Nicht nur in Bad Cannstatt, dem größten Stuttgarter Stadtbezirk, feiert der Kübelesmarkt seinen 100. Geburtstag. Auch in Hofen wird gefeiert, und das gleich doppelt: Ein Blick zurück in die Anfänge der „Komma gschwomma“ und der Scillamännle.
Im Stuttgarter Stadtteil Hofen wird bei der Fasnet in diesem Jahr gleich zweimal gefeiert: 100 Jahre „Komma Gschwomma“ und 40 Jahre Scillamännle. Zum ersten Vorstand der Scillamännle zählen Raimund Stetter (73), Bruno Rau (73) und Eugen Köninger (75). Stetter war zu Beginn Vorsitzender der Scillamännle, Köninger deren Schriftführer und Rau erst Kassier und dann zweiter Vorsitzender. Sie erinnern sich an die Anfänge: Stetter ist sicher, dass in dem katholischen Ort Hofen schon seit dem 17. Jahrhundert Fasnet in den Wochen vor Aschermittwoch gefeiert wurde, eine Straßenfasnet gab es aber noch nicht. Die entwickelte sich erst nach dem ersten Weltkrieg ab 1925 in Form von „Komma gschwomma“ auf.
Mühlhäuser kamen mit der Fähre zur Fasnet gschwomma
Der Ruf „Komma Gschwomma“ geht auf die 1920-er Jahre zurück. Damals gab es noch keine Hofener Wehrbrücke, und die Menschen musste per Fähre, die die beiden Stadtteile verband, von Mühlhausen nach Hofen fahren. „Als wir 15 oder 20 Jahre alt waren, gab es im Heimgarten von St. Barbara immer eine Fasnetsveranstaltung. Da hat uns das Narrenfieber gepackt“, sagt Stetter. In der katholischen Kirchengemeinde seien sie inspiriert worden. Alle drei waren Mitglied bei den Pfadfindern. „Zuerst waren wir Hofener Waldhexen mit grünen Schürzen, grünen Kopftüchern und Plastikhexenmasken“ und sind bei den Umzügen von ,Komma gschwomma’ mitgelaufen.“ Aus dieser Gruppe entstanden 1985 dann die Scillamännle.
Alt und Jung eine eingeschworene Gemeinschaft bis heute
Auch da spielte Büttel Artur Köninger, der Vater von Eugen Köninger, eine wichtige Rolle. Er rief 1980 am Schmotzigen Donnerstag in Uniform mit der Glocke die Fasnet aus und lud zum Umzug am Fasnetsdienstag. Begleitet von Anton Strasser mit Trommel und Bruno Wöhrle mit dem Plakat von „Komma Gschwomma“. Die Straßenfasnet wird seit 1971 in Hofen gefeiert. Alt und Jung sind bis heute eine eingeschworene Gemeinschaft. „Mir gefällt an der Fasnet in Hofen das Bodenständige. Es ist keine Phantasiegeschichte“, sagt Stetter, der die Idee zu den Scillamännle mit dem Bezug auf die Scillablumen Hofens hatte. Farbgebung, Häs und Holzmaske sind dem Blaustern, lateinisch Scilla, nachempfunden, die in Hofen im Scillawald wächst. Die Holzmasken der Hofener seien aus dem Lindenholz gefällter Bäume gefertigt, die einst in der Mühlhäuser Straße in Hofen standen, erzählt Rau.
Greadeffele gibt es seit 1990
1985, im Geburtsjahr des Vereins, saßen die drei Freunde im Gasthaus Ochsen und beschlossen, diese Tradition im Ort weiterzuführen. 1986 hat es dann geklappt, da sind die Maskenträger auch vom Landesverband württembergischer Karnevalsvereine als Masken- und Brauchtumsgruppe anerkannt worden. „Es gefällt mir, dass wir heute so ein großer Verein sind und so viel Zusammenhalt haben“, sagt Rau. Besonders stolz ist er darauf, dass seine Enkelin Pauline Louis aktuell das Greadeffele ist, die Symbolfigur der Hofener Fasnet. Sie wird jedes Jahr aus dem Verlies an der Burgruine befreit und dort am Fasnetsdienstag wieder beerdigt. Das Greadeffele gibt es seit 1990 .
