Mit Jeans, nicht mit Dirndl: So sah es 2005 auf dem Frühlingsfest aus. Foto: Uli Kraufmann

Es heißt Cannstatter Volksfest, aber Stuttgarter Frühlingsfest – obwohl das eine wie das andere auf dem Wasen gefeiert wird. Ein Blick in die Historie des Rummels erklärt den Grund dafür. Stuttgart besitzt das größte Frühlingsfest in Europa.

Seit wann werden Bierfässer auf dem Wasen bereits im April angestochen und nicht nur im Herbst? Auf eine genaue Jahreszahl legen sich die Veranstalter nicht fest. Zwar verkünden Plakate und die Homepage vom fröhlichen Treiben, das beim 85. Stuttgarter Frühlingsfest diesmal von Samstag, 19. April, bis Sonntag, 11. Mai, währt. Da es Ausfälle in der Zeit des Nationalsozialismus gab, kann mit der Zahl 85 aber nicht auf das Gründungsjahr geschlossen werden. Irgendwann nach dem Krieg hat die Stadt per Verwaltungsakt festgelegt, das wievielte Frühlingsfest gefeiert werde.

 

Mit dem Pferde- und Hundemarkt fing es an

Als erwiesen gilt, dass 1914 erstmals im Frühjahr ein Pferde- und Hundemarkt auf dem Cannstatter Wasen stattgefunden hat, wohl der Urahn des Frühlingsfestes. Zwar tat man in der Nachbarschaft bei Daimler alles, um Pferde als Zugtiere überflüssig zu machen, doch lange Zeit noch traf man sich zum Pferdemarkt am Neckar.

Etwa zwei Jahrzehnte später wollte die Stadt für die Schausteller nach den harten Winterwochen ohne Rummelplätze etwas tun. Sie sollten auch im Frühling Gelegenheit zum Geldverdienen erhalten. Und das Volk freute sich übers zusätzliche Krügestemmen und Karussellfahren. 1934 soll erstmals ein Frühlingsfest auf dem Wasen stattgefunden haben, wenn es stimmt, was der 2007 verstorbene Festwirt Walter Weitmann behauptet hat. Alte Briefe aus den 1950ern zwischen einer Standesorganisation der Schausteller und dem damaligen OB Arnulf Klett belegten dies. Allerdings, so erzählt man sich noch heute, wollte Weitmann damit seinem Intimfeind Willi Stamer eins auswischen.

Der frühere Festwirt Walter Weitmann (rechts) mit Chorleiter Gottfried Fischer. /Horst Rudel

Die Stadt hatte Stamer für seinen Biergarten einen guten Standplatz gegeben, wegen seiner Verdienste um die Wiedereinführung des Frühlingsfestes 1955. Da es das Frühlingsfest aber bereits vor dem Krieg gegeben habe, seien Stamers Verdienste nicht allzu groß, argumentierte Weitmann seinerzeit. Auf jeden Fall nicht groß genug, um ihn mit einem guten Platz zu belohnen.

Stuttgart besitzt das größte Frühlingsfest in Europa

Das ist lange her. Heute steht fest: Stuttgart besitzt das größte Frühlingsfest in Europa – da kommt auch München nicht mit. Es heißt Cannstatter Volksfest, aber Stuttgarter Frühlingsfest! Dabei wird auf ein und demselben Platz gefeiert. Dass die Ortsnamen noch heute verschieden sind, liegt daran, dass Bad Cannstatt nicht mehr selbstständig war, als die kleine Schwester des Volksfestes zum Wohle der Schausteller nach deren Winterpause in den 1930ern hinzugekommen ist.

Die Entscheidung wurde von den Stadtoberen getroffen: Das Rathaus bestand darauf, es Stuttgarter Frühlingsfest zu nennen – weshalb manche Cannstatter damals feierlich gelobt haben sollen, das Fest mit Stuttgarter Namen niemals zu besuchen.

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