürkheim vom Tisch wären. Die Regelkapazität soll bei 1300 Menschen liegen, dazu kommt eine Notkapazität mit 500 Plätzen, falls eine überplanmäßige Zuweisung von Flüchtlingen nach Baden-Württemberg erfolgen sollte oder Menschen aus Stuttgart und Umgebung zum Beispiel wegen Unwetterschäden oder Bränden eine Notunterkunft brauchen.

Eröffnung der neuen Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart kaum vor 2030

Der Stadt würde angeblich bereits mit der Erteilung der Baugenehmigung eine Stundung von 500 Plätzen bis zur Eröffnung der Lea zugestanden, danach die Hälfte der geplanten künftigen Privilegierung, das wären laut Flüchtlingsaufnahmegesetz drei Jahre lang rund 270 Plätze pro Jahr, insgesamt am Ende also dauerhaft rund 800 Flüchtlinge weniger für die Stadt als ohne Lea. Für die Baugenehmigung müsse mit rund einem Jahr Bearbeitungszeit, für den Umbau von Bürogebäuden mit rund drei Jahren gerechnet werden, heißt es von Teilnehmern der Sitzung.

Entlastung für die Stadt Stuttgart mit Stundung kommt schon früher

Mit dem Betrieb der Lea wäre damit nicht vor Anfang 2030 zu rechnen, die Entlastung durch die Stundung könnte schon drei Jahre zuvor greifen. In der Lea wird das Bundesamt für Migration und (Bamf) eine Außenstelle einrichten, sodass alle Asylfragen dort geklärt werden können, auch die Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung soll in der Einrichtung geleistet werden, für die das Land alle Kosten trägt. Ein Sicherheitsdienst, Polizeiwache und der Einsatz von Streetworkern wurden den Stadträten für die Lea durch den Staatssekretär avisiert. Dem Vernehmen nach ist die Vereinbarung zur Lea von Ministerin Gentges bereits freigeben, zeichnet sie OB Frank Nopper kurzfristig gegen, könnte die Lea in Weilimdorf in der kommenden Woche abschließend im Landeskabinett besprochen werden.