Gewalt gegen Frauen ist keine Seltenheit. In Stuttgart-Ost wurde im Januar eine 25-Jährige in einem Wohnhaus getötet. Foto: imago/Shotshop

Im Prozess um die Tötung einer jungen Frau in der Landhausstraße im Stuttgarter Osten sagt die Mutter vor Gericht aus. Mit dem mutmaßlichen Täter hatte das Opfer bereits zuvor Kontakt.

Schon knapp eine Stunde vor Prozessbeginn wird es emotional. Die Mutter der getöteten 25-Jährigen, um deren Fall es später gehen wird, erscheint vor dem Landgericht Stuttgart. Sie begrüßt die 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich für eine Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude positioniert haben. Mehr als einmal muss sie sich dabei Tränen aus dem Gesicht wischen.

 

Das Frauenkollektiv Stuttgart hatte zu der Mahnwache unter dem Motto „Femizide stoppen!“ aufgerufen. Den Aktivistinnen geht es vor allem darum, darauf aufmerksam machen, dass der Fall der Studentin Aleyna kein Einzelfall ist. „Wir wollen nicht, dass vergessen wird, was passiert ist. Viel zu oft ist ein Mord an einer jungen Frau eine Schlagzeile, die nach wenigen Wochen aus den Köpfen der Menschen verschwindet“, sagt Ira. „Das sind keine Einzeltaten. Das ist ein Skandal, deswegen stehen wir heute hier. Es muss aufhören“, ergänzt Marie.

Staatsanwaltschaft geht von Mord aufgrund von Eifersucht aus

Im Gerichtssaal geht es später nicht weniger emotional zu, als die Mutter als Zeugin aussagt. Ihre Tochter wurde am 10. Januar dieses Jahres tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie von einem 34-jährigen Mann vor ihrer Wohnungstür abgepasst und aus Eifersucht erstochen wurde, weil er sie mit einem anderen Mann im Fitnessstudio gesehen hatte. Im Mai erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Mordes.

Mit Foto, Kerzen und Rosen erinnerten Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Mahnwache an die getötete 25-Jährige. Foto: Julian Meier

Nach dem Prozessauftakt vor zwei Wochen machte der Angeklagte am Dienstagvormittag Angaben zu seinem Lebenslauf, nicht aber zu der ihm vorgeworfenen Tat. Am Nachmittag sagte dann die Mutter des Opfers aus. Dabei stockte ihre Stimme immer wieder, als sie über das enge Verhältnis zu ihrer Tochter sprach.

Tochter soll sich im Fitnessstudio unwohl gefühlt haben

„Ich habe nicht nur meine Tochter verloren, sondern viel mehr“, sagt sie gleich zu Beginn. Als ehrgeizig, fleißig und zielstrebig beschreibt sie ihre Tochter, die Philosophie und Germanistik auf Gymnasiallehramt studiert hatte. Sie habe sich extrem hohe Ziele gesetzt und sei stressbedingt deswegen schon zweimal zusammengebrochen. Den Sport habe sie als Ausgleich gebraucht, um Druck abzubauen.

Meistens sei sie schon morgens ins Fitnessstudio gegangen. In diesem Zusammenhang habe sie ihr davon berichtet, dass ein Mann „auffällig oft“ dagewesen sei, sie oft angestarrt und sie sich deshalb unwohl gefühlt habe. Als sie ihrer Tochter riet, zu einer anderen Tageszeit ins Studio zu gehen, sei der Mann eines Tages plötzlich vor ihr gestanden und habe gesagt: „Du, ich wollte dir sagen, ich bin öfters am Tag hier.“

Opfer stand kurz vor dem Ende des Studiums

Komischerweise sei der Mann, den ihre Tochter als groß und schlank beschrieben habe, immer dagewesen, wenn sie auch da war. Selbst beim Einkauf im nahegelegenen Supermarkt sei er eines Tages plötzlich vor ihr gestanden. Weil der Mann gegenüber anderen Frauen aber auch bedrängend gewesen sei, habe sie sich keine größeren Gedanken gemacht.

Um die Jahreswende habe ihre Tochter ihren Freund kennengelernt. Zusammen mit ihm wollte sie nach dem Ende ihres Studiums in die Schweiz gehen, um dort ein Praktikum zu machen. „Sie wäre ein Riesenreichtum für die ganze Gesellschaft gewesen“, sagt die Mutter mit Blick auf die höfliche Art der jungen Frau. „Ich will für meine Tochter hier stehen und ihr ein Gesicht geben. Und auch für andere Frauen.“

Ein Gespräch, das die Zeugin schildert, bringt die ganze Tragik des Falls auf den Punkt. Nur wenige Wochen vor ihrem Tod habe sich die Tochter bei ihr besorgt gezeigt: „Mama, es sind so viele Messerangriffe in Stuttgart. Das ist sehr erschreckend.“ Kurz darauf wurde sie selbst Opfer einer Messerattacke, sie starb im Eingangsbereich ihrer Wohnung. An den Konsequenzen leidet die Mutter noch heute: „Unser ganzes Leben, wie wir es uns jahrzehntelang aufgebaut haben, ist zertrümmert.“

Mordprozess am Landgericht Stuttgart

Termine
Für den Prozess um die Tötung einer 25-Jährigen in der Landhausstraße in Stuttgart sind insgesamt zwölf Verhandlungstermine angesetzt. Nach dem Prozessaufakt am 14. Juli geht es am Freitag um 9 Uhr weiter. Der letzte Termin ist derzeit für den 8. Oktober vorgesehen.