Regionalpräsident Thomas Bopp (l.) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann wollen die Interessen der Region beim Bahnausbau gewahrt sehen. Foto: imago/Arnulf /Hettrich

Weil die Bahn noch Klärungsbedarf bei der Digitalisierung des Schienenverkehrs in Stuttgart hat, ist eine Arbeitsgruppe mit dem Bundesverkehrsministerium eingesetzt worden. Land und Region wollen nicht außen vorgelassen werden. Das Zögern der Bahn weckt auch anderswo Misstrauen.

Das Land Baden-Württemberg und die Region Stuttgart wollen bei der Debatte um den Zuschnitt der digitalisierten Sicherungstechnik im Schienenknoten Stuttgart ein gewichtiges Wort mitreden. Das machen Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) in einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) deutlich. Zudem kritisieren die beiden, dass die Bahn in Sachen Digitalisierung offenkundig lieber reden statt bauen möchte.

 

Die Bahn zögert mit Zusagen

Zur Vorgeschichte: Als Pilotprojekt der Digitalen Schiene Deutschland wird der Schienenknoten Stuttgart zum Digitalen Knoten Stuttgart (DKS). Dieses Projekt ist in drei Bausteine aufgeteilt. Die ersten beiden Abschnitte, zu denen die Infrastruktur von Stuttgart 21 gehört, sind bereits im Bau. Der Rest, der sogenannte DKS 3, soll die digitale Sicherungstechnik weit hinaus in die Region bringen. Dafür haben Bund und Bahn Ende 2023 eine Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet – die Bahn hat den Kontrakt aber unter Gremienvorbehalt gestellt. Sprich: die Aufsichtsräte müssen ihr Plazet geben. Tun sie das nicht vor Ende 2024 drohen zugesagte Bundesmittel zu verfallen.

Arbeitskreis statt Entscheidungen

Doch der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat in seiner jüngsten Sitzung diese Blockade nicht aufgelöst, sondern stattdessen eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. In der wolle die Bahn zusammen mit dem Bundesverkehrsministerium „die geplanten Digitalisierungsprojekte, insbesondere auch mit Fokus auf den DKS 3, priorisieren und offene Fragen klären“, so eine Bahnsprecherin.

Die Fortsetzung der Hängepartie hat in der Region erhebliche Irritationen ausgelöst– auch weil Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch vor der Zusammenkunft der Aufseher in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Tragweite des Projekts hingewiesen hat. „Uns ist nicht klar, mit welcher Zielstellung diese Arbeitsgruppe agieren soll. Bereits vor der Aufsichtsratssitzung vom 27. Juni 2024 hatten die Fachebenen der DB InfraGO AG und des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr bereits gemeinsam einen Lösungsvorschlag erarbeitet“, heißt es nun in einem weiteren Brief von Winfried Hermann und Thomas Bopp an Volker Wissing.

Region und Land investieren

Hermann und Bopp erinnern die Bahn an ihre Zusagen, auf deren Grundlage man finanziell weitreichende Entscheidungen getroffen hat: „Das Land Baden-Württemberg sowie die DB Regio AG in Abstimmung mit dem Verband Region Stuttgart haben im Vertrauen auf die Erklärung der DB Netz AG vom 21. April 2020 zu Inhalt und Zielen des ,Digitalen Knoten Stuttgart’ Verträge mit der Alstom Transport Deutschland GmbH für die Ausrüstung von 463 Schienenfahrzeugen mit Digitaltechnik entsprechend dem technischen Zielbild der ,Digitalen Schiene Deutschland’ geschlossen“. Wissings Haus fördert die Umrüstung der Fahrzeuge finanziell. Die neue Technik an Bord der Züge käme nur in einem kleineren Radius zum Einsatz, sollte die Bahn aus dem Projekt DKS 3 aussteigen.

Deswegen halten es Hermann und Bopp für „erforderlich und geboten“, dass der Bund, das Land und die Region in der neu gegründeten Arbeitsgruppe „zusammen für die gemeinsamen Interessen gegenüber der DB AG eintreten. Daher bitten wir Sie um entsprechende Einladung zu den Sitzungen dieser Arbeitsgruppe“, heißt es im Schreiben von Hermann und Bopp.

Bayern blickt mit Sorge auf die Vorgänge

Die im Pilotprojekt DKS gesammelten Erfahrungen sollen in andere Digitalisierungsvorhaben im Bahnnetz einfließen. Die verbesserte Sicherungstechnik soll helfen, die ambitionierten Ziele der Bundesregierung bei der Verlagerung von Verkehr auf die Schiene zu realisieren. Dies droht nun infrage gestellt zu werden. Das Zögern der Bahn beim weiteren Ausbau des Digitalen Knoten Stuttgart ist deshalb längst kein rein regionales Thema mehr. Die Vorgänge werden auch aus der Ferne beobachtet. Christian Bernreiter (CSU), bayerischer Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, bringt dies in einem Schreiben an Bahninfrastrukturvorstand Berthold Huber zum Ausdruck.

„Alarmierend empfinde ich die Signale aus Baden-Württemberg, wonach der als Pilot- und Leuchtturmprojekt initiierte Digitale Knoten Stuttgart nun von der DB grundlegend infrage gestellt wird. Dies würde nicht nur im Knoten Stuttgart erhebliche negative Auswirkungen auf die Schienenverkehrsentwicklung haben, sondern auch die Digitalisierung im Knoten München torpedieren“. Das wäre aus Bernreiters Sicht fatal, weil man die Digitalisierung des Knotens München brauche. „Hier erwarte ich von der DB Zuverlässigkeit und zukunftsorientiertes Handeln“, sagte Bernreiter.