Das Convention Centre in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, ist das neue Wahrzeichen des afrikanischen Landes. Foto: Palladium Photodesign, Koeln, Ge/Barbara Burg + Oliver Schuh

Das Kigali Convention Centre, gebaut von einem Stuttgarter Professor, ist auf einer ruandischen 5000-Francs-Banknote abgebildet. Roland Dieterle ist somit der erste deutsche Architekt der Neuzeit, der mit seinem Bauwerk auf einem Schein vertreten ist.

Das Land der 1000 Hügel hat seit 2016 einen mehr. Inmitten des ostafrikanischen Landes Ruanda, das durch eine hügelige Hochebene geprägt wird, schraubt sich der neue Hügel in die Höhe. Umgeben von Häusern liegt er leuchtend weiß im Sonnenlicht, als sei er aus Marmor. In der Dunkelheit schimmert er in Blau, Gelb und Grün, als söge er die Farben der Natur auf und spiegele sie wider.

 

Tatsächlich ist der Hügel kein Hügel, sondern eine Kuppel – die des Kigali Convention Centres in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Das Gebäude gilt als neues Wahrzeichen des Landes, seit dem Jahr 2024 ziert es die ruandische 5000-Francs-Banknote. Und mit Baukosten von rund 300 Millionen US-Dollar ist es zudem das teuerste Gebäude Afrikas.

Das Kigali Convention Centre gilt als neues Wahrzeichen des Landes, seit dem Jahr 2024 ziert es die ruandische 5000-Francs-Banknote Foto: privat

Erbaut hat das Kigali Convention Centre Roland Dieterle, der von 1998 bis 2021 an der Fakultät für Architektur und Gestaltung der Hochschule für Technik Stuttgart tätig war. Er entwickelte die internationalen Master-Studiengänge International Project Management und Smart City Solutions. Für sein Engagement wurde er 2024 zum Senior Professor ernannt.

Für seinen damaligen Arbeitgeber Siemens hatte Dieterle nach der Jahrtausendwende „Hydropolis“, ein Unterwasserhotel in Dubai geplant. Ein spektakuläres Projekt (auch, wenn es letztlich nie gebaut wurde), das er in Dubai auf einer Pressekonferenz vorstellte. „Damals war auch ein Vertreter aus Ruanda da“, erzählt Dieterle.

Treffen mit dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame

Nach der Konferenz sei er vom Botschafter Ruandas eingeladen worden. „Ich wusste damals nicht einmal genau, wo das Land liegt“, erinnert sich Dieterle, der gerade dabei war, seine eigene Firma in München zu gründen.

Er ist dann hingeflogen. Dieterle wurde das Land gezeigt – ohne, dass ihm auf dieser Rundfahrt je die Absicht hinter der Einladung verraten wurde. Am Ende der Reise kam es zu einem Treffen mit dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame. „Wir hatten einen langen Austausch und sprachen viel über die Situation im Land“, sagt Dieterle. „Die Folgen des Völkermords aus dem Jahr 1994 hatte Ruanda noch immer im Griff.“

Zwischen dem 7. April 1994 bis Mitte Juli 1994 hat der Genozid in Ruanda rund 800 000 bis eine Millionen Menschen das Leben gekostet, die niedrigsten Schätzungen gehen von 500 000 Toten aus. In annähernd 100 Tagen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit.

Die Folgen daraus waren vielfältig und wirkten lange nach. Es kam zu einer Flüchtlingskrise: Mehr als zwei Millionen Ruander flohen außer Landes. Nach Angaben von Unicef wird die Zahl der vergewaltigten Mädchen und Frauen auf 250 000 bis 500 000 geschätzt. In ihrem Leid werden sie allein gelassen, stattdessen häufig auch noch sozial geächtet. Viele vergewaltigte Frauen sind durch die sexuellen Gewalttaten Mütter geworden – Schätzungen gehen von 2000 bis 5000 Fällen aus. Ein hoher Prozentsatz der Vergewaltigten ist HIV-positiv.

