Vom 27. Juli an ist die zentrale Innenstadtstrecke der S-Bahn in Stuttgart für sechs Wochen gesperrt. Weil die Bahn parallel dazu am Digitalen Knoten Stuttgart und die SSB an einer Netzerweiterung arbeitet, sind die Einschränkungen noch größer als zuletzt.
Für die ohnehin nicht verwöhnten Fahrgäste der S-Bahn Stuttgart beginnt am Samstag, 27. Juli, wieder die besonders bittere Zeit im Jahr. Zum bereits vierten Mal seit der Premiere im Sommer 2021 wird der zentrale Netzabschnitt zwischen Hauptbahnhof und Stuttgart-Vaihingen – die sogenannte Stammstrecke – während der Sommerferien komplett gesperrt. Davon sind sämtliche Linien des Stuttgarter S-Bahn-Netzes betroffen.
Rahmenbedingungen sind komplizierter
„Es gibt das gleiche Prozedere wie jedes Jahr“, erklärte Jürgen Wurmthaler, für den Verkehr zuständiger Direktor beim Regionalverband. Ihm war es im regionalen Verkehrsausschuss vorbehalten, auf die anstehenden Einschränkungen hinzuweisen, ein Vertreter der Bahn ergriff nicht das Wort. So ganz routiniert wird es dann aber doch nicht. „Kein Ersatzverkehr läuft reibungslos für alle Fahrgäste“, sagte Wurmthaler. Diese Erkenntnis dürfte zum einen auf den Erfahrungen aus den zurückliegenden Stammstreckensperrungen basieren und zum anderen auf dem Wissen, dass die Rahmenbedingungen in diesem Jahr nochmals komplizierter sind.
S-Bahnen nur alle halbe Stunde
Die S-Bahn-Linien sind in der Zeit der Sperrung zwischen dem 27. Juli und dem 7. September im 30-Minuten-Takt unterwegs. Allerdings weicht ihre Führung naturgemäß stark von ihrem üblichen Linien weg ab, denn die Haltestellen Hauptbahnhof tief, Stadtmitte, Feuersee, Schwabstraße, Universität und Österfeld sind während der Sperrung nicht zu erreichen.
Die S 1 wird zweigeteilt und fährt von Herrenberg nach Stuttgart-Vaihingen und vom Kopfbahnhof nach Kirchheim/Teck. Die S 2 ist von Filderstadt nach Stuttgart-Vaihingen und vom Kopfbahnhof nach Schorndorf unterwegs. Die S 3 pendelt zwischen Backnang und dem Hauptbahnhof oben. Die S 4 fährt von Marbach zum Hauptbahnhof, der Abschnitt bis Backnang bleibt wegen schwerer Unwetterschäden auf noch unabsehbare Zeit gesperrt. Die S 5 ist zwischen Bietigheim-Bissingen und dem Kopfbahnhof unterwegs. Die S 6 verkehrt zwischen Weil der Stadt und dem Hauptbahnhof, die S 60 lediglich zwischen Böblingen und Zuffenhausen. Die Express-S-Bahn-Linie 62 tut das, was sie meistens tut: Sie entfällt.
Ersatzbusse für die S-Bahn Stuttgart
Die Hauptlast des Ersatzverkehrs soll von einer Busflotte getragen werden. Sie fährt als Linie SEV 1 vom Arnulf-Klett-Platz nach Stuttgart-Vaihingen und hält unterwegs an den Haltestellen Stadtmitte, Feuersee, Schwabstraße, Westbahnhof, Universität und Österfeld. Die Busse sind alle zehn Minuten unterwegs, werktags in den Hauptverkehrszeiten alle fünf Minuten. Die Region wird die Schnellbuslinie X 60 zwischen Leonberg und Universität auf einen Halbstundentakt verdichten und in der Hauptverkehrszeiten sogar alle 15 Minuten auf die Strecke schicken. Rund 45 000 Euro nimmt sie dafür in die Hand.
