Heide Kast ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Foto: epd/Judith Kubitscheck

Bis vor 56 Jahren war es Frauen in Württemberg verwehrt, Pfarrerin zu werden. Heide Kast war die erste, die in der evangelischen Kirche in diese Männerdomäne vordrang – in Ludwigsburg.

Die württembergische Landeskirche trauert um Heide Kast. Sie war die erste Pfarrerin in Baden-Württemberg. Wie der Oberkirchenrat in Stuttgart mitteilte, starb sie bereits vor einer Woche im Alter von 86 Jahren. Sie habe „den Weg von Frauen ins Pfarramt maßgeblich mitgeöffnet und die Kirche damit geprägt und verändert“, sagte die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold.

 

Sich selbst sah Kast nicht als Pionierin, sondern vielmehr als Nutznießerin einer Entwicklung. Damals habe so etwas in der Luft gelegen, „die Frauen kämpften auch auf anderen Ebenen um ihre Rechte“, erinnerte sich Kast in einem Gespräch vor sechs Jahren zurück. 1970 war sie in der Ludwigsburger Auferstehungskirche als erste Frau für den vollwertigen Gemeindedienst ordiniert worden. Allerdings, auch das ist wahr, mussten die Frauen und auch Kast selbst lange Zeit auf diese Möglichkeit warten und dafür kämpfen.

Lange konnten Frauen nur Gehilfinnen sein

Schon seit 1904 war es Frauen zwar erlaubt, in Tübingen Theologie zu studieren. Doch in den Gemeinden konnten sie zunächst nur als „Praktikantinnen“ und „Pfarrgehilfinnen“ arbeiten. Auch als sich die Stuttgarterin nach dem Abitur 1957 für ein Theologiestudium entschied, hatte sich daran nichts geändert. Allerdings sei dies nur noch eine Frage der zeit, wurde ihr vom Oberkirchenrat versichert. „Doch als ich 1962 fertig war, konnten Frauen noch immer nicht Pfarrerinnen werden.“

Im Vikariat in Aalen hatte sie sich vor allem um die typischen Frauenthemen zu kümmern. Ihr oblag die Bezirksleitung des Mädchenwerks. Predigen durfte sie zwar, aber nicht in der Stadtkirche. „Die drei Pfarrer haben sich untereinander um jeden wichtigen Feiertag gestritten.“ Die junge Theologin wich auf Krankenhausgottesdienste aus.

Um sich ihren Berufswunsch zu erfüllen, begann sie selbst bei den Synodalen Überzeugungsarbeit zu leisten. „Bei Rotwein saß man zusammen und diskutierte. Ich wollte vermitteln, dass es jetzt einfach dran ist und nicht unbiblisch, wenn Frauen Pfarrerin werden.“

Die Frau des Feldwebels verlangt einen Mann

1968 klappte es dann tatsächlich. In einem denkwürdigen Beschluss und mit breiter Mehrheit stimmte die Landessynode für die Frauenordination. Das als pietistische Hochburg geltende Württemberg war damit gar nicht einmal so spät dran. In Baden dauerte es noch zwei Jahre länger, ehe auch dort Frauen zum Kanzeldienst zugelassen wurden.

Die Gemeinde habe sich damals schnell an das Bild der Frau im Talar gewöhnt – wenngleich sie bis 1978 statt des typischen Beffchens einen Kragen tragen musste. Nur einmal sei sie auf offene Ablehnung gestoßen, als die Witwe eines Oberfeldwebels verlangte, dass ein Mann die Beerdigung ihres Mannes übernehmen solle.

Dass sie unter Beobachtung stand, war Kast bewusst. „Es ist wie immer: Du musst dein Geschäft anständig machen, sonst blamierst du die Innung.“ Das gelang ihr. 1978 wechselte sie in die Gemeinde Wolfbusch in Stuttgart und später in den Stuttgarter Stadtteil Wangen. Ihren Ruhestand verbrachte sie in Ostfildern, wo sie einen kleinen theologischen Arbeitskreis leitete und dem Vorstand der SPD-AG 60plus angehörte. Die Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung findet am Dienstag, 19. November, 14 Uhr auf dem Friedhof Weiler Park in Ostfildern-Ruit statt.