Nähmaschinen, Uhren, Stereoanlagen, sogar Rasenmäher – gut zwei Dutzend Tüftler bringen so gut wie alle Haushaltsgeräte und Spielsachen wieder zum Laufen. Wenn etwas nicht mehr funktioniert, muss es noch längst auf den Müll.
Manfred Watmann sagt, er sei eigentlich der Spezialist für alte Nähmaschinen. Der 73-jährige Rentner begutachtet an diesem Samstagvormittag im Repair-Café in der Fußgängerzone in Marbach allerdings zunächst eine geschätzt rund 100 Jahre alte Uhr. Neben ihm sitzt die Dame, die diese Uhr mitgebracht hat, und erzählt, dass die Zeiger zu schnell liefen. Das sei ungünstig, erklärt sie mit einem Grinsen, „denn die Zeit vergeht zu schnell“. Watmann, der früher in der Abteilung für Qualitätssicherung der Firma Bosch gearbeitet hat, öffnet das Holzgehäuse der Uhr und findet ziemlich flott den Fehler. Bald packt die Dame ihre Uhr wieder ein und fragt: „Was kostet das?“ Nichts. Sie dürfte aber gerne eine kleine Spende da lassen.
Watmann sagt, es freue ihn immer wieder, wenn er „den Kunden“ eine Freude machen könne. Und dann widmet er sich wieder seinem Spezialgebiet, zu dem er offenbar gekommen ist wie die Jungfrau zum Kind. Vor ihm steht eine Nähmaschine von Quelle, Baujahr 1959, Modell Ideal Zick Zack Spezial. Aus irgendeinem Grund landen immer wieder defekte Nähmaschinen auf seinem Tisch, erzählt er. Watmann hat sich also reingefuchst in die Materie. Die 65 Jahre alte Maschine gehört einer Frau, sie hat das gute Stück am Morgen dagelassen. Manfred Watmann hat die Maschine bereits zerlegt und gesäubert. Bis dato hat er den Fehler nicht gefunden. Aber er hat ja noch Zeit, es ist erst 11 Uhr, die temporäre Werkstatt ist bis 13 Uhr geöffnet. Das wird schon noch, gibt er zu verstehen – und macht sich an die Arbeit.
Alle paar Wochen wird das Erdgeschoss des Gebäudes Marktstraße 15 zum Repair-Café, in dem passionierte (Hobby)Handwerker alle möglichen Gerätschaften wieder auf Vordermann bringen. Jürgen Groß, 58, Architekt, ist Gründungsmitglied dieser Initiative. Er erzählt, dass er schon immer gerne gebastelt und getüftelt hat. Zum Team gehören gut zwei Dutzend Helfer, fast nur Männer. Gleichgesinnte. Ein wichtiges Ziel der Ehrenamtlichen ist es, das möglichst wenig Geräte weggeworfen werden. Alle Welt redet von Nachhaltigkeit, im Repair-Café wird Nachhaltigkeit gelebt.
Kann der Heißgetränkespender repariert werden?
Schräg gegenüber vom Nähmaschinen-Spezialisten Watmann widmet sich Ole Hensen einem fast neuen, doppelwandigen Heißgetränkespender – Modell Korona (das Gerät heißt wirklich so). Den Spender hat Karin Hesel mitgebracht. Die Frau aus Marbach erzählt, dass ihre Tochter das Gerät erst kürzlich gekauft habe, beim ersten Ausprobieren sei in ihrer Wohnung aber die Sicherung rausgeflogen. Und jetzt traue diese sich gar nicht mehr, den Spender in Betrieb zu nehmen. Die Enkelin von Karin Hesel, die neunjährige Avy, sitzt neben der Oma und nickt. Ole Hensen, er ist von Beruf Physiotherapeut, findet den Fehler flott: ein defektes Lämpchen. Ein paar Schritte weiter legt Bettina Rose ein defektes Dampfbügeleisen auf den Tisch und dann erzählt sie. Von mehreren Besuchen im Gebäude Marktstraße 15. „Das Repair-Café ist eine tolle Sache.“ Am Tisch nebenan tüftelt der Elektroingenieur Uli Köpf an einem Spielzeugauto, dessen Fernsteuerung den Geist aufgegeben hat.
Silvia Deuschle ist an diesem Tag aus Höpfigheim nach Marbach gekommen. Der Maschinenbau-Ingenieur Klaus Lang hat soeben ihren elektrischen Aktenvernichter instandgesetzt. Dann erzählt sie ein wenig verlegen von ihrem Rasenmäher, der lasse sich nicht mehr anwerfen. Irgendwas klemme. Klaus Lang begleitet Silvia Deuschle zu ihrem Auto, in dem der Rasenmäher steht. Ein geschulter Blick, ein paar Handgriffe – und der Anlasser lässt sich wieder betätigen.
