Der Bundesligist verpflichtet in Luca Jaquez und Finn Jeltsch zwei junge Abwehrspieler. Doch helfen sie sofort weiter? Eine wichtige Frage mit Blick auf die Saisonziele. Wir beleuchten die Situation.
Sebastian Hoeneß beschäftigt sich nicht gerne mit negativen Szenarien, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Der Trainer des VfB Stuttgart betont lieber die sich bietende Chance, als dass er das drohende Risiko spricht. Genauso läuft es vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ARD) gegen den FC Augsburg. Hoeneß steht vor der Herausforderung, ein Abwehrpuzzle lösen zu müssen. Das liegt daran, dass ihm gleich zwei Innenverteidiger als mögliche Stabilisatoren weggebrochen sind. Ameen Al-Dakhil fällt verletzt aus, Anthony Rouault wechselt den Arbeitgeber.
Doch Hoeneß schiebt die Gedanken an die Personalpolitik vor dem Anpfiff zur Seite. In seinem Kopf nimmt nur das Viertelfinale gegen den FCA Raum ein. „Wir haben genug Verteidiger in unseren Reihen“, sagt der Trainer. Jeff Chabot, Ramon Hendriks und Anrie Chace waren bisher für das Abwehrzentrum noch vorgesehen. Leonidas Stergiou hat früher Innenverteidiger gespielt. Ab sofort gehören zudem die frisch verpflichteten Luca Jaquez (Vertrag bis 2029) und Finn Jeltsch (Vertrag bis 2030) zum Team.
Zwei Perspektivspieler, 21 und 18 Jahre jung. Ob sie gleich in den Spieltagskader rücken, bleibt abzuwarten. Einsatzbereit ist das Zugangsduo und trainierte am Dienstag mit. Jaquez kommt vom FC Luzern, mit der Empfehlung beim Schweizer Erstligisten Stammkraft gewesen zu sein. Ein Mann mit Potenzial also, aber dient er auch als Soforthilfe? „Luca Jaquez hat trotz seines jungen Alters schon eine beachtliche Anzahl an Profispielen absolviert. Wir trauen ihm zu, dass er uns sofort helfen kann und darüber hinaus in der neuen Umgebung noch weitere Schritte in seiner Entwicklung gehen wird“, sagt der Sportvorstand Fabian Wohlgemuth.
Jeltsch hat bisher in der zweiten Liga für den 1. FC Nürnberg verteidigt, in beachtlichen 31 Spielen. „Er zählt auf seiner Position zu den herausragenden, jungen Spielern in Deutschland“, sagt Wohlgemuth über den U-17-Weltmeister. Dennoch ergibt sich vorerst das ungute Gefühl, dass der VfB mit der überraschenden Personalrochade Gefahr läuft, die finanziellen Aspekte über die sportlichen Ambitionen zu stellen.
Kurzfristig gedacht, erscheint das so. Vor allem, wenn die in der Defensive anfälligen Stuttgarter im DFB-Pokal ausscheiden sollten. Schließlich hat Rouault in der laufenden Saison 28 Pflichtpartien (ein Tor) im Trikot mit dem Brustring absolviert. Jaquez und Jeltsch stellen dagegen mit ihren jeweils knapp 1,90 Meter unbekannte Größen dar.
Eine Abwägungssache ist es demnach gewesen, in Rouault einen Verteidiger gehen zu lassen, von dem man wusste, dass er hinten seinen Mann steht. Intern wurde das reichlich diskutiert. Und wäre der VfB in der europäischen Königsklasse nicht ausgeschieden, hätte sich wohl eine andere Situation ergeben, als sie nun vorherrscht.
Doch die Belastung nimmt ohne Europacup ab und die Verantwortlichen haben ihren Blick nicht nur auf das aktuelle Tagesgeschäft gerichtet, sondern mutig geweitet – ohne die Saisonziele aus den Augen zu verlieren. Der Traum vom Pokalfinale in Berlin lebt und die Aussicht auf einen Rang in der Bundesliga, der wieder zu internationalen Spielen berechtigt, ist nach wie vor gut. Hoeneß fühlt sich deshalb nicht gebremst und geht den Stuttgarter Weg mit.
Entschlossen holte der VfB dann kurz vor dem Ende der Transferzeit am Montagabend weitere junge Spieler, die sich verbessern lassen – und es gehört zur Traineraufgabe, genau das hinzubekommen. So gesehen, sind J&J Investitionen in die Zukunft, die sich in der Gegenwart auszahlen sollen. Günstig waren die Abwehrspieler allerdings nicht. Jeltsch kostet eine Ablösesumme in Höhe von knapp acht Millionen Euro. Bei Jaquez sind es knapp sechs Millionen Euro.
Auf der Einnahmeseite stehen dagegen unerwartete 15 Millionen Euro, die der VfB von Stade Rennes für Rouault erhält. Viel Geld für einen Profi, den es in seine Heimat zieht, und der darum gebeten hatte, die Stuttgarter in Richtung Frankreich verlassen zu dürfen. Denn beim wohlhabenden Abstiegskandidaten der Ligue 1 erhält der 23-Jährige einen so hoch dotierten Vertrag, dass er zu den Spitzenverdienern aufsteigt.
Beim VfB zählte Rouault zur Mittelklasse. Zweikampfstark, hart und robust, jedoch nicht frei von Patzern. Zuletzt musste er gar fürchten, hinter Chabot und dem genesenen Al-Dakhil in der Innenverteidiger-Hierarchie auf die Position drei zu rutschen. Jetzt ergeben sich neue Konstellationen. „Es ist für mich eine große Chance und tolle Challenge, ab sofort für den VfB Stuttgart in der Bundesliga spielen zu können. Ich will das mir entgegengebrachte Vertrauen mit großem Engagement und Leistung zurückzahlen“, sagt Jaquez. Jeltsch betont: „Ich habe richtig Bock auf die neue Aufgabe, die Teamkollegen und den gesamten Verein.“