Am Erwin-Schoettle-Platz haben die Bauarbeiten schon begonnen. Foto: Ferdinando Iannone

Nur drei Haltestellen im Stuttgarter Süden werden für 80-Meter-Stadtbahnen verlängert. Was dafür aber alles umgekrempelt muss, hat eine Führung für betroffene Bürger verdeutlicht.

Längere Bahnsteige an drei Stadtbahnstationen. Auf den ersten Blick wirkt das, was die Stuttgarter Straßenbahnen und das städtische Tiefbauamt bis zum Mai des kommenden Jahres beschäftigen und den Anwohnern im Stuttgarter Süden einiges an Sperrungen und Umwegen abverlangen wird, eher banal. In den kommenden Monaten werden im Stuttgarter Süden die Bahnsteige der Stationen der Erwin-Schoettle-Platz, Bihlplatz und Südheimer Platz für längere Stadtbahnen passend gemacht. Erste Bauarbeiten haben begonnen.

 

SSB: Ende 2026 kommen lange Züge auf die U 1

Ende 2026 will die SSB dann soweit sein, und mit der Stadtbahnlinie U 1 zwischen Fellbach und Heslach mit zwei aneinander gekoppelten Stadtbahnen, den so genannten 80-Meter-Zügen, fahren können, wie das schon auf der U 6, U 7, U 11 und der U 12 möglich ist. Im Norden der Strecke sind bis auf die Endstation in Fellbach schon alle Stationen fertig.

SSB-Projektleiterin Carmen Hölsch (Mitte) erläutert am Erwin-Schoettle-Platz die dort schon begonnenen Bauarbeiten Foto: Ferdinando Iannone

Wie komplex das Vorhaben entlang von nur 1,5 Kilometern Trasse aber ist, hat jetzt die SSB-Projektleiterin Carmen Hölsch auf einer Bürger-Führung deutlich gemacht. „Die Gleise kommen weg, Straße und Gehweg werden verschoben – wir bauen alles um“, sagte sie beispielsweise am Startpunkt Schoettle-Platz. Die ganze Optik werde sich verändern: „Das ist ein Gesamtkonzept.“ Dies bedeute aber auch eine längere Bauphase, sagte SSB-Infrastrukturchef Alexander Schirling: „Zusammen mit den Straßenbaumaßnahmen bauen wir etwa ein Jahr.“

Vom 15. September an bis zum 19. Dezember fahren auf dem betroffenen Abschnitt keine Züge. Einen Bus-Ersatzverkehr gibt es zwischen Marienplatz und Heslach-Vogelrain.

Stadtbahn in Stuttgart: Erhebliche Einschränkungen für Anwohner

Die Führung wurde vor allem von betroffenen Anwohnern genutzt, die während der Bauzeit teilweise mit erheblichen Einschränkungen leben müssen. Wie kann ich als gehbehinderte Anwohnerin während der Zeit des Bustaxis mir ein SSB-Flex Sammeltaxi bestellen? Was mache ich, wenn ich mit meinem Auto nicht mehr zum Parkplatz komme?

Noch während des Spaziergangs wurden sogar die Bezahlmöglichkeiten fürs Sammeltaxi recherchiert. Und wer nicht mehr parken kann, bekommt einen Gratis-Anwohnerparkausweis – und muss sich dann aber für einige Monate auf die Suche nach den spärlichen Plätzen im Stuttgarter Süden machen. Selbst an die Müllabfuhr ist gedacht, wenn die Eimer nicht mehr zum Abholort gebracht werden können. Das erledigen dann die Baufirmen.

Bihlplatz: Eine der engsten Passagen im Stadtbahnnetz

Wer vom Charlottenplatz aus kommend einige vor Jahrzehnten großzügig im U-Bahn-Stil ausgebaute Untergrundstationen durchquert hat, der erlebt auf dem von der U 1 und der U 14 befahrenen Streckenast einen extremen Kontrast. Wie nirgends sonst im Stadtgebiet fahren die Stadtbahnen bei den nun umgebauten Stationen auf engstem Platz mitten im Straßenraum.

Besonders deutlich wird dies am Bihlplatz, wo die Bahnsteige für jede Fahrtrichtung seitlich versetzt werden mussten. Hier gibt es für den Umbau nur eine radikale Lösung: Die bisher sich auf der Straße sanft schlängelnden Gleise müssen herausgerissen und begradigt werden. Dieser schwierige Faktor sorgt schon allein für drei Monate Bauzeit. Dafür müssen auch Gehwege umgebaut werden. Selbst dann fügt sich der künftige, doppelt so lange Bahnsteig nur knapp in die Lücke zwischen den Häusern.

„Wir haben da einiges hin- und herdeichseln müssen, dass es gerade so passt“, sagt Schirling. Mit dem Gefühl, wenn eine 80-Meter-Stadtbahn sich durch die enge Straßenpassage schlängele, seien die Anwohner allerdings vertraut: „Heute fahren doch schon die langen Züge der Volksfestlinie U11 zum Depot in Heslach hier durch.“

Die Planerin spricht von künftiger Flaniermeile

Doch bei der Führung war weniger vom künftigen Bahnbetrieb die Rede, sondern von den zahllosen städtebaulichen Details. Von der teilweise überfälligen Sanierung des Straßenbelags, bis hin zur städtebaulichen Möblierung wird der betroffene Bereich an vielen Stellen ein neues Gesicht bekommen. Mehr Sitzgelegenheiten, Fahrradbügel, eine Freitreppe, die den Bihlplatz auflockern soll und immer wieder Bäume und neue Grünflächen. Es gibt sogar einen Plan wie das aktuelle „Schwätzbänkle“ vor der Kreuzkirche neu platziert und aufgewertet werden kann. „Das wird eine Flaniermeile“, sagte SSB-Projektleiterin Hölsch.

Bei den in Gedanken schon einmal mitflanierenden Bürgern haben die vielen Details durchaus für Eindruck gesorgt. „Das zeigt die ganze Komplexität – das hätte ich nicht erwartet“, so kommentierte einer ganz am Ende der Führung.