Bis 1977 teilten sich Fußgänger die Königstraße mit Straßenbahnen und Autos – erst nach und nach wird die Bahn tiefergelegt. Foto: SSB-Pressestelle

Bis 1977 teilten sich Fußgänger die Königstraße mit Straßenbahnen und Autos – erst nach und nach wird die Bahn tiefergelegt. In der Fotostrecke zeigen wir Impressionen aus einer Zeit, in der die Strambe noch Frischluft schnupperte.

Stuttgart - Seit 1863 rumpelt die Tube im Untergrund von London, die Pariser bekamen 1900 ihre Metro, und die U-Bahn in Berlin ging 1902 an den Start.

Stuttgart musste etwas länger warten, bis das Leben unter der Erde weitergehen konnte. 1961 beschließt der Gemeinderat, die zentralen Strecken des öffentlichen Nahverkehrs tieferzulegen – insgesamt sind es 17 Kilometer. „Oben bleiben“ ruft noch keiner. Aber es traut sich auch niemand, die ersten Versuche des unterirdischen Vorwärtskommens als „U-Bahn“ zu bezeichnen. Man nennt die neuen Linien „U-Straßenbahn“ – denn die Bahnen schauen immer wieder raus aus der Erde, als müssten sie Luft schnappen, und dann geht’s wieder runter.

Am 2. Juli 1962 beginnt die Stadt damit, ihre City zu unterkellern. An diesem Tag sticht am Charlottenplatz der erste Spaten fürs Tunnelnetz ins Erdreich. Es wird eine Operation am offenen Herzen – trotz Großbaustelle soll es auf den umliegenden Straßen nicht zum Verkehrsinfarkt kommen. 1966 wird die Jungfernfahrt zwischen Holzstraße und Staatstheater gefeiert. Es sollte der Anfang fürs große Wühlen im Untergrund sein. Am 5. Juli 1971 gibt der damalige Bundesverkehrsminister Georg Leber mit dem Presslufthorn das Startsignal für den Bau der S-Bahn. Stuttgart wird zu Maulwurfshausen und bekommt den wenig schmeichelhaften Beinamen „Stadt zwischen Löchern und Gräbern“.

Heute werden in der Fußgängerzone 16 800 Passanten in der Stunde gezählt

Auch auf dem Schlossplatz verschwinden die großen Gelben. Die Idylle der alten Fotos, auf denen die Straßenbahn noch beim Königsbau zu sehen ist, sorgt auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums für wehmütige Kommentare. „Damals war die Welt noch in Ordnung, damals durften noch Autos und Strambe oben fahren“, hat ein Besucher geschrieben. Doch wie wäre das wohl, müssten sich heute Fußgänger, Autos und Straßenbahn die Königstraße teilen? Es wäre ein Kampf – ein Überlebenskampf. Heute werden in der Fußgängerzone 16 800 Passanten in der Stunde gezählt. Man könnte sie nicht alle an den Rand der Straße verbannen. Seit 1977 sind auf der unteren Königstraße die Fußgänger unter sich, seit 1979 auch auf dem oberen Teil.

Am 26. September 1987 fuhr zum letzten Mal ein Straßenbahnzug auf der Neuen Weinsteige zwischen Bopser und Haigst

Straßenbahn-Geschichten – jeder kann welche erzählen. Nachts um halb eins trafen sich einst alle Linien auf dem Schlossplatz und warteten aufeinander, so dass man in die Bahn umsteigen konnte, die einen heimbrachte. Es gab Schaffner, die von Platz zu Platz gingen und Fahrscheine verkauften, die je nach Entfernung unterschiedlich kosteten. Sie hatten verschiedenfarbige Ränder. Auf den Fahrscheinen war ein stilisierter Netzplan aufgedruckt, und die Schaffner markierten mit blauer Fettkreide die Einstiegshaltestelle und strichen auf einem Uhrenkreis die Zeit ab. In den ersten GT4-Wagen befand sich dann hinten eine Kabine, in der der Schaffner saß, und der stempelte Tag und Uhrzeit auf.