Im Jahr 1999 gab es in Ruanda schätzungsweise 45 000 bis 60 000 Haushalte, denen minderjährige Waisen vorstanden. Insgesamt lebten rund 300 000 Kinder in solchen Haushalten. Eine Besonderheit des Genozids in Ruanda ist die große Anzahl jugendlicher Täter. Häufig waren sie ob ihrer eigenen Taten traumatisiert. Etwa 5000 Jugendliche wurden inhaftiert.

Paul Kagame ist seit dem 22. April 2000 Präsident von Ruanda. Ihm wird ein weitreichender Einfluss auf die Entwicklung der ruandischen Gesellschaft nach dem Völkermord zugeschrieben und eine maßgebliche Rolle bei der Stabilisierung des Landes und dem wirtschaftlichen Aufschwung Ruandas angerechnet. Gleichwohl ist er umstritten: Seine Kritiker werfen ihm vor, dass diese Erfolge unter Umgehung der Demokratisierung im eigenen Land wie auch auf Kosten des benachbarten Kongo, von dessen illegaler Rohstoffausbeutung größtenteils Ruanda profitiert, erzielt wurden. Auch heute ist Ruanda noch in einen Krieg verwickelt: Seit mehr als zehn Jahren kämpft die berüchtigte Rebellengruppe M23 im Osten des Kongo gegen die Zentralregierung – Ruandas Präsident Kagame unterstützt die M23 finanziell und logistisch.

Ihm gegenüber habe sich Kagame als ein Präsident gezeigt, der nicht in der Vergangenheit verharren will, sondern seine Aufgabe darin sieht, sein Volk dazu zu bringen, nach vorne zu schauen, sagt Roland Dieterle. Da Ruanda kaum landwirtschaftlich nutzbare Böden vorweisen kann, wenig zu exportieren hat und auch der Tourismus wenig ausgeprägt ist, suchte Kagame nach einem anderen Geschäftsfeld, mit dem das Land punkten konnte: „Wir können nicht nur dasitzen und warten, bis jemand kommt und uns hilft. Wir müssen selbst tätig werden“, habe Kagame sinngemäß zu Dieterle gesagt.

Seine Vorstellung war es, ein gutes Geschäftsklima bieten zu können. Zu diesem Zwecke sollte Roland Dieterle in der Hauptstadt ein großes Kongresszentrum bauen. Ihn beeindruckte dieses zukunftsgewandte Denken des Präsidenten. „Mir wurde zudem schnell klar, dass er wohl auch bewusst auf einen Deutschen für dieses Riesenprojekt setzte“, sagt Dieterle.

Ruanda war von 1884 bis 1916 eine deutsche Kolonie

Zum einen freilich aufgrund der weithin bekannten deutschen Akkuratesse. Zum anderen aber auch, weil Ruanda von 1884 bis 1916 eine deutsche Kolonie gewesen war. „Ich hatte zumindest das Gefühl, dass es den Ruandern wichtig war, den Spieß umzudrehen. Sie waren nun der Auftraggeber und sagten, wo es langgeht“, sagt Dieterle.

Die Sache gestaltete sich schwierig. „Anfang 2004 haben wir mit den ersten Studien begonnen und mussten feststellen, dass es in Ruanda weder funktionierende Strukturen noch Genehmigungsbehörden gibt.“ Auch der Wunsch Ruandas, Europa bei diesem Bauprojekt mit ins Boot zu holen, scheiterte. „Es gab keine Baufirma, die gewillt war, ein Projekt in Ruanda anzugehen“, sagt Dieterle. „Das zeigt die Problematik, wie wir Europäer auf Afrika zugehen – oder eben nicht.“

