Nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 sollen weitere Teile der Innenstadt autofrei werden. Dafür gibt es viel Lob – aber der Plan hat weitreichende Auswirkungen.
Es ist das nächste Jahrhundertprojekt für die Landeshauptstadt. Nach der geplanten Inbetriebnahme von Stuttgart 21 bietet sich eine große Chance der stadtplanerischen Neuordnung in der Innenstadt. Das seit Jahren oberste Ziel ist es, den City-Ring zu vergrößern, um den Arnulf-Klett-Platz zwischen Hauptbahnhof und Königstraße autofrei zu machen. Dafür muss der Verkehrsfluss neu geregelt werden. Eine Untersuchung zeigt, dass dies möglich ist. Bei der Frage nach dem Wie, gehen die Meinungen im Gemeinderat aber noch auseinander.
Seit Ende der 1970er Jahre verkehrsfreie Innenstadt
Bereits seit Ende der 1970er Jahre ist der innerste Kern der Stuttgarter Innenstadt mit dem Wegfall der Straßenbahn und der Umwandlung der Königstraße in eine Fußgängerzone – mit weiteren Zwischenschritten – weitestgehend autofrei. Der Verkehr fließt heute über den sogenannten City-Ring über die Konrad-Adenauer-, Hauptstätter-, Paulinen-, Theodor-Heuss und Friedrich- sowie Schillerstraße und den Arnulf-Klett-Platz. Bald könnte sich der Verlauf aber deutlich ändern.
Im Zuge des Konzepts der „Lebenswerten Innenstadt“ soll der Bereich der verkehrsberuhigten City in Zukunft „von der Paulinenbrücke bis zum Europaviertel ausgeweitet werden“, betonte Stephan Oehler, der Leiter der Verkehrsplanung im Technikausschuss des Gemeinderats – und sich somit über den Hauptbahnhof zur geplanten Bebauung des Rosensteinquartiers öffnen. Dafür muss der Arnulf-Klett-Platz zur autofreien Zone werden.
Voraussetzung dafür ist die geplante Verlegung des City-Rings. Die neue Hauptachse soll anstatt wie bisher über die Schillerstraße und den Arnulf-Klett-Platz bereits am Neckartor von der Cannstatter Straße (B 14) in die Wolframstraße umgeleitet werden. In einem in Auftrag gegebenen Verkehrsgutachten wurden alle wichtigen Hauptachsen sowie 19 Knotenpunkte näher unter die Lupe genommen. Die Hauptlast verteilt sich dabei auf mehrere Bereiche. Laut Ergebnis soll sich der Verkehr auf der Wolframstraße verdoppeln, im Planietunnel läge der Zuwachs bei rund 30, in der Paulinenstraße bei rund 20 Prozent. Durch möglichen Schleichverkehr wird in der Neckarstraße mit 2000 Fahrzeugen am Tag mehr gerechnet. Laut Modellberechnungen könnte dies am Neckartor sowie am Österreichischen Platz vor allem zur Rush-Hour zu Staus führen. Aufgrund der seit Jahren rückläufigen Verkehrszahlen sei laut Oehler dennoch „keine Überlastung des gesamten Straßennetzes zu befürchten“.
Wender am Neckartor ist „eine Krücke“
Eine Knackpunkt der Planungen ist aus Sicht der Stadträte der notwendige Umbau an der Kreuzung Neckartor. Aufgrund der größeren Verkehrsbelastung muss der Bereich erheblich verändert werden. Unter anderem muss die bisherige Tankstelle der Schwabengarage an der Cannstatter Straße weichen. Dennoch bliebe nicht genügend Platz, um auf der B 14 auch eine direkte Abbiegespur aus Richtung Innenstadt in Richtung Wolfram- und Heilbronner Straße zu ermöglichen. Vielmehr ist kurz nach der Kreuzung in Richtung Bad Cannstatt ein zweispuriger Wender eingeplant, weil „ansonsten ein massiver Eingriff in den Unteren Schlossgarten notwendig wäre“, so Oehler.
Der Wender ist für einen Großteil der Stadträte aber nicht mehr „als eine Krücke“. Vielmehr soll auf Antrag der CDU die Möglichkeit untersucht werden, den Verkehr aus Richtung Stuttgart über die Neckarstraße als Einbahnstraße bis zur Heilmannstraße und von dort über die B 14 in Richtung Wolframstraße zu führen. „Die Einbahnstraßenregelung würde die Situation am Neckartor entschärfen und auch neuen Spielraum für die Stadtgestaltung schaffen“, so der Christdemokrat Carl-Christian Vetter.
Budapester Platz überdimensioniert
Kritik von Seiten der Fraktionen SÖS/Linke sowie PULS gab es zudem an der geplanten Dimension der Kreuzung am Budapester Platz am Europaviertel. Schließlich „wollen wir Stadtraum schaffen, und keine neue Stadtautobahn“, betonte Christoph Ozasek (PULS). Lucia Schanbacher (SPD) sieht vielmehr sogar „eine Reparatur unserer Stadt an den breiten Schneisen“ – und verweist in diesem Zusammenhang auf die bereits vorhandenen Pläne für die Umgestaltung der B14 in einen City-Boulevard. Denn diese soll laut Beschluss des Gemeinderats mittelfristig auf maximal zwei Spuren zurückgebaut werden.
Und auch das sonst autofahrerfreundliche Lager aus Freien Wählern und FDP will sich dem starken Argument eines verkehrsfreien Bahnhofsvorplatzes nicht verschließen. „Wenn dieser nicht in einer Steinwüste endet, sondern eine grüne Oase wird“, stellt Michael Schrade (Freie Wähler) klare Forderungen. Die Ausschreibung für den städtebaulichen Wettbewerb soll Anfang kommenden Jahres erfolgen, mit einer möglichen Umsetzung ist nicht vor 2030 zu rechnen.