Sie sitzt in Steinheim an der Murr und hilft in zwei Landkreisen: Die Tiertafel LB/HN unterstützt bedürftige Tierhalterinnen und Tierhalter, damit ihre Lieblinge gesund bleiben und genug „Fressi“ bekommen. Aber dabei geht noch um viel mehr.
Entspannen? Darin ist Simba Experte. Der cremeweiße Hütehundmischling liegt unter dem Tisch, die braunen Knopfaugen halb geschlossen, und lässt den Vorstand der Tiertafel LB/HN (Ludwigsburg-Heilbronn) Vorstand sein. Frauchen Kerstin Fink tagt mal wieder, sie ist Schriftführerin. Simba schaut kurz hoch, entscheidet, dass ein Nickerchen nicht schaden kann, so lange sie und die anderen – Erste Vorsitzende Bettina Reichel, ihre Stellvertreterin Kaja Sprengel, Kassenwärtin Ulrike Ehmannn und Beisitzerin Simone Götz – allerlei Dinge besprechen.
Die tun das schließlich für die Tiere in den Landkreisen Ludwigsburg und Heilbronn. „Wir kommen regelmäßig zusammen, und einmal im Monat treffen sich alle Mitglieder in der TSG Vereinsgaststätte Steinheim. Wir freuen uns auf Interessierte“, erklärt Bettina Reichel, die den in Steinheim an der Murr ansässigen Verein 2019 gründete.
Sie erinnert sich an die Anfänge. „Ich sagte zu meinem Mann, uns geht es so gut, wir müssen auch was an die Gesellschaft zurückgeben.“ Beide hätten gute Jobs bei einem großen Konzern, ihr Tag als Projektleiterin sei ausgefüllt. „Aber man muss auch in der Freizeit Sinnvolles machen, neben Sport sich auch sozial engagieren.“ Als sie dann eine Fernsehreportage über Essenspakete für Bedürftige sah und deren Tiere, wusste sie: Das ist es. „Wir haben selbst zwei Katzen aus dem Tierschutz.“ Ihr Mann, ebenso tierlieb wie Bettina Reichel, war sofort dabei. Fix am Rechner recherchierte sie im weltweiten Netz nach Tiertafeln. „Es gab was in Mundelsheim, aber nicht als Verein organisiert.“ Reichel nahm kurzerhand Kontakt auf – und konnte bald die Tiertafel LB/HN gründen.
Wie funktioniert eine Tiertafel?
„Als gemeinnütziger Verein können wir Spenden erhalten, dafür auch Bescheinigungen ausstellen“, sagt die gebürtige Braunschweigerin, die 1997 des Berufs wegen in das südwestliche „Ländle“ zog. „Ich bin fast eingebürgert“, sagt sie und schmunzelt. Schon im Norden waren Tiere Teil ihres Lebens. „Ich hatte Haustiere, immer Katzen, mit sieben Jahren bekam ich meine erste.“
Bei der Tiertafel sind derzeit 70 Halterinnen und Halter registriert mit 110 Tieren: Hunde, viele Katzen, zwei Häschen, sechs Vögel. Die Zahl der Leistungsberechtigten sei konstant. Der Verein, der zu 100 Prozent von Spenden und Beiträgen finanziert ist, übernimmt für maximal drei Tiere zwei Drittel der Kosten für Futter und Zubehör wie Katzenstreu, Hundebett, Kratzbaum, Schälchen, aber auch Tierarztleistungen wie Kastration und von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (Stiko Vet) empfohlenen Impfungen. „Wenn es so weit ist, auch die Einschläferung“, so die 56-Jährige. Hintergrund der Zwei-Drittel-Kostenübernahme: Die Tierhalter sollen sich selbst noch verantwortlich fühlen. Vor der Aufnahme in die Tiertafelliste erfolgt eine Bedürftigkeitsprüfung anhand der Bescheide für Bürgergeld, Wohngeld oder Rente. Aber es kämen auch Spontananfragen, etwa wenn ein Tier eine OP brauche. „Wenn es geht, helfen wir. Das hängt von unserem aktuellen Spendenaufkommen ab. Oder wir machen Spendenaufrufe über Facebook und Instagram.“
Wie war das in der Coronazeit?
Sie berichtet aus der Coronazeit, als während einer der Ausgangssperren aus Heilbronn ein Anruf kam, dass eine Katze in die Klinik müsse. „Die Klinik sagte, ich soll mit. Tierschutz galt zwar als Ausnahme, ich konnte das während der Fahrt nicht beweisen. Hat dann alles geklappt, auch dem Kater ging es besser.“ Zudem konnte der Verein während der Pandemie bedürftige Familien ihrer Kartei auch noch mit Nudeln, Toilettenpapier und was nötig war, unterstützen – dank einer Kooperation mit dem Lionsclub Schozachtal. Für viele der Betroffenen sei es oft schwer genug, sich selbst zu organisieren. „Das Geld fehlt, sie tun wirklich alles für ihre Tiere, kümmern sich rührend, sparen eher an sich selbst.“
Die Menschen, die sich bei der Tiertafel melden, bilden die Vielfalt des Lebens und die Zeichen der Zeit ab: Akademiker, die wegen Burnout im Bürgergeld landen, Ältere mit kleinen Renten, Jüngere, die ob psychischer und körperlicher Krankheiten erwerbslos sind, Erwerbsminderungs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen – und viele Ukrainer in den vergangenen zwei Jahren. „Die sind tausende Kilometer mit ihren Hunden und Katzen gefahren, haben mit ihnen übernachtet im Auto.“ Manche lebten nun in Geflüchtetenheimen mit den Tieren in einem Zimmer.
Gut, dass man in diesen und anderen Fällen unterstützen könne, so die Vorständinnen unisono. „So können Tiere bei ihren Familien bleiben, sie sind für manche fast der einzige soziale Kontakt“, schildern sie. Ein Tier gebe nicht nur Zuneigung, sondern auch dem Tag Struktur – und Mut aufzustehen.
Wie viele Mitglieder hat die Tiertafel
Dafür engagieren sie sich gerne bei der Tiertafel. 50 Mitglieder hat diese, ein Drittel davon aktive. Ist doch viel zu tun: Futter ausfahren, Spenden abholen, das Lager in Oberstenfeld bestücken und sortieren, Futterrationen für die Tierhalter zusammenstellen – und auch mal Kuchen für Veranstaltungen backen.
„Wir freuen uns und danken jedem Mitglied, das sagt, ich zahle meinen Obolus“, so Reichel. Der Verein muss auch Versicherungen und das Lager zahlen, das bald abgerissen wird. „Wir suchen ein neues, hoffen wieder auf solch einen tierlieben Vermieter. Und auf ein paar mehr anpackende Hände, die sind herzlich willkommen.“