Ihr großes Ziel sind die Olympischen Spiele: Darja Varfolomeev fühlt sich mit Band und Weihnachtsbaum in Schmiden wohl. Foto: Eva Herschmann

Die 13-jährige Darja Varfolomeev aus Nowosibirsk, seit zehn Monaten am Bundesstützpunkt in Schmiden, schickt sich mit Unbekümmertheit und Selbstbewusstsein an, eine neue deutsche Hoffnung auf internationaler Bühne zu werden.

Schmiden - Darja Varfolomeev weiß genau, was sie will. Auch zu Weihnachten. Auf ihrem Wunschzettel stehen neue Gymnastikanzüge und ein Paar neue Keulen. „Aber nicht die billigen aus Plastik, sondern die aus hochwertigerem Kunststoff, die liegen beim Fangen besser in der Hand“, sagt die 13-Jährige aus Nowosibirsk, die seit ihrer Ankunft Anfang dieses Jahres die Juniorinnen-Szene in der Rhythmischen Sportgymnastik aufmischt.

Seit zehn Monaten lebt Darja Varfolomeev im dem Stützpunkt angegliederten Internat in Schmiden

Darja Varfolomeev lacht gerne und viel. Fröhlich springt sie durch die Gänge im Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik in Schmiden und strahlt beim Posieren vor der Kamera mit Band und Weihnachtsbaum. Aber wenn der zierlichen Gymnastin im Training etwas partout nicht gelingen will, kann sie regelrecht explodieren. „Sie ist sehr ehrgeizig“, sagt Kathrin Igel, die Schmidener Stützpunktleiterin, mit einem Augenzwinkern. Der Ehrgeiz, das große Talent, gepaart mit einer Unbekümmertheit und viel Selbstbewusstsein machen Darja Varfolomeev für Katrin Igel zu einem Glücksfall für die deutsche Sportgymnastik. Seit zehn Monaten lebt Darja Varfolomeev im dem Stützpunkt angegliederten Internat in Schmiden, rund 5750 Kilometer von Zuhause weg. Doch das ist für das extrovertierte Mädchen überhaupt kein Problem. „Mir gefällt es hier gut“, sagt Darja Varfolomeev. Die deutsche Sprache versteht sie nahezu perfekt, auch dank eines deutschen Opas, und das Reden klappt immer besser. Seit wenigen Wochen – nach einer Eingliederungsphase in der Zeppelinschule in Fellbach – besucht sie die Albert-Schweitzer-Schule, und in ihrer Klasse 6b ist die talentierte Gymnastin längst angekommen.

Erfolgreicher als Darja Varfolomeev ist derzeit nur die zwei Jahre ältere Margarita Kolosov

„Die Lehrer sind ganz begeistert von ihr“, sagt Kathrin Igel. Nicht nur die Pädagogen sind angetan. Auch die Trainer schwärmen von dem Talent, das sich anschickt, eine neue deutsche Hoffnung auf internationalem Teppich zu werden. Yuliya Raskina, ihre Trainerin, erwartet in Zukunft einiges von Darja Varfolomeev. Auch Isabell Sawade, die Teamchefin für Rhythmische Sportgymnastik beim Deutschen Turner-Bund (DTB), hält große Stücke auf die Kleine, die am vergangenen Wochenende beim internationalen und gut besetzten Winter-Cup in Leverkusen drei Silbermedaillen gewann. „Darja ist ein riesiger Gewinn für uns. Ich schätze ihre Euphorie für den Sport, sie lebt dafür und sprüht vor Energie, und wenn ich ihr begegne, hat sie immer gute Laune. Ich freue mich, dass wir sie haben.“

Erfolgreicher als Darja Varfolomeev ist derzeit nur die zwei Jahre ältere Margarita Kolosov, die in Leverkusen im Finale mit den Keulen Gold gewann und von Januar an in der Meisterklasse starten wird. Das Talent von Darja Varfolomeev kommt nicht von ungefähr. Ihre Mutter Tatjana, die vor ihrer Heirat Enns hieß, war vor rund 20 Jahren ein großes Gymnastiktalent. „Sie wollte zu den Olympischen Spielen, doch dann hat sie sich am Knie verletzt“, sagt Darja Varfolomeev. Was der Mutter versagt blieb, will die Tochter nachholen. „2028 in Los Angeles will ich dabei sein, vielleicht auch schon 2024 in Paris, zusammen mit Margarita.“ In Schmiden, wo die besten Gymnastinnen des Landes trainieren, soll der Grundstock dafür gelegt werden.

Mit leuchtenden Augen erzählt sie von Torri, dem Chihuahua, der nach der italienischen Lieblingsstadt ihrer Mutter benannt ist

So wohl sich Darja Varfolomeev in ihrem neuen Leben in Deutschland fühlt, sie freut sich riesig auf die Weihnachtsferien. Es ist das erste Mal, seitdem sie in Schmiden trainiert, dass sie nach Hause reist. Zwei Wochen wird sie daheim bei ihren Eltern und ihrem älteren Bruder in Nowosibirsk verbringen, wo der Schnee fast meterhoch liegt. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von Torri, dem Chihuahua, der nach der italienischen Lieblingsstadt ihrer Mutter benannt ist, und den zwei Katzen, die erst einmal wohl wegen ihrer langen Abwesenheit beleidigt tun werden, bevor sie die Rückkehrerin doch schnurrend und miauend mit Beschlag belegen.

An diesem Samstag macht sich die 13-Jährige auf die lange Heimreise. Ihre Großeltern mütterlicherseits, die in Aschaffenburg wohnen, holen sie in Schmiden ab und bringen sie zum Zug. Von da an ist Darja Varfolomeev auf sich allein gestellt. Erst geht es auf Schienen nach München, dann rund sechs Stunden mit dem Flugzeug nach Nowosibirsk.

Ob die Eltern den Wunschzettel von Darja Varfolomeev gelesen haben und das Christkind ihr neue Gymnastikanzüge und Keulen bringt, wird sich erst etwas später weisen. Zwar wird der Heiligabend bei Familie Varfolomeev groß gefeiert, mit Verwandten und Freunden und einem Tisch voller Essen. „Die Geschenke gibt es bei uns aber erst am 31. Dezember oder 1. Januar“, sagt Darja Varfolomeev.