Angespannte Situation bei den SSB
Noch teurer kommt die Region zu stehen, dass sie bei den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) unter der Woche in der Hauptverkehrszeit die Verlängerung der Stadtbahnlinie U 1 über deren regulären Endhalt im Vogelrain bis nach Vaihingen in Auftrag gibt. Etwas mehr als 205 000 Euro kostet das die Region. Dies sei „trotz der in diesem Jahr aufgrund des umfangreichen Zusatzverkehrs zur Fußball-EM angespannten Personalsituation möglich“, heißt es in der Sitzungsvorlage der Region. Bei den SSB hieß es zuletzt, der Sonderverkehr während des Fußballturniers habe zu 6700 zusätzlich geleisteten Dienststunden geführt.
S-Bahn zum Flughafen nur alle 30 Minuten
Die SSB sind auch gefordert, wenn es um die Erreichbarkeit des Flughafens in der Ferienzeit angeht. Weil die S-Bahn-Züge bei den zurückliegenden Sperrungen der Stammstrecke beim Pendeln zwischen Stuttgart-Vaihingen und dem Flughafen übermäßig in Mitleidenschaft gezogen wurden, fährt die Bahn dieses Jahr dort nur einen Halbstundentakt. Es sei jedoch davon auszugehen, dass die eingesetzten Langzüge der S-Bahn und die Stadtbahn U 6 die Nachfrage abdecken können. Parallel bauen die SSB an der Strecke der U 5 zwischen Möhringen und Leinfelden, die um eine Haltstelle verlängert wird. Bis zum 8. September ist dort eine Ersatzbuslinie unterwegs. Zwischen der Stuttgarter Innenstadt, Vaihingen und Böblingen wird es wieder einen stündlich fahrenden Zug via Panoramastrecke geben. Allerdings fährt der erst vom 2. August an. Denn die Bahn sperrt vom 30. Juli bis zum 2. August wegen weiterer Arbeiten für den Digitalen Knoten Stuttgart auch den Bahnhof Vaihingen. In dieser Zeit gilt dann nochmals ein ganz anderes Konzept. Dann geht auf der Strecke über den Flughafen nach Filderstadt nichts mehr und Richtung der Haltestelle Goldberg.
Zusätzliche Sperrung in Vaihingen
Die Linie S 60 wird vorübergehend zur S 61 und fährt von Zuffenhausen via Renningen und Böblingen nach Herrenberg. Zwischen Vaihingen und Filderstadt sind Ersatzbusse unterwegs ebenso wie zwischen Böblingen und dem Flughafen. Und auch der Fernverkehr ist betroffen. Die Gäubahn-ICs aus Zürich enden bereits in Vaihingen und fahren nicht zum Hauptbahnhof.
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen der Regionalräte reichten von zähneknirschendem Verständnis bis zu Defätismus. Ilona Koch (CDU) bemängelte, dass in den verteilten Handzetteln zwei unterschiedlich lange Zeiträume für die Sperrung angegeben seien. Bernhard Maier (Freie Wähler) fragte sich, warum die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) keinen Stadtbahnverkehr zwischen Vaihingen und Flughafen über die bereits gebaute Verbindungskurve bei Möhringen anböte. Michael Makurath (Mitglied der SPD-Fraktion) schwante, „dass die Realität noch viel grausamer sein wird als das Konzept“. Und Wolfgang Hoepfner (Linke/Pirat), selbst Stadtbahnfahrer, nannte die Zusagen der SSB mutig und hoffte, „dass das auch gut geht“.
Wird es 2026 noch heftiger?
Zur Abrundung lieferten sich Jürgen Wurmthaler und Regionalrat Philipp Buchholz (Grüne) noch ein kurzes Scharmützel, als es um den weiteren Ausblick ging. Denn die ursprünglich für die Jahre 2021 bis 2023 veranschlagten Stammstreckensperrungen wird es auch in den Sommermonaten 2025 und 2026 geben. Buchholz zitierte aus Bahn-Unterlagen, dass im Jahr 2026 zudem mit einer dreimonatigen Unterbrechung des Nordasts im Netz, auf dem die Linien S 4, S 5, S 6 und S 60 unterwegs sind, zu rechnen sei, damit die Streckenführung über die neue Haltestelle Mittnachtstraße eingerichtet werden könne. Wurmthaler konterte, er wisse nur von einer Stammstreckensperrung, die dann aber zehn Wochen dauern solle. Der Verkehrsdirektor riet dazu, „nicht in Beliebigkeit zu gackern“. Der Ruf nach konkreten Plänen für diese Zeiträume komme zu früh.