Spannung bei der Partie Deutschland gegen Dänemark. Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

„VAR“ (Video Assistant Referee) so die drei Buchstaben, die bei der Fußball-EM und in den Profiligen immer wieder für Polemik sorgen - und auch in der Finalrunde entscheiden können. Aber wie läuft der Videobeweis genau ab?

Schiedsrichter Manuel Gräfe, der den Videobeweis beim Pfeifen durchaus schätzt, wird laut Süddeutscher Zeitung als Fan das Gefühl nicht los, „dass der VAR dem Fußball die Seele raubt“. So sehen es viele Zuschauer, und auch 151 von 239 befragten Bundesliga-Spielern waren 151 gegen den Video-Assistenten bei der VAR-Einführung zur Bundesliga-Saison 2017/18. Selbst Entwickler Paul Hawkins ist nach eigenen Worten „wenig stolz“ auf seine Erfindung und fordert eine „Weiterentwicklung“, berichtet der Kicker.

 

Ganz aus den Fußballstadien wegzudenken dürfte der VAR aber nicht mehr sein, denn auch in anderen schnellen Sportarten wie Eishockey, Cricket oder Rugby kommt die Technologie erfolgreich zum Einsatz.


VAR, Videobeweis, Foto-Finish

In der Leichtathletik gibt es das „Foto-Finish“ (Zielfoto) sogar schon seit 1932 bei Olympia. Und bei der Tour de France im Radsport, im Schwimmen, Rudern, Biathlon oder beim Pferderennen nimmt natürlich auch niemand Anstoß, wenn es darum geht, mit Technik für mehr Fairness zu sorgen – allerdings auf anderem Niveau als mit Rundum-Kameras, Computer und gechippten Bällen wie beim EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark mit seinen umstrittenen Entscheidungen.

Doch wie funktioniert der VAR bei der EM 2024 im Detail? Aktiviert werden darf er derzeit nur in vier bestimmten Situationen:

  • Tor
  • Rote Karte
  • Elfmeter
  • Verwechslung (bei Vergabe einer Karte)

Das VAR-System funktioniert dabei über Funk auf Zuruf per Headset, wobei der Schiedsrichter auch seinerseits mit dem Video-Raum sprechen kann. Das letzte Wort hat dabei der Mann auf dem Platz, für den es beim VAR-Videobeweis zwei Möglichkeiten gibt:

  • Befolgen der VAR-Empfehlung ohne persönlichen Check
  • Überprüfen der Spielsituation an einem neben der Mittellinie platzierten Monitor (mit Funkkontakt zum VAR-Raum)

Der Video-Assistent (VAR) ist also kein Ober-Schiedsrichter, sondern erweitert das Team des Schiedsrichters, das bei besonderen Anlässen wie der EM 2024 aus neun Personen (inklusive Ersatzmann) besteht.

Schiedsrichter, „VAR“ und „AVAR“

  • (Haupt-)Schiedsrichter auf dem Platz
  • Zwei Schiedsrichter-Assistenten an den Seitenlinien („Linienrichter“)
  • Vierter Offizieller (für Anzeigetafeln mit Nachspielzeit oder Auswechslungen, Coaching-Zone etc.)
  • Ersatz-Schiedsrichterassistent (für Ausfälle)
  • VAR (Video Assistant Referee, Video-Schiedsrichter)
  • AVAR1 (Assistant Video Assistant Referee, also der Assistent des Video-Assistenten)
  • AVAR2 (Assistant Video Assistant Referee), insbesondere zur Auswertung der halbautomatischen Abseitserkennung
  • Schiedsrichter-Beobachter

Abseits per VAR-Videobeweis

Eine ganze Batterie an Offiziellen also, die bei der EM als Schiedsrichtergespann unterwegs sind – und teilweise die Nerven der Fans strapazieren. An der halb-automatischen Abseitserkennung mit virtuellen Linien per VAR-Videobeweis wird kritisiert, dass sie mutmaßlich den Begriff „gleiche Höhe“ aus dem FIFA-Reglement ad absurdum führen und somit die Stürmer gegenüber den Verteidigern benachteiligen soll. Für TV-Zuschauer ist das mitunter live zu beobachten: Tore, die früher ohne VAR oft mit hoher Wahrscheinlichkeit unbeanstandet durchgegangen wären, werden nun plötzlich per Videobeweis aberkannt. Eine potenzielle Wettbewerbsverzerrung und gleichzeitig eine Spaßbremse, unken zumindest VAR-Kritiker.

Alle VAR-Schiedsrichter bei der EM

  • Jérôme Brisard, Willy Delajod (Frankreich)
  • Bastian Dankert, Christian Dingert, Marco Fritz (Deutschland)
  • Massimiliano Irrati, Paolo Valeri (Italien)
  • Rob Dieperink, Pol van Boekel (Niederlande)
  • Bartosz Frankowski, Tomasz Kwiatkowski (Polen)
  • Catalin Popa (Rumänien)
  • Nejc Kajtazovič (Slowenien)
  • Tiago Martins (Portugal)
  • Alejandro Hernández Hernández, Juan Martínez Munuera (Spanien)
  • Fedayi San (Schweiz)
  • Alper Ulusoyeiden (Türkei)

Allein ins Team der „Video Match Officials“ (VAR und AVAR) hat die UEFA für die EM 2024 in Deutschland 20 Personen berufen. Alle verfügen über eine FIFA-Lizenz. Als VAR/AVAR verdient man weniger als andere Schiedsrichter, aber immer noch 3000 Euro pro Spiel in der Gruppenphase und 5000 Euro in der K.o.-Runde.