Nachbarorte wollen auch Repair-Cafés gründen
Ob das Problem aber wirklich und langfristig gelöst ist, das lasse sich auf die Schnelle nicht feststellen, erklärt der Helfer. Der Tipp des Experten: säubern, das Öl wechseln und dann nochmal probieren. Im Repair-Café schaut unterdessen Helmut Riegraf vorbei. Der Mann aus dem Nachbarort Kirchberg hat kein defektes Gerät im Gepäck, sondern jede Menge Fragen. Er und ein paar Gleichgesinnte denken darüber nach, in Kirchberg ein Repair-Café zu eröffnen, und sie wollen unter anderem wissen: „Wie ist das mit der Haftung?“ Jürgen Groß sagt, das sei ganz einfach. Jeder Kunde und jede Kundin müsse ein Formular ausfüllen und unterschreiben, in dem steht: „Wir weisen darauf hin, dass mit der Teilnahme an der heutigen Veranstaltung keine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen wird, das heißt kein Vertrag abgeschlossen wird. Die Reparaturen beziehungsweise die ehrenamtliche Unterstützung hierbei sind kostenlos.“ Und weiter: Nur im Falle des Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit werde Verantwortung übernommen. Zudem, so Jürgen Groß weiter, gebe es eine Versicherung sowie den Verband offener Werkstätten, den man um Rat fragen könne. Gut möglich also, dass schon bald im benachbarten Rems-Murr-Kreis ein weiteres Repair-Café eröffnet wird. Bereits am Morgen waren ein paar Leute aus Neckarweihingen zu Besuch, die Männer spielen mit dem Gedanken, in dem Ludwigsburger Stadtteil ein Repair-Café einzurichten.
Kurz bevor die Arbeit im Marbacher Repair-Café für diesen Samstag beendet wird, zählt Jürgen Groß die Formulare der Kunden, die bis kurz vor 13 Uhr waren: gut zwei Dutzend. Instandgesetzt wurden unter anderem ein Fahrrad, eine Stereoanlage und eine Kaffeemaschine.
In der Regel würden 80 bis 90 Prozent aller Defekte behoben, sagt Groß. Besonders oft kämen Kunden mit Haushaltsgeräten und CD-Playern. Roland Pfleiderer hat an diesem Tag eine gut 20 Jahre alte Stereoanlage mit der S-Bahn nach Marbach transportiert. Einer der Tüftler hat die verklemmte CD-Schublade der Anlage wieder gangbar gemacht. Pfleiderer sagt, er sei ganz happy. Sein Helfer ist ein Mann, der bei einem großen Automobilhersteller in leitender Position in der IT-Abteilung arbeitet, aber „lieber nicht“ namentlich in der Zeitung genannt werden möchte, er sagt: Die ehrenamtliche Arbeit im Repair-Café sei für ihn ein tolles Hobby und bringe ihm Entspannung – ein toller Ausgleich zum Berufsalltag, den er vornehmlich vor dem Computerbildschirm und am Telefon verbringt. „Die Arbeit im Repair-Café ist ein Genuss für jeden von uns“, ruft Manfred Watmann, der Nähmaschinen-Spezialist, und lacht. Er hat übrigens noch herausgefunden, warum die Quelle-Maschine von 1959 nicht funktioniert. Ein Kondensator sei defekt. Eigentlich werden die Kunden in solchen Fällen gebeten, das Ersatzteil selbst zu besorgen und dann beim nächsten Besuch im Repair-Café mitzubringen. Doch in diesem Fall macht Manfred Watmann eine Ausnahme. Der Kondensator für das betagte Gerät sei vermutlich nicht so leicht aufzutreiben, aber er habe da eine Bezugsquelle. Sagt’s, grinst und ergänzt: Er sei ständig auf der Suche nach Ersatzteilen, denn „meine Frau hat immer wieder Geräte, die repariert werden müssen.“
Was wird repariert?
Geöffnet
Das Repair-Café im sogenannten Treffpunkt Q im Gebäude Marktstraße 15 in Marbach soll das nächste Mal am Samstag, 20. Juli, geöffnet werden, von 9 Uhr bis 13 Uhr.
Geräte
Die Kunden werden gebeten, vorab per E-Mail (info@repaircafe-marbach.de) mitzuteilen, mit welchen Geräten sie vorbeikommen wollen. Ausgeschlossen sind Fernseher, Haushalts-Großgeräte, Geräte mit Benzinmotor, Tintenstrahldrucker sowie Geräte zur Mundhygiene, also zum Beispiel elektrische Zahnbürsten. Ausschließlich auf Vereinbarung können zudem Näharbeiten ausgeführt werden.