Doch die erhebliche Diskrepanz zwischen dem staatlichen Budget und der Größe des Bauvorhabens beunruhigte zunächst auch Dieterle. „Kagame wollte das Projekt aber wie geplant durchziehen und keine Abstriche machen, es sollte einen sehr hohen Standard haben.“ Ein Problem war, dass sich in Afrika nur Sponsoren finden, wenn ein Projekt bereits angelaufen ist und auch schon etwas davon zu sehen ist, wie Dieterle sagt. Deshalb bestand er auf einen Business-Plan, um sicher gehen zu können, dass das Projekt finanziell gestemmt werden kann. „Wir wollten keinen weiteren White Elephant bauen – also ein Gebäude, das angefangen, aber niemals fertiggestellt wird.“

Der Business-Plan ergab, dass das Convention Centre nur im Zusammenhang mit einem Hotel funktionieren würde. Dieterle übernahm die Bauleitung, engagierte Firmen, darunter auch welche aus Stuttgart, rang fortan mit strukturellen Problemen und damit, dass die chinesische Baufirma ihre Arbeit zu chinesischen Preisen, aber mit deutscher Präzision ablieferte und mit vielen Unabwägbarkeiten. Ihm sei viel Vertrauen entgegengebracht worden. Andererseits sei er auch auf eine große Erwartungshaltung gestoßen, sagt er: „Es kam schon vor, dass der Minister Samstagabends anrief und mich für Montag, 10 Uhr, einbestellt hat.“

„Das Gebäude stößt auf eine hohe Akzeptanz, auch in der Bevölkerung“

Der Prozess zog sich. Auch, weil es Dieterles Ziel war, „nicht nur einfach ein Gebäude hinzustellen, sondern ein Musterbeispiel für nachhaltiges Bauen“. Er verwendete viele lokale Materialien, baute eine Kläranlage, die 90 Prozent des Wassers wieder nutzbar macht, legte ein Grauwassersystem an. „Da es in Kigali viele Stromausfälle gibt, haben wir Blockheizkessel eingesetzt – und nutzen die Abwärme zum Kühlen .“

Im Jahr 2016 wurde das Kigali Convention Centre fertiggestellt. Sein Äußeres ist freilich mindestens so wichtig wie die Technik: Dieterle hat das Thema Rundbau aufgegriffen, angelehnt an den Königspalast von Nyanza im Süden Ruandas, um die Identität des Landes widerzuspiegeln. Die Spirale im Inneren der Kuppel erinnert an die traditionellen Körbe, welche die Frauen nach dem Genozid auch zu Therapiezwecken flechten. Von außen zeigt sie sich nachts in den Nationalfarben Ruandas. „Das Gebäude stößt auf eine hohe Akzeptanz, auch in der Bevölkerung“, sagt Roland Dieterle und zeigt das Foto eines Jungen, der das Kigali Convention Centre in Lehm nachbaut hat.

Ein Junge in Ruanda hat das Kigali Convention Centre aus Lehm nachgebaut. Foto: privat

Hat sich das Kigali Convention Centre auch wirtschaftlich gelohnt? Oder ist alles nur schöner Schein? „Ich glaube, dass es mehr ist als das“, sagt Dieterle. „Die Klima – und die Aids-Konferenz haben dort stattgefunden, der Weltfußballverband hat dort getagt. Das Ziel, Ruanda mit einem state-of-the-art-Projekt für Investoren ins Blickfeld zu rücken, ist geglückt.“ Das Convention sei ein Motor für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung. Im Ease of Doing Business Index der Weltbank liegt Ruanda mit Platz 38 von 190 auf dem ersten Platz in Afrika.

Ein schöner Schein existiert dennoch: Bei der Neugestaltung ihrer Banknoten entschied sich die Nationalbank Ruandas im September 2024 dafür, das Kigali Convention Centre als Motiv für die 5000-Francs-Note auszuwählen. Dieterle ist somit der erste deutsche Architekt der Neuzeit, dessen Bauwerk auf einer Banknote abgebildet ist. Dieser Ehre wurde nur noch Balthasar Neumann (1687-1753) zuteil, dem berühmten Barockbaumeister, der auf dem olivbraunen 50-Mark-Schein abgebildet war.

„Für mich beweist die Banknote“, sagt Dieterle, „dass Gebäude zur Prägung von Länderidentitäten beitragen können.“