Wie man den Mediziner und ehemaligen AfD-Politiker Heinrich Fiechtner kennt: Er hat immer etwas zu sagen. Foto: imago/Future Image/Christoph Hardt

Das Amtsgericht Stuttgart bittet den ehemaligen Politiker und Galionsfigur der Querdenker-Szene für 17 Straftaten zur Kasse. Eine Haftstrafe wurde nicht verhängt.

Der ehemalige Landtagsabgeordnete und Stuttgarter Ex-Stadtrat Heinrich Fiechtner ist am Amtsgericht Stuttgart zu einer Geldstrafe von 72 500 Euro, das sind 485 Tagessätze zu je 150 Euro, verurteilt worden. Die Richterin Wegner sah es als erwiesen an, dass Fiechtner zwischen 2019 und 2021 eine Vielzahl von Straftaten begangen habe. Dazu zählt, dass die „Galionsfigur“ der Querdenkerszene im Jahr 2019 vertrauliche Unterlagen aus dem Akteneinsichtsausschuss zur Klinikum-Affäre mitgenommen haben soll. Verurteilt wurde der Mediziner zudem wegen Hausfriedensbruchs, unerlaubten Filmens von Polizeibeamten und der Veröffentlichung im Internet, Verstößen bei Versammlungen, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und der Weiterleitung von beleidigenden Texten an acht Gesundheitsminister von Bund und Ländern. In diesen wurden sie im Zusammenhang mit der Coronapolitik als „Verbrecher“ und „Gesindel“ tituliert. Außerdem hat Fiechtner den damaligen Landtagsdirektor Berthold Frieß als „antidemokratische Ratte“ und zwei Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung als „Abzocker“ und „dreckiges Pack“ bezeichnet.

Haftstrafe nicht notwendig

Dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die für 18 gesammelte Vergehen 15 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und 12 000 Euro Geldstrafe gefordert hatte, war die Richterin nicht gefolgt. Es gebe mildere Mittel. Allerdings prüft die Anklagebehörde bereits, ob sie erneut gegen Fiechtner wegen diverser weiterer Beleidigungen gegenüber der Richterin und der Staatsanwältin in seinem Schlusswort ermitteln muss. Die Urteilsbegründung enthielt Kritik an der Anklagebehörde, die die Verstöße von 2019 bis 2021 gesammelt und diese dann gebündelt dem Gericht in einem Strafbefehl präsentiert hatte und nicht einzeln. So sei verhindert worden, früher auf Fiechtner einzuwirken.

Die „Sammelklage“ habe nun zu dieser „absurd hohen Geldstrafe“ geführt, die sich aus der Addition der höchsten Einzelstrafe (80 Tagessätze) und der Hälfte der übrigen Strafen errechne. Fiechtner sagte nach der Verhandlung, diese Summe könne er nicht aufbringen, er gehe aber ohnehin in Berufung. Er bedauere lediglich, einen Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung beleidigt zu haben, der abends Knöllchen verteilt hatte.

Fiechtner ist nicht Bodo Ramelow

Festgestellt wurde, dass der Angeklagte, der sich von der Staatsmacht verfolgt fühlt, nicht durch die Immunität als Landtagsabgeordneter vor Erhebung und Verwertung von Beweisen geschützt gewesen sei. Einen Vergleich mit dem Linken-Politiker Bodo Ramelow, der lang vom Verfassungsschutz überwacht worden war, hält die Richterin für überzogen: „Bei aller Liebe, aber so wichtig sind Sie auch wieder nicht.“

Ernst war es ihr mit dem Vorwurf, der Angeklagte habe mit Verweisen auf den Sturm auf das US-Kapitol und des Attentatsversuch des Offiziers Claus Schenk Graf von Stauffenberg öffentlich zu Straftaten aufgerufen. „Das ist so gefährlich“, sagte sie, „denn die Leute könnten Sie beim Wort nehmen.“ Die Verwendung verfassungsfeindlicher Grußformen bewertete sie nicht als Realsatire, sondern als Straftaten. Davor schütze Fiechtner auch seine Behinderung nicht – ihm fehlt der rechte Unterarm; zumal ein eindeutiger „Hitlergruß“ auch mit dem linken Arm strafbewehrt sei.

Nachspiel für Bürgermeisterin Fezer?

Ein Nachspiel könnte Fiechtners Rauswurf aus dem gemeinderätlichen Sozialausschuss durch Bürgermeisterin Isabel Fezer haben. Fiechtners Anwalt Löffler behauptet, die Polizei sei bereits vor der Eskalation ins Rathaus bestellt worden. Weil die Bürgermeisterin dies anders dargestellt habe, verdächtigt er sie der uneidlichen Falschaussage, zudem habe sie mit dem Rauswurf den Hausfriedensbruch provoziert. Einen Beweisantrag dazu hatte die Richterin mit dem Hinweis abgelehnt, Fezer hätte wegen früherer Provokationen Grund für präventive Maßnahmen gehabt. An Löffler gerichtet sagte sie: „Zeigen Sie das doch an.“ Handelseinig wurden sich die Richterin und Fiechtner nicht mehr: Während sie sagte, er stilisiere sich zum „Märtyrer und Opfer“, nannte er sich einen „Kämpfer für Freiheitsrechte“.