Das teuerste Viertele kostet fast vier Mal so viel wie das günstigste. Ist der Riesling für 22 Euro seinen Preis wert? Das sagt unsere Weinexpertin Kathrin Haasis.
Wo der Rostbraten bis zu 85 Euro kostet, wird der Wein auch nicht billig sein: Das Stuttgarter Weindorf ist mal wieder wegen seiner Preise in die Kritik geraten. Und tatsächlich liegen auch zwischen den Viertele Welten. Welche Laube hat das günstigste im Angebot und wo kostet ein Glas Wein am meisten? Eine Preisanalyse gibt Auskunft. Nach einem kurzen Rundgang scheint die Recherche schnell ans Ziel geführt zu haben: Das Weinfactum Cannstatt schlägt mit 19 Euro für ein Viertele an seiner Laube auf dem Schillerplatz scheinbar dem Fass den Boden aus. Aber tatsächlich ist es ein Schnäppchen! Überhaupt zeigt eine Analyse aller Weinkarten, dass der Weingenuss auf dem Weindorf tendenziell günstiger als im Restaurant ist – jedenfalls nach meinem jüngsten Besuch einer Pizzeria geurteilt, wo für 0,2 Liter eines unbestimmten Weins 7,50 Euro verlangt wurden. Beim Weindorf geht es nicht nur preiswerter, sondern auch nachhaltiger mit Tropfen aus der Region.
Ein Probierpreis für den neuen Orange Wine auf dem Weindorf
Dass der neue, hippe Orange Wine der Cannstatter Weingärtner ungewöhnlich ist, zeigt sich schon auf den ersten Blick: das Etikett steht auf dem Kopf. Vor dem trinken muss die Flasche nämlich gedreht werden, damit die Hefe aus der Gärung aufgewirbelt wird. Schade, dass von den anwesenden Mitarbeitern keiner den ungewöhnlichen Tropfen erklären kann. Der milchige, gelbe Wein macht trotzdem Spaß, duftet nach Muskat und Rosen und frisch gebackenem Brot, läuft saftig die Kehle hinunter, blieb lange in Erinnerung. Für 48 Euro ist die Flasche in der Vinothek am Römerkastell zu haben, das Viertele kostet also nur drei Euro mehr als der Einkaufspreis für den Endverbraucher. Das ist in dem schönen Weindorf-Ambiente durchaus ein günstiger Probierpreis.
Der niedrigste Preis für Viertele beim Weindorf
Da sieht es mit einem Viertele Pragdaggel bei Michael Wilhelmer anders aus: Das Glas Chardonnay kostet 12,50 Euro an der Laube auf dem Marktplatz, eine Flasche Pragdaggel aus der Reihe Kesselliebe von der Kellerei Kern ist im Handel dagegen für rund elf Euro zu haben. Während das Weinfactum also mit drei ausgeschenkten Viertele neun Euro über dem Verkaufspreis für eine Flasche Orange Wine gut macht, übertrifft Michael Wilhelmer ihn beim Pragdaggel um 26,50 Euro. Immerhin ist der Gastronom gleichzeitig die Anlaufstelle für das billigste Viertele auf dem gesamten Weindorf – zumindest im lieblichen Bereich: 0,25 Liter vom 2024er Schwarzriesling feinherb von Schloss Affaltrach wird beim Stäffele-Stand auf dem Marktplatz für 5,90 Euro ausgeschenkt. Eine Flasche des weichen, runden Weins mit Brombeer- und Kirscharoma gibt es im Supermarkt für 6,90 Euro. Einen halbtrockenen Kerner „zum Zechen“ hat er ebenfalls für 5,90 Euro im Programm.
