Geht es nach der Stadt, dann soll die Esslinger Bücherei ins Kögel-Haus umziehen. Foto: Roberto Bulgrin

Die Esslinger Bücherei soll ins Kögel-Haus umziehen. Ein Bürgerentscheid kann der Debatte guttun, findet unser Redakteur Alexander Maier.

Es ist nicht verwunderlich, dass OB Matthias Klopfer und mit ihm viele Befürworter eines Bücherei-Umzugs dem Bürgerbegehren zum künftigen Standort der Bibliothek wenig abgewinnen können. Doch das darf kein Grund sein, den Initiatoren die Arbeit unnötig schwer zu machen.

 

Natürlich soll der Gemeinderat Entscheidungen nach Gutdünken treffen. Doch wenn damit ein früherer Bürgerentscheid konterkariert wird und wenn sich wie bei diesem Thema so viel Widerspruch regt, sollten verantwortungsbewusste Kommunalpolitiker dankbar sein, wenn die Bürgerschaft der Bücherei-Entscheidung zu einer breiteren Akzeptanz verhelfen will – ganz egal, ob die knappe Ratsmehrheit später bestätigt oder korrigiert wird.

Esslinger Rathaus beruft sich geltendes Recht, Initiatoren sind sich sicher, dieses einzuhalten

Wenn nun der Eindruck entsteht, dass die Stadtverwaltung den Bürgerentscheid durch allzu kleinlich und zumindest stark diskussionswürdig ausgelegte Regeln erschweren will, ist das gewiss kein Beitrag zur Befriedung der Stadtgesellschaft.

Im Rathaus beruft man sich auf geltendes Recht. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens versichern indes, gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Doch sie bezweifeln wesentliche Interpretationen der Verwaltung und führen Grundrechte ins Feld. Es wäre schlimm, wenn die Gerichte entscheiden müssten.

Notfalls entscheiden Gerichte über Esslinger Bürgerbegehren

Ein erstes Bürgerbegehren zur Bücherei war 2018 erfolgreich. Foto: Michael Steinert

Dass es auch anders geht, hatte 2018 Matthias Klopfers Vorgänger Jürgen Zieger gezeigt. Der damalige OB war gewiss kein Freund des damaligen Bürgerbegehrens, doch er hat Größe gezeigt und den Initiatoren keine Knüppel zwischen die Beine geworfen. Dass das Referendum damals aus den Reihen der SPD initiiert worden war, konnte für einen sozialdemokratischen OB sowenig ein Argument gewesen sein, wie es heute eine Rolle spielen darf, dass die SPD einen neuerlichen Bürgerentscheid kritisch sieht.

Esslingen sollte mehr Demokratie wagen

Noch ist unklar, ob die Bürgerschaft über den Bücherei-Standort entscheiden darf. Foto: Roberto Bulgrin

Es ist ein Leichtes, bei Schwörtagen und Großkundgebungen in wohlfeilen Reden kommunale Demokratie und Bürgerbeteiligung hochleben zu lassen. Viel schwieriger ist es, diesem Anspruch im Alltag gerecht zu werden. Vor allem dann, wenn man selbst anderer Meinung ist. Gerade weil OB Klopfer gern erklärt, dass es für die Bücherei „eine gute und eine sehr gute Lösung“ gebe und weil die Ratsentscheidung derart knapp war und nur durch den umstrittenen Abstimmungsverzicht eines Ratsherrn zustande kam, bietet ein Bürgerentscheid die Chance, eine knappe Entscheidung breiter zu legitimieren. Willy Brandt hat einst dafür geworben, mehr Demokratie zu wagen. Solche hehren Worte wollen nicht nur bei unverbindlichen Gelegenheiten zitiert, sondern im kommunalpolitischen Alltag gelebt werden. Auch in Esslingen.