Eine Villa von 1896 erleidet einen Wasserschaden. Der aufwändige Umbau hat sich gelohnt. Das Haus im feinen Norden Stuttgarts ist ein lichtdurchfluteter Wohlfühlort. Ein Besuch.
Letztens, an einem Starkregennachmittag in Stuttgart, beschleicht einen ein unangenehmes Gefühl, während man an einer Ampel auf Grün wartet und auf das Haus gegenüber schaut. Wie das rinnt und schüttet und einfach nicht aufhören will. Als hätte jemand einen Wasserschlauch an die Hauswand des Bürogebäudes gehalten, zentimeterdick wälzt sich die Wasserschicht die Fassade entlang.
So ungefähr muss es auch dieser Unglücksvilla im feinen Stuttgarter Norden ergangen sein, deren Schicksal dann doch eine gute Wendung genommen hat. Die Familie war verreist, im Bad trat ein Leck auf. Tagelang rann Wasser die Fassade hinab. „Es hat Wochen gedauert, bis das Haus wieder getrocknet war“, sagt der Hausherr Armand von Alberti.
Die Villa in Stuttgart überstand den Wasserschaden
Dann, fast ein Wunder – das kunstvoll verzierte, 1896 vom Architektenbüro Albert Eisenlohr und Carl Weigle entworfene Backsteinhaus hielt stand, wiewohl viel Schaden entstanden war: „Da der Boden leicht schief war, lief das Wasser nur an der vorderen Fassade entlang herunter.“ Statt nur die schadhaften Stellen reparieren, entschied sich der Bauherr, der als Wirtschaftsprüfer in Stuttgart arbeitet, für eine große Lösung und bat den Stuttgarter Architekten Hadi Tandawardaja von SOMAA Architektur & Innenarchitektur um ein Konzept.
Im Jahr 2015 hatte die Familie die im Stil des Historismus gebaute Villa mit zweifarbiger Backsteinfassade, Holzelementen und Holzbalkönchen in einer stillen, mit vielen Bäumen gesäumten Straße im Relenberg im Stuttgarter Norden übernommen, in der vis-à-vis noch einige weitere Gründerzeitvillen stehen. Armand von Alberti: „Ich mag diese Gegend hier, es gibt mit dem Eberhard-Ludwig-Gymnasium eine gute Schule, es ist ruhig und doch ist man schnell in der Innenstadt.“
Die von Albertis hatten zunächst beim Einzug nur die Küche renoviert und Einbaumöbel und Kücheninsel mit eisblauen Fronten vom Schreiner eingebaut, die gut zur hellen Eckbank passt und die auch die alten, großen Bodenfliesen aufwerten.
Hohe Räume und Stuckdecken in der Architektenvilla von 1896
Nun aber sollte die Innenarchitektur den Bedürfnissen der Familie noch besser gerecht werden. Lichtdurchflutet und entspannt – davon ist die Atmosphäre im Haus nach der gut acht Monate dauernden Umbauzeit geprägt. Eine Gründerzeitvilla mit in hellen Farben gestrichenen, 3,80 Meter hohen Räumen und Stuckdecken, in der vieles erhalten blieb und aufgearbeitet wurde, die alten Messing-Fensteroliven etwa.
Hadi Tandawardaja: „Wir haben die historischen Holzfenster restauriert und auch die Kassetten-Türen erneuert, selbstverständlich denkmalgerecht. Wir wollten den Charme der Villa erhalten und dezent vorgehen, die Substanz war abgesehen vom Schaden sehr gut.“
Beliebt sind Altbauten oft auch wegen der durchdachten Grundrisse. Wände zu versetzen erschien dem Architekten daher nicht sinnvoll. „Eine Umnutzung ist jederzeit denkbar“, sagt der Architekt. Im Obergeschoss finden sich mehrere ähnlich große Räume, jetzt sind es Kinderzimmer, es könnten aber eben auch Musik- oder Arbeitszimmer werden. Ganz fertig ist so ein Haus nie, über die Energieversorgung macht sich der Hausherr Gedanken (zurzeit wird noch mit Gas geheizt), „ich hoffe auf einen Fernwärmeanschluss.“
Behutsames Auffrischen der Gesellschaftsräume
Die Räume im ersten Stock wurden nur behutsam renoviert, ebenso die Gesellschaftsräume im Erdgeschoss, wenige, ausgesuchte Designmöbel finden sich im Wohn- und Esszimmer. Blaue Akzente sorgen für kleine Wow-Erlebnisse, im dunkel gefliesten Gäste-WC oder auch nur mal als Farbe an einer Akzentwand in einem Sanitärraum, was gut zu Holzarbeiten und der weißen Armatur und dem schnörkellosen Waschtisch passt.
Neu verlegt wurde Eichenparkett in den Räumen und auf den Treppenstufen mit dem weiß gestrichenen Geländer, dezente Einbaumöbel sorgen für Stauraum. „Ich muss nicht alles erneuern“, sagt der Architekt, „ich gehe gerne mit Bestand um, viele der Sanierungen der vergangenen Jahrzehnte haben wir in unser Gestaltungskonzept integriert.
Viel verändert wurde im Keller, da kam ein zusätzliches Zimmer hinzu, eine Sauna – heller Boden, vertikale Holzlamelleneinbauten – findet sich dort. Und auch im Dachgeschoss, wo der Wasserschaden am größten war. Das Badezimmer unterm Dach hat der Architekt den Raum komplett umgestaltet.
Zwei Rückzugsräume finden sich dort, samt kleinem Spa mit verglaster Dusch-Nische, Doppelwaschbecken und frei stehender Badewanne unter den Schrägen. Selbstredend alles hervorragend abgedichtet. Die lässig und lichtdurchflutete Backsteinvilla ist jetzt für die nächsten hundertdreißig Jahre – mindestens – gewappnet.
Weitere Eindrücke von den Bauarbeiten und vom umgebauten Haus in der Bildergalerie.