Stuttgarts Aussichten sind bestens: Weitblicke wie hier gibt’s in keiner anderen deutschen Metropole. Wir erinnern an beliebte Plätze, an denen Menschen früher eingekehrt sind. Manche Ausflugsziele gibt es heute noch, andere sind verschwunden.
Stuttgart - Bei schönem Wetter zieht es die Menschen nach draußen - das war früher nicht anders als heute. Frische Luft und Hitze machen durstig und hungrig. Gerade in der Coronakrise empfiehlt es sich, im Freien einzukehren, wo die Ansteckungsgefahren viel niedriger sind als in geschlossenen Räumen. Unser Stuttgart-Album blickt zurück auf gastronomische Orte, an denen es sich die Menschen einst gut gehen ließen.
Die Auswahl war in früheren Zeiten nicht sehr groß. Zu Straßencafés und südländischem Flair ist Stuttgart erst vergleichsweise spät gekommen. Am Marktplatz etwa befanden sich die Lokale im ersten Stock. Draußen wollten sich die Leute ungern „beim Nichtstun beobachten lassen“, wie ein Kommentator auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts schreibt.
Seit den 1960ern ist die Karlshöhe beliebt zum Einkehren
Ein beliebter Platz zum Einkehren ist die Karlshöhe bereits seit den 1960er Jahren - mit einer genialen Weitsicht! Zur Bundesgartenschau im Jahr 1961 ist hier nach den Plänen des 1999 verstorbenen Liederhallen-Architekten Rolf Gutbrod ein Ensemble aus Unterstehhalle, Milchbar, Terrasse und Treppe entstanden, das heute unter Denkmalschutz steht. Der Treff bei Milchshakes und Rock’n’Roll entsprach in den 1960ern dem Lebensgefühl junger Menschen. Es war die Zeit, als man erst mit 21 Jahren volljährig wurde und noch lange nichts vom Komasaufen wusste. Nach Schulschluss traf sich die Jugend des Wirtschaftswunders bei Buttermilch oder Fürst-Pückler-Eis mit Sahne und freute sich auf die ersten Liebesgeschichten. Auf dem Killesberg hatte Gutbrod eine fast identische Milchbar gebaut.
Die Bundesgartenschau 1961 sollte ganz anders und neu sein. Die Verantwortlichen wollten keine Blümchen-Olympiade auf einer zusammenhängenden Fläche veranstalten, sondern gleichzeitig innerstädtische Flächen sanieren und neue öffentliche Parks schaffen. An der Oper machte man den bisher runden See eckig, an den Randbereichen der Stadt wurde vorhandene Grünanlagen neu gestaltet – so auch auf der Karlshöhe.
Von der Mosterei zur Sterneküche
Ein Juwel war die Wielandshöhe schon früher, als die Familie Seitz von 1930 bis 1975 auf dieser herausgehobenen Lage eine bodenständige Form der Gastlichkeit mit Liegewiese und Außenbewirtschaftung pflegte. Entsprechend groß war die Trauer, als der Hotel-, Restaurant- und Cafébetrieb mit wunderbarer Aussicht 1975 für immer eingestellt worden ist. 16 Jahre voller Ungewissheit folgten, in denen nur eines klar war: Den Neubeginn konnte nur ein besonders mutiger und besonders begabter Gastronom wagen. Dieser fand sich im Jahr 1991 nach langer Suche in dem Schwäbisch Gmünder Meisterkoch Vincent Klink, der auch heute noch mit 71 Jahren Liebhaber seiner Kochkunst bewirtet. So hat sich die Wielandshöhe von der Mosterei zur Sterneküche entwickelt. Der Wirt August Wieland hatte 1880 aus eine Wohnhaus an der Alten Weinsteige eine kleine Mosterei mit Mostwirtschaft eröffnet.
Der Hasenbergturm war ein beliebtes Ausflugsziel
Schlank ragte der 36 Meter hohe Turm auf dem Hasenberg im Stuttgarter Westen über den Wald – er war ein Wahrzeichen der Stadt, lange bevor es der Fernsehturm auf einem anderen Hügel werden konnte. Der Hasenbergturm, 1879 vom Verschönerungsverein erbaut, lockte schon bald nach seiner Eröffnung Zehntausende an. Die vielen Besucher hatten Hunger und Durst. Sie kehrten besonders gern im Waldhaus ein, das über eine schöne Terrasse mit traumhaften Panoramablick verfügte.
Was von der alten Pracht des Turms übrig geblieben ist? Steine, Ruinen, ein Stumpf des 1943 von den Nazis gesprengten Bauwerks, das den Flugzeugen der Alliierten keine Orientierung bieten sollte. Und das Waldhaus ist seit Jahren für die Öffentlichkeit geschlossen.
Die Zukunft des Waldhauses ist nach wie vor unklar
Der Wirt, Maler und Dichter Günter Lemme hatte 48 Jahre lang das Traditionslokal geführt, das sich fast trotzig allen modischen Erneuerungen verweigert hat. Wer das Waldhaus betrat, landete flugs in den 1960ern.
Dies gefiel Promis wie Alfred Biolek, Heidi Kabel und Willy Brandt. Der Künstler Otto Herbert Hajek, der auf der Hasenbergsteige sein Atelierhaus hatte, war Stammgast und brachte einmal Bundespräsident Richard von Weizsäcker mit. Oft kam Fritz Leonhardt, der Erbauer des Fernsehturms, und setzte sich stumm auf die Terrasse. An keinem Punkt der Stadt, sagte er, gefalle ihm sein Turm so gut wie hier.
Bei vielen Stuttgartern ist das Waldhaus mit tollen Erinnerungen verbunden. Sie wünschen sich eine Rückkehr an einen ganz besonderen Ort, der nun umzäunt ist. Nach dem Tod der letzten Besitzerin hatten die Erben das sanierungsbedürftige Waldhaus an einen Unternehmer in der Spielautomatenbranche verkauft. Was dieser plant, hat er bisher nicht öffentlich verraten.
Waldheim Heslach wurde 1908 eröffnet
Immer einen Ausflug wert ist das Waldheim Heslach - schon seit über hundert Jahren. Im Mai 1908 ist Eröffnung gefeiert worden. Ein Arbeiter verdiente damals drei Mark und 50 Pfennig am Tag - zu wenig, um mit der Familie einen Sonntagsausflug machen zu können. Die Arbeiterwohnungen in der Stadt waren eng und dunkel, die Kinder spielten in engen Hinterhöfen. Das wollte der SPD-Mann Karl Oster ändern. Im Dachswald entdeckte er ein Grundstück für seinen Waldheimverein.
Die Finanzierung war schwierig. Ausgerechnet ein Kapitalist half ihm. Der Vaihinger Brauereibesitzer Robert Leicht spendete 5000 Mark, Dafür versprachen die Waldheimbetreiber, sein Bier auszuschenken. Heute ist jeder gern gesehen an diesem idyllischen Flecken, ob Arbeiter oder nicht. Auch im Corona-Sommer lässt sich die Sonne bei einem Bier genießen!
Diskutieren Sie mit unter: www.facebook.com/Album.Stuttgart. Zu unserer Serie sind drei Bücher erschienen. Wer mehr über die Stadtgeschichte erfahren kann, den Newsletter „StZ Damals“ kostenlos abonnieren unter: http://stzlinx.de/stzdamals.