Wholecar der Ultras vom Commando Cannstatt. Foto: /privat

Immer wieder gestalten die Sprayer der großen Stuttgarter Ultragruppen verbotenerweise die Stadt und das Umland mit Graffiti. Nun hat es wohl eine S-Bahn getroffen – die Polizei ermittelt, die Bahn nennt die Aktion „abscheulich.“

Da mussten sich einige Wartende am Bahnsteig wohl die Augen reiben: Am Dienstagmorgen bekamen Fahrgäste der Stuttgarter S-Bahn einen komplett besprühten Waggon zu sehen. Zumindest jene Passagiere, die um 8.30 Uhr in der Station Feuersee in die einfahrende S-Bahn eingestiegen sind. Was steckt dahinter?

Eines gleich vorweg: Graffiti sind illegal und strafbar, so sie nicht an dafür vorgesehenen Freiflächen (zum Beispiel der Hall of Fame in Bad Cannstatt) oder mit Genehmigung an privaten Flächen angebracht werden. Grundsätzlich ist dadurch der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt. Doch so gesetzwidrig sie auch sind – sie vermehren sich in immer zunehmendem Maße.

Polizei ermittelt

Die für Bahn-Liegenschaften zuständige Bundespolizei erfuhr am Dienstagmorgen von dem Werk. „Wir gehen den Spuren aktuell nach“, sagte ein Polizeisprecher. Zu weiteren Einzelheiten wollte er sich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht äußern. Das Motiv deute auf eine Urheberschaft aus Ultra-Kreisen hin, es liegen hierzu aber noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Auch der genaue Zeitpunkt, wann der Waggon bemalt wurde, werde noch ermittelt. Zum entstandenen Schaden lagen am Dienstagmittag ebenfalls noch keine Erkenntnisse vor. „Das kommt darauf an, wie schwer die Farbe zu entfernen sein wird“, so der Sprecher.

Die Bahn kritisiert die Aktion scharf. „Die Szene fällt regelmäßig im März rund um den Gründungstag vom Commando Cannstatt 97 mit derartig abscheulichen Aktionen auf“, sagt ein Sprecher. Dass die Feierlichkeiten wie auch im letzten Jahr in Sachbeschädigungen an der S-Bahn ausuferten, „macht uns fassungslos.“

Sicherheitsmaßnahmen erhöht

Allein für die Beseitigung des Graffitis würden bei der S-Bahn Stuttgart Kosten im vierstelligen Eurobereich anfallen. „Dazu überführen wir heute im Laufe des Tages das Fahrzeug aus dem Fahrgastbetrieb in die Werkstatt nach Plochingen“, so der Sprecher. Die Bahn habe im Bereich der S-Bahn Stuttgart seit mehr als zwei Jahren die Prävention vor Graffitischäden erhöht – sowohl mit personellen als auch mit materiellen Maßnahmen.

Graffitis sind ein altes Großstadt-Phänomen. Es gibt sie seit den Achtzigern. Spezielle Fußball-Graffitis tauchen dagegen erst seit einigen Jahren auf. In Stuttgart und Umgebung sind es insbesondere die großen Ultragruppen des Commando Cannstatt, Schwabensturm 02 und Schwaben Kompanie Stuttgart, die mit großflächigen Werken in der Stadt und innerhalb eines circa 50 Kilometer Umkreises um die Landeshauptstadt zeigen, wessen Revier hier liegt. Eine eigens gegründete „Soko Graffiti“ ist um Eingrenzung, Aufklärung und Beratung bemüht.

Je größer das Motiv, desto gefährlicher das Anbringen

Diese Gruppen unterhalten sogenannte „Writer-Crews“, also Teams von Sprayern, die entweder alleine oder im Verbund agieren. Grundsätzlich gilt: Je größer das sogenannte „Piece“, umso mehr Sprayer waren wahrscheinlich beteiligt. Ebenso gilt: Je größer das Motiv, desto gefährlicher das Anbringen – umso größer der Ruhm, den man dafür einstreicht.

Insofern dürfte das aktuelle Großmotiv der Ultras des Commando Cannstatt in der Szene immens gefeiert werden. Es ist ein sogenannter „Wholecar“. Dieser Begriff entstammt dem Graffiti-Jargon und ist die Bezeichnung für einen „einzelnen Zugwaggon, der in ganzer Höhe und Länge mit Graffiti in einer Aktion bemalt wurde. In den meisten Fällen wird nur eine Waggonseite besprüht. Wholecars finden in der Szene hohes Ansehen. Für Fahrgäste und Verkehrsbetriebe ist diese Art von Besprühung auf Zügen sehr unangenehm, da hierdurch kein Licht mehr ins Innere des Waggons gelangt“, heißt es in Graffiti-Lexika.