Michael Ballweg hat ein T-Shirt mit Botschaft und ein ganzes Team von Anwälten. Foto: dpa/Marijan Murat

Der Gründer der „Querdenken“-Bewegung soll einen hohen sechsstelligen Betrag aus Schenkungen anders verwendet haben, als er es den Geldgebern in Aussicht gestellt hatte. Wie reagiert er auf die Vorwürfe beim Prozessauftakt in Stuttgart?

Nur knapp eine Stunde lang hat am Mittwoch der Auftakt des Prozesses gegen den Stuttgarter Unternehmer und „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg gedauert. Denn eine von den Verteidigern im Vorfeld in Aussicht gestellte Erklärung kam dann doch nicht, stellte das Anwaltsteam klar. Und auch sonst werde man an den ersten Verhandlungstagen in Stuttgart wenig von Ballweg hören: Er werde sich weder zur Person noch zu den Tatvorwürfen äußern, kündigten die Anwälte an. Dafür waren eigentlich die kommenden zwei Verhandlungstage vorgesehen.

Das Gericht werde umplanen, sagte die Vorsitzende Richterin. Dann ging erst mal alles nach Plan. Die Staatsanwaltschaft trug vor, was sie Ballweg vorwirft: Versuchten Betrug in besonders schwerem Fall sowie vollendete und versuchte Steuerhinterziehung. Und da ging es aus Sicht der Anklagevertretung um beträchtliche Summen.

Michael Ballweg (rechts) betritt strahlend den Gerichtssaal. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Michael Ballweg rief kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 die Bewegung „Querdenken“ ins Leben. Erfolgreich klagte er dafür, trotz des Verbots von Menschenansammlungen im April 2020 auf dem Stuttgarter Schlossplatz eine erste „Mahnwache für das Grundgesetz“ abhalten zu dürfen. Es kamen mehrere Dutzend Teilnehmende. Die Demos wuchsen schnell auf mehrere Tausend Personen an.

Mehr als eine Million bekommen

Ballweg soll von Mai 2020 an auf der Homepage „Querdenken 711“, auf Flyern und Veranstaltungen dafür geworben haben, die Arbeit von „Querdenken“ mit Geldschenkungen zu unterstützen. Die Bitte um Schenkungen habe er damit begründet, dass er noch an der Zulassung als gemeinnützige Organisation arbeite und solange noch keine Spenden sammeln dürfe. Dabei habe er vorgehabt, aus dem Geld seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und sein Vermögen zu vermehren, so die Anklage.

Auf der Homepage habe gestanden, die Gelder würden ausschließlich zweckgebunden verwendet werden. Das habe nicht gestimmt, insofern habe Ballweg hier die Schenkenden getäuscht. Bekommen habe er mehr als 1,2 Millionen Euro.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er einen Teil des Geldes auch für die Arbeit von „Querdenken“ verwendete. Rund 575 929 Euro davon soll er jedoch für sich benutzt haben. Die Staatsanwältin las eine Liste von Überweisungen vor, die mit Betreffzeilen wie „zinsloses Darlehen“ versehen gewesen seien. Die Ermittelnden sehen darin einen besonders schweren versuchten Betrug, tateinheitlich in 9450 Fällen – das seien Zuwendungen zwischen einem Cent und 25 000 Euro gewesen.

Bei den Befragungen der Geldgeberinnen und -geber sei herausgekommen, dass einige kein Problem damit gehabt hätten, wenn der „Querdenken“-Gründer auch Geld für sich verwendete. Man habe daher zu Ballwegs Gunsten angenommen, dass von diesen Personen das Geld stamme, das nicht zweckgebunden ausgegeben wurde. Andere wollten nur für die Bewegung etwas geben, erläuterte Stefanie Ruben, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, nach dem Prozessauftakt. Der Tatvorwurf des versuchten Betrugs ergebe sich daraus, dass Ballweg beim Einwerben der Schenkungen falsche Angaben gemacht habe, so Ruben weiter. Außerdem wird Michael Ballweg versuchte und vollendete Steuerhinterziehung vorgeworfen. Auch bei diesem Anklagepunkt geht es um sechsstellige Beträge.

Michael Ballweg verfolgte den Prozessauftakt im Outfit mit Statement: „Freiheit wird aus Mut gemacht“ und eine Friedenstaube waren auf sein weißes T-Shirt gedruckt. Darüber hatte er eine Sweatjacke mit Kapuze an, ebenfalls mit Botschaft: Im Stil amerikanischer Sporttrikots stand auf dem Rücken statt des Mannschaftsnamens „Weltfrieden“ und die Spielernummer 01.

Auch wenn er im Gerichtssaal nichts sagen wollte, trat er danach vor die Presse: „Ich denke heute war ein wichtiger Tag für Deutschland. Die Aufarbeitung hat jetzt begonnen“, sagte er. Im Laufe der Coronazeit habe dann „diese verrückte Verfolgung von Maßnahmen-Kritikern“ stattgefunden. Diese werde nun in seinem Fall aufgearbeitet. Er sei „bei Weitem nicht der Einzige, der staatlichen Repressionen unterlegen ist“, so der Unternehmer. Er gehe „als leuchtendes Beispiel voran und gehe mit Fassung durch“. Warum er dann nichts zur Sache sage, beantwortete er nicht.

Die erste Demo: Michael Ballweg bei der „Mahnwache für das Grundgesetz“ im April 2020 auf dem Schlossplatz. Foto: Lichtgut/Julian Rettig (Archiv)

Ballwegs Presseanwalt Alexander Christ nannte die Anklageschrift „zusammengesetzt“ und „ein Erzählungswerk“, das nicht zur Anklage tauge. Die Art der Darstellung sei „lückenhaft und unkorrekt“, zur rechtlichen Wertung werde man im Laufe des Verfahrens noch Stellungnahmen abgeben. „Querdenken“ und Michael Ballweg stünden „für eine transparente Aufklärung“. Ballweg hatte im Zuge der Ermittlungen von Ende Juni 2022 bis Anfang April 2023 in Untersuchungshaft gesessen.

Das Verfahren wird am 15. Oktober fortgesetzt. Bislang stehen mehr als 30 Termine fest. Das Landgericht habe die Verfahrensbeteiligten gebeten, sich die Dienstagstermine bis Jahresende 2025 freizuhalten, falls die Zeit bis Ende April nicht reicht, um das Verfahren abzuschließen.