Aus den Corona-Protokollen des RKI kann jeder herauslesen, was er will. Trotzdem ist die Offenlegung richtig, meint Wissenschaftsredakteur Werner Ludwig.
3900 Seiten Text und noch mehr Zusatzmaterial – es ist kaum möglich, die Protokolle des Corona-Krisenstabs beim Robert Koch Institut (RKI) in vertretbarer Zeit komplett zu erfassen. Einfacher ist es, mit der Suchfunktion nach Schlüsselbegriffen zu fahnden. So kann jeder aus diesem Steinbruch voller Informationen das herauspicken, was ihn besonders interessiert. Menschen, die in der restriktiven Corona-Politik eine unnötige, ja gefährliche Gängelung der Bürger sehen, finden in den Protokollen genau so ihre Bestätigung wie jene, denen bewusst ist, wie schwierig es in der Pandemie war, den Überblick zu behalten und teilweise weitreichende Entscheidungen zu treffen.
Widerstand gegen Offenlegung
Die Veröffentlichung solcher Dokumente birgt das Risiko, dass einzelne Passagen aus dem Zusammenhang gerissen und missverstanden werden. Trotzdem wäre es besser gewesen, wenn sich das RKI und das Gesundheitsministerium nicht so lange gegen die Offenlegung gewehrt und die Protokolle von sich aus zugänglich gemacht hätten. Erst durch juristischen Druck wurde ein Teil davon veröffentlicht. Das nährte den Verdacht, es gebe etwas zu verbergen.
Eine Lehre aus der Pandemie könnte der Aufbau eines wissenschaftlichen Gremiums mit größerer Unabhängigkeit von der Politik sein. Das RKI in seiner jetzigen Form ist dem Gesundheitsministerium unterstellt und daher an die Weisungen des jeweiligen Ministers gebunden.