Verkehrsminister Winfried Hermann (rechts) startete die umstrittene Aktion „E-Auto ausprobieren“ im Januar 2021. Links im Bild Verkehrswacht-Präsident Burkhard Metzger. Foto: Landesverkehrswacht

Mit 370 000 Euro finanzierte das Land Probefahrten mit 36 eigens geleasten E-Fahrzeugen. Mitarbeiter der Aktion konnten die Fahrzeuge unbegrenzt für kostenlose Privatfahrten nutzen. Die meisten kamen deshalb ohne ein eigenes Auto aus.

Das Verkehrsministerium des Landes hat in den vergangenen Jahren 370 000 Euro ausgegeben, um im Rahmen des Programms „E-Auto ausprobieren“ Probefahrten mit E-Autos zu finanzieren. Dies geht aus der Antwort von Amtschef Berthold Frieß auf eine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Friedrich Haag hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Der Löwenanteil der Kosten fiel dabei nicht für das Leasing der 36 E-Autos selbst an, sondern für ein nicht näher beschriebenes „Rahmenprojekt“, für das die Verkehrswacht weitere 265 115 Euro erhielt.

 

Verkehrsminister Hermann (rechts) bezuschusst E-Projekte seit langem. Hier bei der Übergabe eines Förderbescheids für E-Taxis im Jahr 2015. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das auf drei Jahre angelegte Projekt, das von Februar 2021 an lief, war noch während der Laufzeit heftig in die Kritik geraten – nicht zuletzt deshalb, weil die so genannten E-Auto-Moderierenden, die laut Ministerium ehrenamtlich tätig waren und Bürger bei den Fahrten „über E-Autos neutral beraten“ sollten, die Fahrzeuge in beliebigem Umfang kostenlos für private Zwecke nutzen durften.

Für die Auswertung fehlen Daten

Die Ehrenamtlichen mussten auch nicht erfassen, in welchem Umfang sie die Fahrzeuge jenseits der Probefahrten für private Zwecke nutzten. Somit lässt sich bei der Auswertung des Projekterfolgs heute auch nicht feststellen, in welcher Breite die Fahrzeuge tatsächlich von der Bevölkerung genutzt wurden, wie das Ministerium in seiner Antwort an Haag einräumt. „Insgesamt wurden 22 543 Fahrten durchgeführt“, heißt es in dem Schreiben. „Eine separate Erfassung der Kilometer nach Nutzungsart ist nicht erfolgt.“

Mindestens 80 Prozent der Moderierenden hätten während des Testzeitraums allerdings auf ein Verbrennerfahrzeug verzichtet oder dieses sogar abgeschafft. Dies habe zu den Zielen des Projekts gehört.

Rechnungshof sieht Verstoß gegen Haushaltsrecht

Die Moderierenden sollten die Fahrzeuge für 20 Fahrten im Monat zur Verfügung stellen. Nach Ansicht des Landesrechnungshofs, der das Programm vor zwei Jahren untersuchte, stand damit die „private Nutzung der E-Pkw und nicht die Durchführung von Probefahrten im Vordergrund“. Nach Auffassung der Haushaltswächter verstieß das Programm überdies gegen das Haushaltsrecht des Landes. Denn um Elektrofahrzeuge zu testen, sei die Bevölkerung keineswegs auf die Landesverkehrswacht angewiesen, die für das Leasing der E-Fahrzeuge vom Land weitere 108 000 Euro überwiesen bekam.

Interessierte hätten vielmehr „auch ohne das Förderprojekt die Möglichkeit, Elektrofahrzeuge unterschiedlicher Hersteller kennenzulernen und zu testen“ – nämlich im Autohandel, so der Rechnungshof. Die Förderung sei daher nicht erforderlich und verstoße somit gegen die Landeshaushaltsordnung. Denn nach dieser müsse am Zweck von Förderprogrammen ein erhebliches Landesinteresse bestehen, das ansonsten nicht befriedigt werden könne.

Das Ministerium zieht jetzt gleichwohl ein überaus positives Fazit des Projekts. Alle Förderziele seien erreicht worden, schreibt der Spitzenbeamte an Haag. Zu diesen Zielen gehöre, das „Marktwachstum für emissionsfreie Fahrzeuge weiter zu beschleunigen“, indem eine baden-württembergweite E-Fahrzeug-Testflotte mit zugehöriger Informationskampagne aufgebaut werde. Als Erfolgskriterium für das Programm sei unter anderem definiert worden, dass innerhalb von drei Jahren mindestens 21 600 Probefahrten durchgeführt wurden. Dieser Wert wurde um gut 1000 überschritten – einschließlich der Privatfahrten der Moderierenden.

Moderierende ziehen positives Fazit

Bei der Befragung nach der Probefahrt hätten 87 Prozent angegeben, ihr Wissen zur E-Mobilität sei verbessert worden. Die Einstellung „Gut“ zu E-Autos habe vor der Probefahrt bei 37 Prozent und danach bei 64 Prozent gelegen. 85 Prozent der Moderierenden hätten angegeben, das Projekt sei sehr gut geeignet, um Privatpersonen über E-Autos zu informieren.

Fragesteller Haag ist von den Antworten nicht überzeugt. Dass die „Projektbegünstigten“ – gemeint sind die Moderierenden – das Projekt loben, sei wenig überraschend. Es mute überdies „skurril“ an, dass zusätzlich zu den Kosten für das E-Auto-Leasing mehr als das Doppelte an die Landesverkehrswacht floss – und das bei ehrenamtlich tätigen Moderierenden. Dass pro Probefahrt rechnerisch Kosten von 16,50 Euro angefallen sind, was nach Einschätzung des Ministeriums extrem wenig ist, tröste den Steuerzahler wenig, so Haag. „Bei einer Probefahrt im Autohaus zahlt man üblicherweise nichts.“

Wirtschaftsjurist: EU-Recht verletzt

Zu den Kritikern gehörte seinerzeit auch der Stuttgarter Wirtschaftsrechtsexperte Ulrich-Peter Kinzl von der Anwaltskanzlei BRP Renaud und Partner, der nicht nur einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht sah, sondern auch gegen das EU-Recht, das wettbewerbsverzerrende Subventionen verhindern soll. Mit Probefahrten, wie sie im Rahmen des Programms mit staatlicher Förderung angeboten werden, trete das Land in Konkurrenz zu gewerblichen Autohändlern.

Entscheidend für einen möglichen Rechtsverstoß sei dabei nicht, ob eine Tätigkeit wie die Probefahrten für das Land Gewinn abwerfe. Vielmehr komme es darauf an, ob es andere Interessierte gibt, die die subventionierte Tätigkeit ebenfalls ausübten oder ausüben wollten. Dies sei bei Probefahrten klar der Fall.

Weil die Gründe, die gegen eine Zulässigkeit der Auszahlung an die Verkehrswacht sprechen, von Anfang an klar ersichtlich gewesen seien, hielt Kinzl sogar den Vorwurf einer strafbaren Haushaltsuntreue für möglich. Wenige Tage später teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit, sie prüfe, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliege. Ein Ermittlungsverfahren wurde danach allerdings nicht eingeleitet. Zu den Gründen äußerte sich die Staatsanwaltschaft nicht.