Scillamännle zählen aktuell 296 Mitglieder
Die Hofener Urgesteine sind bis heute Mitglied der Scillamännle. Der Verein zählt aktuell 296 Mitglieder, sagt Pressesprecherin Sabine Schick-Kurfeß. „Die Hofener Fasnet ist mit ihrer sehr langen Geschichte einzigartig in der Gemarkung Stuttgart“, sagt sie. Die Bewahrung der Tradition rund um die Scillablume, die Burgruine Hofen und die Straßenfasnet „Komma Gschwomma“ lasse ihr Herz als Vorsitzende des ansässigen Bürgervereins höherschlagen.
Keine Sorge, dass die Fasnet ausstirbt
Dass die Fasnet in Hofen aussterben könnte, glauben die drei nicht – im Gegenteil. Im Laufe der Jahre sei der Umzug am Fasnetsdienstag immer größer und beliebter geworden. Deshalb schlossen sich die Hofener Vereine zur Arbeitsgemeinschaft Komma Gschwomma zusammen. 2004 wurde die immer aufwendigere Organisation auf den Verein Scillamännle e.V. übertragen, den es ja seit 1985 gibt. Geschichten über die vergangenen Fasnetsjahrzehnte kennt das Trio etliche: Etwa die, wie der Artur „Fähneles“-Chef war und genau bestimmt hat, wo und wie sie aufzuhängen waren, alles genau kontrollierte und bei Bedarf im örtlichen Gasthaus sanktionierte.
Goaswagen erinnert an die Anfänge bis heute
Fasnet gefeiert wurde beispielsweise im „Atelier“ der Familie Strasser in der Hartwaldstraße, einer Scheune, die zum „Festsaal“ umdekoriert wurde mit einem gußeisernen Ofen, unterstützt von Anton und Rotrudis Strasser. Schon der Jahrgang 1932 habe sich in den ersten Jahren der „Komma Gschwomma“ Straßenfastnet beteiligt, sagt Stetter. Bis heute ist die Goas mit dem traditionellen Goaswagen ganz vorne im Umzug zu sehen, zum Jubiläum wurde sie nun umfassend saniert und aufgefrischt.
Auch die Fasnetslieder von „Komma Gschwomma“ und der Hofener Scillamännle kennen die drei und können sie singen. Sie wurden von Generation zu Generation weitergetragen, ebenso wie der Rathaussturm in Mühlhausen. Den gibt es seit 1986. „Ich bin damals noch auf der Leiter ins alte Rathaus hochgestiegen und habe Bezirksvorsteher Ludwig Abele im Frack und Zylinder rausgeholt“, erzählt Rau lächelnd. Bei Stetter zuhause erinnern zahlreiche Orden an die Geschichte vom ersten „Komma Gschwomma“-Orden von 1984 bis zu den heutigen, die verkauft werden, um die Kosten zu decken. 1982 sei der Kranz am Orden weiß-rot gewesen, weil der VfB damals Deutscher Meister war, berichtet Stetter.
Die junge Generation ist genauso begeistert
Auch die junge Generation ist aktiv: So wurde das Greadeffele Pauline Louis schon von der Hofener Fasnet infiziert, als sie noch gar nicht geboren war: „Meine Mama hat mich beim ‚Häs abstauben‘ im Januar 2003 schon bei den Scillamännle als Mitglied angemeldet, obwohl ich erst im Juni auf die Weltgekommen bin“, erzählt die 21-Jährige. Sie war 13 Jahre bei den Tanzgarden und zuletzt auch als Trainerin aktiv und ist seit Jahren Scilla-Maskenträgerin. An der Fasnet macht ihr besonders Freude, „dass man mit viel anderen Menschen zusammen kommt und viel lachen und einfach Spaß haben kann“, sagt sie. Besonders stolz ist sie auf ihre Mutter, die im Jahr 2000 Greadeffele sein durfte und auf die vielen Scillamännle in ihrer Verwandtschaft.