Der VfB Stuttgart und seine Strafstöße. Der verschossene Elfmeter gegen St. Pauli reiht sich ein in eine Statistik, die den Schwaben nicht gut zu Gesicht steht.
Schon als Angelo Stiller um 20.54 Uhr am Freitagabend am Elfmeterpunkt stand, wurde es dem einen oder anderen Beobachter mulmig in der Magengegend. Stillers Körpersprache wirkte nicht unbedingt vor Selbstbewusstsein strotzend. Dann erfolgte der freigebende Pfiff. Und das ungute Gefühl bekam neue Nahrung.
Ein zögerlich wirkender Anlauf, dazu die angedeutete, aktuell in Mode gekommene Hüpf-Verzögerungsbewegung. Dann ein Schuss mit dem linken Innenrist. Und zwar so schwach, dass St. Paulis Nikola Vasilj im Kasten keinerlei Mühe hatte, den sechsten der letzten sieben gegen St. Pauli ausgesprochenen Elfmeter zu halten. Dazu zählt übrigens auch der letzte Stuttgarter Versuch gegen ihn, im letzten Mai scheiterte Nick Woltemade.
Elfmeter-Probleme beim VfB
- VfB mit Quote deutlich unterhalb des Ligaschnitts
- Seit Serhou Guirassy kein sicherer Schütze mehr im Kader
- Co-Trainer Malik Fathi zuständig für alle Standards
Stillers Versuch war dagegen so kläglich, dass Vasilj sogar etwas überrascht schien, sich überhaupt nicht anstrengen zu müssen, um den Elfmeter zu vereiteln. Wieder einmal scheiterte ein Stuttgarter vom Punkt. In der gefühlten Wahrnehmung war das zuletzt vornehmlich der Fall – Elfmeterschießen im Pokal wie zuletzt in Braunschweig ausgenommen –, offenbar können die Schwaben alles. Außer Strafstoß. Hat der VfB also ein Elfmeter-Problem? Um dies differenziert betrachten zu können, lohnt ein Blick in die Datenbanken.
Gehen wir also einmal zurück zum 3. April 2023. Dem Amtsantritt von Sebastian Hoeneß. Zwar hat der Trainer wenig bis nichts damit zu tun, ob die VfB-Strafstoßschützen in Schwarze treffen oder nicht – dennoch bietet sich der Zeitraum für eine eingehendere Bewertung einfach an. Seit Hoeneß Trainer ist, hat der VfB 20 Strafstöße zugesprochen bekommen. Und zehn davon verwandelt. Eine 50-Prozent-Quote, die an sich schon ein Indiz ist, denn der Ligaschnitt liegt seit Jahren bei rund 75 Prozent. Geht man weiter in die Tiefe, wird es noch eindrücklicher. Rechnet man nämlich die Strafstöße von Serhou Guirassy unter Hoeneß heraus, liegt sie bei nicht einmal 30 Prozent. Der Guineer, der als extrem sicherer Schütze gilt, verwandelte fünf seiner sechs Strafstöße. Nur beim 3:0 in der Relegation gegen den HSV scheiterte Guirassy, der Treffer hätte das zwischenzeitliche 2:0 bedeutet.
VfB hat keinen sicheren Elfmeter-Schützen mehr
Einen Schützen von dieser Qualität hat der VfB seitdem nicht mehr. Zwar trafen im Bewertungszeitraum noch Tanguy Coulibaly, Nick Woltemade (je einmal), Enzo Millot zweimal in Pflichtspielen (Elfmeterschießen im Pokal wurden nicht mit einbezogen). Dagegen stehen vergebene Strafstöße von Chris Führich, Silas, Deniz Undav, Stiller, Woltemade letzten Mai gegen Vasilj und Ermedin Demirovic, der in dem Zeitraum sogar zweimal vergab. In der letzten Saison verwandelte der VfB nur drei seiner acht Pflichtspiel-Elfmeter, in dieser Saison war Stillers Fehlschuss der erste seiner Art.
Macht in Summe die Quote von 50 Prozent. Hoeneß wurmt das. „Natürlich müssen wir darüber sprechen. Es ist ein Thema, das uns begleitet und verfolgt. Da müssen wir jetzt Lösungen finden. Es ist schon wichtig, dort eine bessere Quote zu haben, als wir sie aktuell haben“, sagte er zuletzt. Das alles zugrunde gelegt, lässt sich die eingangs gestellte Frage nur mit einem uneingeschränkten Ja beantworten. Und zwar ein ausgewachsenes.
Demirovic als Elfmeterschütze beim VfB?
Eine Besserung ist noch nicht in Sicht. Oder doch? „Ich wollte ausgucken. Aber war dann bodenlos“, kommentierte Stiller seinen Fehlschuss am Freitagabend, ging hart mit sich ins Gericht. Und hatte sogleich einen Vorschlag für den nächsten Stuttgarter Elfmeterschützen parat: Er votierte für Demirovic. „Den nächsten kann er machen. Muss er noch mit Malik (Fathi, Co-Trainer von Sebastian Hoeneß und zuständig für alle ruhenden Bälle, Anm. d. Red.) abklären . . . aber meine Stimme hat er“, gab Stiller zum Besten. Der Adressat, der in Hörweite stand, musste schmunzeln. Schließlich weiß er um seine Quote beim VfB, aber auch um die beim FCA. In seiner Augsburger Zeit hatte Demirovic nämlich eine Guirassy-eske Bilanz, verwandelte fünf seiner sechs Strafstöße.
Elfmeter-Risiko gegen Celta de Vigo
Schon am kommenden Donnerstag wird sich möglicherweise zeigen, ob Demirovic tatsächlich ausführen darf. Denn dann ist zum Auftakt in der Europa League Real Celta de Vigo zu Gast bei den Schwaben. Die beiden Mannschaften traten bereits in der Saisonvorbereitung gegeneinander an. An der Reutlinger Kreuzeiche entwickelte sich eine äußerst ruppig geführte Begegnung, der VfB siegte knapp mit 2:1. Ein Strafstoß wurde dabei zwar nicht gepfiffen – aber kommt es wieder ähnlich ruppig, scheint ein Elfmeter im Spiel zumindest nicht unrealistisch.