Hier wird Filderstadt per Unterschrift gegründet von den fünf damaligen Bürgermeistern Foto: Filderstadt

Filderstadt wird 50. Wie turbulent es bei der Gründung zuging, erzählt einer der damals Beteiligten: Willi Wurster von der SPD.

„Eine Liebesheirat war es auf keinen Fall. Eher eine Vernunftehe.“ So beschreibt Willi Wurster die Gründung der Stadt Filderstadt vor 50 Jahren. Am 1. Januar 1975 schlossen sich die fünf ehemals eigenständigen Gemeinden Bernhausen, Bonlanden, Harthausen, Plattenhardt und Sielmingen zu einer Stadt zusammen. Diese Fusion war Teil der großen Gemeindereform in Baden-Württemberg, bei der die Zahl der Kommunen von 3379 auf 1111 geschrumpft wurde. Im Westen entstand Leinfelden-Echterdingen, im Nordosten Ostfildern, und fürs mittlere Fildergebiet favorisierte die Landesregierung eben die Fünfer-Lösung.

 

„Die Landesregierung wollte, dass Stuttgart starke Partner im Umland hat“, sagt Willi Wurster. In der Bevölkerung jedoch gab es Widerstand gegen die Großfusion, das Gebilde sei als zu groß empfunden worden. Trotzdem: Letztlich blieb den Gemeinden nichts anderes übrig, als sich zu fügen und freiwillig zusammenzuschließen, zumal eine Fusionsprämie in Höhe von 1,76 Millionen D-Mark in Aussicht stand. Am 5. Juni 1974 unterzeichneten die fünf Bürgermeister also den Einigungsvertrag. Der Rest ist Geschichte.

Die Sicht des eigenen Dorfes zählte damals

So weit die Fakten, nachzulesen in der kürzlich erschienenen neuen Filderstädter Stadtchronik. Einer, der mittendrin war, ist Willi Wurster. Der heute 85-Jährige war von 1971 an Gemeinderat in seinem Heimatort Harthausen gewesen und wurde später ins Gremium der neuen Gesamtstadt berufen. Bis 1994 lenkte er die Geschicke von Filderstadt. Willi Wurster ist Sozialdemokrat, die Fraktionszugehörigkeit habe aber in der Anfangsphase des neuen Gemeinderats eine untergeordnete Rolle gespielt. „Es war nicht so, dass man Dinge nur aus Parteisicht gesehen hat, sondern eher aus Sicht des eigenen Dorfes“, erinnert er sich.

Ja, das Zusammenfügen wider Willen habe anfangs auch zu politischen Spannungen geführt. Jede und jeder habe geschaut, dass der eigene Stadtteil nicht zu kurz kommt. Vor allem im schon damals kleinsten Ortsteil Harthausen habe man befürchtet, benachteiligt zu werden. So sei damals auch eine Kampagne des SPD-Ortsvereins Harthausen mit dem Slogan „Harthausen: das fünfte Rad am Filderstädter Wagen“ entstanden.

Ein wild zusammengewürfeltes Gremium, alte Vorurteile und Animositäten und eine komplett neue Stadt, die sich erst mal aufstellen muss – Willi Wurster spricht von einem schwierigen Start. „Es war schon ein Ringen um Mehrheiten. Es ist oft heiß hergegangen.“ Die erste Zeit sei geprägt gewesen von einem gegenseitigen Abtasten. Wie ticken die anderen? Zu tun gab es allerdings jede Menge. 1975 ist weitaus mehr passiert als die reine Stadtgründung. Tatsächlich werden heuer mehrere 50-Jahr-Jubiläen gefeiert. Eines davon ist das der Filderklinik. Sie wurde 1975 nach dreijähriger Bauzeit als einzige anthroposophische Klinik in Süddeutschland eingeweiht.

Willi Wurster schaut überwiegend positiv zurück auf die Gründung von Filderstadt vor 50 Jahren Foto: Caroline Holowiecki

Ein weiteres Jubiläum begeht die Musikschule Filderstadt, auch sie ist 1975 entstanden, und zwar durch die Zusammenlegung der Jugendmusikschulen von Bernhausen, Bonlanden und Plattenhardt. Ebenfalls zusammengelegt wurden in dem Jahr die fünf Feuerwehrabteilungen zur gemeinsamen Freiwilligen Feuerwehr Filderstadt. Auch der Verkehrsübungsplatz samt Jugendverkehrsschule auf der Anhöhe zwischen Sielmingen und Wolfschlugen wurde vor 50 Jahren eröffnet. Gebaut wurde er vom Motorsportclub Sielmingen auf dem ehemaligen Sportplatz im Weiler, der Verein betreibt die Anlage bis heute. Die Einweihung einiger neuer Sportanlagen und Kindergärten stand 1975 ebenso an. Kein Wunder, kurz vor der Fusion seien in den fünf Filderorten noch etliche Bauprojekte angestoßen worden, sagt Wurster – um die Schulden dann teilen zu können.

Viel Mut aufgebracht in der schwierigen Startphase

„Es war ein turbulentes Jahr“, sagt er heute. Mittlerweile aber hätten sich die allermeisten Wogen geglättet. „Meines Erachtens war es die richtige Entscheidung“, sagt der einstige Stadt- und Kreisrat über die Stadtgründung, die ganze Gemeindereform sei „in die Zukunft gedacht“ gewesen. In puncto Schulwesen, Kultur und Verkehrsanbindung habe man profitiert, auch finanziell. „Filderstadt hat solide Finanzen“, sagt Willi Wurster, gerade das kleine Harthausen profitiere heute von Steuereinnahmen. Dem Gemeinderat von damals spricht er rückblickend seinen Respekt aus, das Gremium habe in der schwierigen Startphase großen Mut aufgebracht, wichtige Investitionen getätigt und beispielsweise den Nahverkehr vorangebracht. 50 Jahre Filderstadt sind für Willi Wurster ein Grund zu feiern. „Ich wüsste nicht, was total ins Negative gegangen ist.“

Das Jubiläum 50 Jahre Filderstadt

Chronik
Die Chronik zum Jubiläum 50 Jahre Stadt Filderstadt hat mehr als 400 Seiten. Sie erscheint als Band 27 der „Filderstädter Schriftenreihe“. Der Stadtarchivar Nikolaus Back hat im reich illustrierten Buch die wichtigsten Ereignisse aus 50 Jahren Stadtgeschichte zusammengetragen. Die Chronik ist im Filderstädter Buchhandel erhältlich.

Feiern
Der Höhepunkt des Stadtjubiläums ist das Festwochenende 12. bis 14. September. Los geht es am Freitag mit dem Seniorennachmittag und später mit der 90er-Party und den Bands Rednex, Captain Jack, Fun Factory. Am Samstag spielen abends die lokalen Bands Flippmanns, Red Fox und Halbe He. Zuvor gibt es einen Kinderflohmarkt und eine Spielstraße. Der Sonntag beginnt mit Gottesdiensten. Im Anschluss musizieren Vereine, zudem wird eine Blaulichtmeile angekündigt.