Die Stadt will im Rotlichtviertel gegen die Hintermänner der illegalen Prostitution vorgehen Foto: Peter Petsch

Der Plan der Stadtverwaltung, das Leonhardsviertel zum Klein St. Pauli zu machen, scheint vom Tisch. Zum Jahresende soll das neue Konzept zur Regulierung der Sexbetriebe im Rotlichtviertel vorliegen. Außerdem will die Stadt jetzt gegen den Wirt des Hotels Türmle, eines Bordellbetriebs, vorgehen.

Stuttgart - Die Proteste der Anwohner gegen die Auswüchse der Prostitution rund ums Leonhardsviertel reißen nicht ab. Nach der Unterschriftenaktion im Sommer haben Anwohner jetzt juristische Schritte gegen die Stadtverwaltung angedroht, wenn diese nichts gegen die Belästigung der Anwohner durch Freier und Prostituierte unternimmt. Im Mittelpunkt der Kritik steht das Hotel Türmle in der Katharinenstraße. Die Prostituierten, die dort ihrem Gewerbe nachgehen, werben ihre Kundschaft auf der Straße an. Das ist im Sperrbezirk, zu dem die gesamte Innenstadt gehört, verboten.

Rechtsanwalt Roland Kugler, Vertreter der Anwohner, teilte jetzt mit, dass Ordnungsbürgermeister Martin Schairer zugesichert habe, den unhaltbaren Zustand zu unterbinden – und zwar nicht nur durch verstärkte Kontrollen der Prostituierten, sondern dadurch, dass man gegen deren Hinterleute vorgeht. Das heißt konkret, dass der Betreiber des Hotels Türmle mit Konsequenzen rechnen muss. „Wir werden juristisch prüfen, ob durch den Zusammenhang zwischen Gaststätte, Hotel und Prostitution im Türmle nicht eine Begünstigung der Prostitution vorliegt“, sagt Schairers Sprecher Hermann Karpf. Der Versuch wurde bisher nicht unternommen, weil die Prostituierten offiziell Hotelgäste sind und in den Zimmern treiben können, was sie wollen.

Gewalt zwischen Türken und Albanern

Erste Auswirkungen von Kuglers Vorstoß bei der Stadt soll es bereits geben: „Der Betreiber fürchtet, dass ihm die Gaststättenkonzession entzogen wird, und hat die Frauen von der Straße reingeholt“, sagt ein Anwohner aus dem benachbarten Leonhardsviertel und stellt fest, dass jetzt mehr Prostituierte dort auf der Straße stehen und die Schlägereien zugenommen haben. Erst vergangene Woche habe es zwischen einer türkischen und einer albanische Gruppe gewaltsame Auseinandersetzungen gegeben. Die Polizei bestätigt das. Allerdings habe sich die Situation dort nicht verschärft, so ein Beamter. In dem Viertel seien rund um die Uhr Polizeistreifen unterwegs. Der Städtische Vollzugsdienst ist laut Karpf in dem Bereich seit Wochen verstärkt im Einsatz. „Mal sehen, wie lang wir das personell durchhalten“, sagt er.

Im vergangenen Sommer hatte die Stadtverwaltung zugesagt, bis zu diesem Herbst ein Gesamtkonzept zur Regulierung der Prostitution in der Altstadt vorzulegen. Ende des Jahres soll es endlich so weit sein. Allerdings sind einige ursprüngliche Pläne gekippt worden. Um die Prostitution in Griff zu bekommen, sollten die Sexbetriebe links die Leonhardstraße hoch und rechts die Weberstraße runter konzentriert und legalisiert werden. Außerhalb dieses Klein St. Pauli sollte es keine Prostitution mehr geben. Die Vorlage dazu lieferte das Lörracher Stadtentwicklungsbüro Acocella.

Zahl von etwa 90 Prostituierten dürfe nicht steigen

„Das Vorhaben wird nicht umgesetzt“, sagt Andreas Scharf, Sprecher von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Grund ist die Befürchtung, dass dann noch mehr Freier ins Rotlichtviertel kommen und die Zahl der Straßenprostituierten von derzeit etwa 90 weiter ansteigt und sich die Situation weiter verschärft. Die Zwangsuntersuchung von Prostituierten soll es ebenfalls nicht geben. Scharf: „Wer zum Arztbesuch gezwungen wird, ist nicht mehr offen für Beratungen.“ Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Mitte, würde es begrüßen, wenn es nicht zu einer Anballung von Bordellen kommen würde. „Ich habe die neuen Pläne allerdings noch nicht gesehen“, sagt sie und hofft, dass das neue Konzept eine Regelung für die Bordellbetriebe mit sogenanntem Bestandsschutz vorsieht. „Das Hin und Her mit der Duldung muss aufhören. Dadurch gibt es Spielräume“, stellt Kienzle fest.

Um Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen, will die Stadt auch den eingeschlagenen Weg beibehalten und dort Häuser kaufen. Ob allerdings die Nummer 4 in der Leonhardstraße verkauft wird, ist ungewiss. Der Besitzer ist vor kurzem verstorben. Der Erbe, der bislang keinen Fuß im Leonhardsviertel hat, hat für das denkmalgeschützte Barockhaus noch keine Pläne. Derzeit laufe noch der Pachtvertrag. „Was danach wird, weiß ich nicht“, sagte er unserer Zeitung.