Bei der Zaißerei gibt es den günstigsten Schillerwein
Andreas Zaiß ist ihm mit seinem eigenen Schillerwein für sechs Euro und einem Blanc de Blanc zum selben Preis dicht auf den Fersen. Eiskalt ist die schwäbische Version von Rosé am besten zu trinken, die lebhafte Säure könnte auf Dauer allerdings zu viel des Guten werden. In Currles Culinarium gibt es für 6,50 Euro den hauseigenen Uhlbacher Riesling, beim Weingut der Stadt Stuttgart wird der Stadtwein für sieben Euro ausgeschenkt – so viel wie im Laden an der Breite Straße eine Flasche davon kostet. Für sieben Euro gibt es beim Weingut Escher auch einen Riesling, Die Trautweins von der Linde bieten zum gleichen Preis einen Riesling von der Stuttgarter Weinmanufaktur an, für den Ritzling von Spitzenwinzer Moritz Haidle wollen sie zwölf Euro fürs Viertele. Der Reiz am Weindorf liegt schließlich nicht beim Sparen, sondern beim Probieren: Das Meisterwerk Rot von Christian Escher wäre zum Beispiel auch durchaus 16 Euro für ein Viertele wert (19,50 Euro die Flasche).
Ein Preisvergleich auf dem Weindorf fällt schwer, da jede Laube ihr eigenes Sortiment hat. Nur beim Pragdaggel Chardonnay ist es möglich: Das Gasthaus Bären verkauft das Viertele des Weißen um einen Euro weniger als bei der Stäffele-Laube. Die Kellerei Kern und das Schloss Affaltrach beliefern mehrere Wirte, aber mit unterschiedlichen Linien. Auch der Ausschank in 0,1 Liter erschwert die Kalkulation. In der Stadtlaube werden nur Trollinger und Riesling vom Weingut Diehl als Viertele für 7,90 Euro ausgeschenkt. Beim schicken Weinladen Wein-Moment liegt der Einstiegspreis ebenso bei acht Euro für ein Viertele von der Weißweincuvée Kunterbunt der Eigenmarke Rebhelden (8,95 Euro für die Flasche im Laden) wie bei Rauschenberger für den 2023er Riesling vom Weingut Knauß aus der Literflasche.
Einstiegspreise zwischen sieben und neun Euro fürs Glas Wein
Im neuen Lieblingsplatz ist der „Lieblingswein“ von der Genossenschaft Cleebronn-Güglingen für 8,50 Euro im Ausschank. Im Roten Hirsch liegen Viertele bei 9,50 Euro wie die blumige Cuvée Gretchen vom mittlerweile aufgegebenen Bio-Weingut Bruker. Bei Inge’s Laube müssen sich die Gäste den Preis fürs Viertele selbst ausrechnen: für zwei Mal 0,1 Liter gibt es dann 0,05 Liter gratis. Ein Viertele vom Weissburgunder W 2024 der Remstalkellerei kostet demnach zehn Euro, die Flasche im Handel 6,50 Euro. Dagegen ist ein Viertele aus der Reihe Egoist vom Weingut Zimmerle bei der Jägerlaube für ebenfalls zehn Euro definitiv der bessere Deal: Das ausgezeichnete Weingut verlangt für die Flaschen 11,90 Euro. Auch bei der Spelunkerei sind ausschließlich empfehlenswerte Tropfen von den Renommierweingütern der Region für neun oder zehn Euro zu haben.
Aber wo gibt es nun das teuerste Viertele? Natürlich in der Jägerlaube – passend zum Luxus-Rostbraten! Für den Riesling Kieselsandstein verlangt Ingo Hampf 22 Euro für 0,25 Liter – allerdings ist er vom Jahrgang 2016. Ob der Wein zu teuer ist? Wer Riesling liebt, hat an dem dichten, mineralischen Tropfen mit Zitrusnote und dezenter Würze eine große Freude. Es ist jedoch durchaus eine Überlegung wert, zur Laube am Marktbrunnen zu marschieren und sich ein Viertele vom Riesling Großes Gewächs vom Stettener Pulvermächer des gleichen Weinguts für 19 Euro zu gönnen. Der Beurersche Spitzentropfen hat alles zu bieten, was die kleinere Version kann – und noch viel mehr. Während der aktuelle Jahrgang vom Kieselsandstein für knapp 19 Euro die Flasche im Weingut auf der Liste steht, schlägt das Große Gewächs mit 42 Euro zu Buche. Da ist das Viertele für Weinliebhaber definitiv ein Schnäppchen.