Großes Turntalent: Helen Kevric vom SV Ostfildern. Foto: Baumann

Helen Kevric (7) ist ein Bewegungstalent mit enormer Sprungkraft und zählt zu den Hochveranlagten beim SV Ostfildern.

Stuttgart - Helen Kevric wird gerade hübsch gemacht. Ihre Trainerin bändigt die braunen, langen Haare mit einer kunstvollen Flechtfrisur, den blauen Turnanzug mit den Strasssteinchen hat die kleine Turnerin schon angezogen. Um sie herum herrscht ein reges Gewusel von Jungen und Mädchen in der Turnhalle in der Sportschule Ruit. Gleich folgt die Generalprobe für den Auftritt am Abend bei einer Feier der Turnabteilung des SV Ostfildern. Helen und ihre Turnkolleginnen führen einen Tanz auf. Auch darin ist sie begabt. Es ist jedoch nur ein einmaliger Ausflug in eine andere Welt, denn eigentlich ist die Siebenjährige aus Ruit Kunstturnerin.

Wäre sie ein Junge geworden, würde sie vielleicht Fußball spielen wie ihr Vater Adnan Kevric, der als Mittelfeldspieler von 1993 bis 2000 für die Stuttgarter Kickers gespielt und bei 205 Einsätzen 46 Tore erzielt hat. Heute arbeitet der 45-Jährige bei Daimler in Untertürkheim in der Instandhaltung und freut sich über die Begabung seiner Tochter. „Sie hat meine volle Unterstützung“, sagt Adnan Kevric.

Talent haben viele. Doch die erst Siebenjährige bringt gleich ein ganzes Gesamtpaket von Eigenschaften mit, die man für diesen Sport benötig. „Sie ist zum einen Bewegungstalent, hat jede Menge Power und einen unglaublichen Willen“, sagt Trainerin Janina Schumbera. Beim Landesfinale der VR-Talentiade in Ellhofen im November wurde sie Erste in ihrer Altersklasse und sicherte sich einen Platz im Talentteam, das beim DTB-Pokal am 19. März in der Stuttgarter Porsche-Arena geehrt wird.

Helen wird als Vierjährige entdeckt

Turnen ist eine Sportart, in der die Grundlagen sehr früh gelegt werden müssen, wenn man erfolgreich sein will. Helen wurde als Vierjährige gesichtet und für hochveranlagt befunden. Sie lacht viel, und es macht ihr scheinbar nichts aus, dass sie nach der Schule vier- bis fünfmal die Woche jeweils bis zu drei Stunden in der Turnhalle steht. Ihr Programm besteht aus Gymnastik und Arbeit an der Körperspannung. Die folgende Zeit verbringt sie an irgendwelchen Holmen, dem Boden, dem Balken oder beim Sprung. „Der Sprung ist mein Lieblingsgerät, und am liebsten mache ich Handstandüberschlag“, sagt Helen. Hier kann sie ihre Stärke, die tolle Sprungkraft, ausspielen und bringt jede Menge Luft zwischen sich und das Gerät. Doch sie überzeugt auch am Stufenbarren. „Hier beherrscht sie schon die Kippe und hat für ihr Alter schon einen sehr hohen Leistungsstand“, sagt Janina Schumbera .

Auch körperlich ist die Zweitklässlerin den anderen voraus, verfügt über sehnige Beine, ein Sixpack und definierte Muskeln. In ihrer Altersklasse ist sie bei den Wettkämpfen oft unterfordert, immer wieder muss die Trainerin einen Antrag stellen, damit sie auch bei einem Kürvierkampf mitmachen darf. Helen muss noch ein Jahr warten, dann kann sie in der Mini-Liga durchstarten. Shila Tandogan (9) turnt dort schon mit und zählt wie Alinah Jörder (9) zu den weiteren Talenten des SV Ostfildern.

Seit Oktober 2015 ist Viktor Weber als Coach für die Jungs zuständig und arbeitet hauptamtlich für den Verein. Die Turnabteilung des SV Ostfildern ist jedoch ein sehr junges Pflänzchen und wurde erst vor vier Jahren gegründet. Ziel ist es, die Talente aus der Region zu fördern und damit den Unterbau für den Olympiastützpunkt Stuttgart weiter zu sichern. „Schön wäre es natürlich, wenn ein Talent wie Helen nicht gleich von den größeren Vereinen abgeworben wird“, sagt Viktor Weber. Deshalb wird der begabte Turnfloh auf zahlreichen Lehrgängen gefördert.

SV Ostfildern will nicht nur Erfolg

Weber kommt selbst aus dem Leistungssport, war Spezialist für Ringe und am Reck und ging 2011 auch für den Bundesligisten MTV Stuttgart an die Geräte. Das Gesamtkonstrukt des SV Ostfildern zielt aber nicht ausschließlich auf Erfolg ab. Es gibt auch Angebote für Kinder, die nicht in den Leistungssport wollen. Auf Dauer reichen die Mitgliedsbeiträge und Kleinspenden nicht aus, wenn der Verein das Niveau ausbauen will. „Natürlich wünschen wir uns Sponsoren“, sagt Viktor Weber. Trotz des Leistungsdrucks setzt er zusammen mit Janina Schumbera auf eine familiäre Atmosphäre. „Die Kinder verbringen ja mehr Zeit mit mir als mit ihren Müttern“, sagt die Diplom-Sportlehrerin. Wie aufs Stichwort kommt die kleine Tally und zeigt ihren Wackelzahn.