Die neuen Sonnendächer spenden Strom und Schatten. Lob gibt es von Umweltministerin Thekla Walker. Die Gründer freuen sich – berichten aber auch von Hürden.
Mit der Energiewende ändert sich – fast unmerklich – auch das Stadtbild. Solaranlagen auf Dächern oder an Balkonen, mit denen Bürger oder Unternehmen ihren eigenen Strom produzieren, sind inzwischen fast schon eine Selbstverständlichkeit. Anders sieht es dagegen mit PV-Anlagen auf Parkplätzen aus. Zwar gibt es viele Parkplätze, aber augenscheinlich nur wenige, die für die Gewinnung von Solarstrom verwendet werden.
Eine Ausnahme bildet seit Neuestem der öffentlich zugängliche Parkplatz der Volksbank an der Wolfgang-Brumme-Allee in Böblingen. Dort hat das Böblinger Start-up United Virtual Energy (UV Energy) 21 Parkplätze mit PV-Anlagen überdacht. Die Idee: Solardächer für Parkplätze nach dem Bausatz-Prinzip anzubieten.
Diese Woche ist auf dem Volksbank-Parkplatz nun das erste Serienmodell in Betrieb gegangen. Bei einem Pressetermin am Donnerstagnachmittag stellten UV Energy und die Volksbank das Projekt in Anwesenheit der baden-württembergischen Umweltministern Thekla Walker (Grüne) vor.
Modulares System mit Vorteilen
Obwohl nicht zu übersehen, wirkt die Konstruktion unauffällig – und luftig. Stützpfosten gibt es nur an den Stirnseiten, die PV-Anlagen überspannen die Stellplätze in mehr als drei Metern Höhe. Während die Sonne auch an diesem Nachmittag vom Himmel brennt, bieten sie wohltuenden Schatten.
„Es hat uns besonders gefreut, dass wir hier lokal etwas aufbauen durften“, sagte Felix Gerhardt, Geschäftsführer von UV Energy. Das Unternehmen nutze für seine Anlagen ein modulares System nach dem Baukastenprinzip. „Das erfordert nicht jedes Mal eine komplett neue Planung, dadurch sind wir schneller“, erklärte Gerhardt. Mit ihrem Konzept könnten sie Kosten sparen und den Planungsaufwand um bis zu 90 Prozent senken.
Solarstrom rechnet sich
Alexander Brehm, Leiter des Gebäudemanagements, hat das Vorhaben von Seiten der Volksbank begleitet. Ihm ist die Begeisterung für den Sonnenstrom anzumerken – aus Klimaschutzgründen, aber auch, weil es sich für die Bank rechnen dürfte. „Die Amortisierung dieser Anlage liegt bei siebeneinhalb Jahren“, sagte Brehm. Zusammen mit den Solaranlagen, die die Volksbank auf dem Dach habe, spare sie über einen Zeitraum von 20 Jahren etwa 1,3 Millionen Euro an Energiekosten ein.
Den Sonnenstrom verbrauche die Bank unter der Woche komplett. Er deckt laut Brehm etwa 35 Prozent des Energieverbrauchs der Volksbank ab. Am Mittwoch, dem bislang heißesten Tag des Jahres in Böblingen, hätten die Solardächer über dem Parkplatz gezeigt, was sie können, und Brehm zufolge 322,9 Kilowattstunden Strom geliefert. Das ist ungefähr so viel wie vier Personen in einem Haus im Durchschnitt im Monat verbrauchen.
Die Umweltministerin lobt
Umweltministerin Walker ist vom Engagement der Gründer von UV Energy sowie dem Projekt auf dem Volksbank-Parkplatz sichtlich angetan. Es sei ein Signal, dass die Energiewende machbar sei und die Technologien dafür vorhanden seien. „Hier wurde ein tolles Projekt umgesetzt, das zeigt: Es funktioniert und es rechnet sich“, sagte sie. Viel zu oft sei noch der Gedanke in den Köpfen verankert: „Parkplatz und PV gleich teuer.“ Dabei sei es sinnvoll, die bereits versiegelten Flächen zu nutzen.
Allerdings sind mit Solarzellen überdachte Parkplätze immer noch eher die Ausnahme denn die Regel. Unternehmen, aber auch öffentliche Einrichtungen konzentrieren sich stattdessen auf PV-Anlagen auf Dächern. Die Stadt Böblingen beispielsweise sieht in der Überdachung von Parkplätzen zwar ein großes Potenzial, hat aber derzeit laut Stadtsprecher Gianluca Biela keine Flächen in Planung. Der Baumarkt Hornbach in Sindelfingen wiederum, als ein Unternehmen mit großen Parkflächen, nennt den Aufwand als einen Hinderungsgrund.
Bürokratische Hürden
Und der ist tatsächlich oft deutlich höher als bei Dach-Solaranlagen. Eine Erfahrung, die auch UV Energy und die Volksbank machen mussten. „Es hat viel länger gedauert, als uns recht ist“, sagt Gerhardt – statt den drei Monaten, die das Unternehmen eigentlich von Planungsbeginn bis Projektabschluss anpeilt, ein Jahr. Als einen Knackpunkt nennt Gerhardt die Bürokratie.
Solaranlagen über Parkplätzen erforderten, weil sie das Stadtbild veränderten, eine Baugenehmigung – im Gegensatz zu vielen Dach-Solaranlagen. „Vor allem der Bauantrag, aber auch der Genehmigungsantrag beim Netzbetreiber haben lange gedauert“, sagte Gerhardt und findet: „Wir stellen uns in Deutschland manchmal selber ein Bein mit vielen bürokratischen Hürden.“ Hinzu kam: Unter dem Parkplatz der Volksbank waren Leitungen verlegt, die offenbar in keinem Plan verzeichnet waren. UV Energy musste also umplanen und die Konstruktionen im Untergrund anpassen.
Installiert waren die Anlagen dann schnell, laut Gerhardt betrug die reine Bauzeit eineinhalb Wochen. Jetzt liefern sie sauberen Strom – sehr zur Freude Brehms und seiner Kollegen bei der Volksbank. Und für UV Energy stehen schon die nächsten Projekte an – beispielsweise in Ludwigsburg, im Schwarzwald und in Bonn.
Was UV Energy anbietet
Kosten und Leistung der Anlagen
Die Kosten für ein Solardach liegen laut Felix Gerhardt bei knapp unter 2000 Euro pro Kilowattpeak. Insgesamt leisten die 21 Anlagen demnach 60 Kilowattpeak. Kilowattpeak ist eine Einheit für die größtmögliche Leistung einer Anlage, die in der Branche als Vergleichswert herangezogen wird.
KI unterstützt
Eine von UV Energy selbst entwickelte Software unterstützt bei der Planung. Daher auch der volle Name des Unternehmens: United Virtual Energy.
Solardach-Pflicht
Das Klimaschutzgesetz schreibt für neue Parkplätze ab einer Zahl von 35 Stellplätzen inzwischen eine Solarüberdachung vor. Umso widersprüchlicher erscheinen Gerhardt vor diesem Hintergrund die bürokratischen Schwierigkeiten. „Wir haben die Verpflichtung, aber machen es trotzdem so kompliziert“, wundert er sich.