Das Geschäft mit dem Sex läuft in Stuttgart wie gehabt, trotz des Prostituiertenschutzgesetzes. Foto:dpa/Andreas Arnold Foto:  

Seit zwei Jahren gilt das Prostituiertenschutzgesetz. Viel passiert ist seither nicht. Zwar haben ein paar Betriebe geschlossen. Insgesamt ist die Zahl aber sogar gestiegen.

Stuttgart - Samstag vor ein paar Wochen. Ein 25 Jahre alter Freier hat morgens um 3.45 Uhr im Dreifarbenhaus Sex mit einer Prostituierten. Plötzlich würgt er die Frau. Was sie rettet, ist der Griff nach dem im Zimmer installierten Notrufknopf. Bevor sich der Mann, der ihr das im Voraus gezahlte Geld wieder abnimmt, davonmachen kann, schnappt ihn ein Mitarbeiter des Laufhauses und übergibt ihn der Polizei.

„Der Vorfall zeigt, wie wichtig ein tatsächlich funktionierendes Notrufsystem ist, mit einem am Bett angebrachten Notfallknopf“, sagt Albrecht Stadler, der zuständige Abteilungsleiter beim Ordnungsamt. Deshalb lege die Stadt in Sexbetrieben darauf auch „ein besonderes Augenmerk“.

Zahl der Anträge steigt

Seit zwei Jahren ist das Prostituiertenschutzgesetz gültig. Inzwischen liegen dem Ordnungsamt 81 Anträge auf Erlaubnis als Prostitutionsstätte vor. „Die Zahl der Anträge steigt“, sagt Martin Treutler, der Leiter der Gewerbe- und Gaststättenbehörde. Das dürfte auch eine Folge der Kontrollen sein, bei denen manche der Betreiber oder Betreiberinnen erst erfahren, dass sie eine Genehmigung brauchen. Etwa wenn eine Prostituierte ihre Wohnung nicht alleine nutzt, sondern Zimmer an andere Frauen untervermietet. „Dann wird das zum Betrieb“, sagt Treutler. Mancher Eigentümer, der so tut, als wisse er nicht, was in seiner Wohnung passiert, aber jeden Monat eine stattliche Summe weit über dem Mietspiegel kassiert und dadurch von der Prostitution profitiert, braucht auch eine Erlaubnis. Das hat kürzlich der VGH München entschieden. „Dadurch können noch mal zwei oder drei Dutzend Fälle dazukommen“, schätzt der Leiter der Gewerbe- und Gaststättenbehörde.

Unterdessen sind 28 Anträge auf eine Betriebsgenehmigung von der Stadt beschieden worden: 24 wurden abgelehnt, drei eher kleinere Etablissements hat man auch wegen unzureichender Notrufsysteme gleich zugemacht. Bei 22 der 24 Ablehnungen haben die Betreiber Widerspruch eingelegt. Nur ein Sexbetrieb hat bisher eine Erlaubnis erhalten, ein Massagestudio in der City.

Bußgelder von bis zu 1500 Euro

Nach Kontrollen habe das Ordnungsamt 46 Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Bordellbetreiber eingeleitet, sagt Albrecht Stadler, etwa wegen Mängeln am Notrufsystem, an den sanitären Anlagen oder den Pausenräumen. Je nach Verstoß kostet das die Betreiber 700 bis 1500 Euro, bei mehreren Verstößen werden die Beträge addiert.

Diese Aktivitäten haben nicht dazu geführt, dass die Zahl der Rotlichtobjekte kleiner geworden ist. Die Polizei verzeichnet für 2018 insgesamt 148 Etablissements, im Jahr davor waren es 142. Die jeden Tag in Stuttgart tätigen Prostituierten werden mit etwa 480 angegeben, das Jahr zuvor mit circa 490.

Verwaltungsgericht bestätigt Bordellschließung

Die Polizeistatistik zählt aber nur noch sieben statt vorher neun Laufhäuser, die zu den größeren Sexbetrieben zählen. Eines davon ist das Eros 11 A in der Weberstraße im Leonhardsviertel. Das Haus mit 14 Zimmern ist im Mai 2018 nach einer umfangreichen Sanierung vom Baurechtsamt der Stadt geschlossen worden. Diese Entscheidung, die nicht wegen Verstößen gegen das Prostituiertenschutzgesetz erfolgt ist, sondern ausschließlich aus baurechtlichen Gründen*, hat das Stuttgarter Verwaltungsgericht bestätigt (Aktenzeichen 5K7463/18). Zwar hatte der Betreiber dem Amt die geplanten Arbeiten angezeigt und bestätigt bekommen, dass die vorgesehenen Instandhaltungsmaßnahmen genehmigungsfrei seien. Bei einer Begehung der Baustelle stellten Vertreter des Amtes aber fest, dass das Haus „in den Rohbauzustand zurückversetzt worden sei“ und die Arbeiten „weit über den geschilderten Katalog hinausgingen“, so das Gericht. Ein Streitpunkt der Erneuerung (Kosten: 730 000 Euro) ist der Ersatz einer Mauer im Dachstuhl durch einen Stahlrahmen, wodurch eine neue Zimmeraufteilung möglich wurde. Für das Gericht handelt es sich dabei „nicht um eine Instandhaltungsarbeit“.

Betreiber fühlt sich von der Stadt hintergangen

Der Betreiber fühlt sich von der Stadt hintergangen. „Die haben mich in die Falle laufen lassen“, schimpft John Heer. Bei der Begehung, als die Wand noch stand, habe er „dem Statiker vom Amt gezeigt, was wir vorhaben“. Statt einen Baustopp zu verhängen, „haben sie mir neun Monate später den Betrieb untersagt“, kritisiert Heer. Auch das sieht das Gericht anders. Das Amt habe zwar mehrere Begehungen gemacht und Unterlagen nachgefordert, dadurch sei aber kein „Vertrauenstatbestand“ eingetreten.

John Heer will das nicht hinnehmen. Den Betreiber empört, dass er mit der Sanierung „ein Vorzeigeobjekt nach dem neuen Prostituiertenschutzgesetz“ geschaffen habe, mit Sozialräumen, Notrufsystem, Duschen in jedem Zimmer, und zwar bevor das neue Gesetz in Kraft trat. Obwohl das Verwaltungsgericht eine Berufung nicht zugelassen hat, stellt Heer Berufungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim.

150 Euro Miete am Tag

Um wie viel Geld es bei der Auseinandersetzung geht, darüber gibt die Festsetzung des Streitwerts durch das Gericht Aufschluss. Bei 150 Euro Miete, welche die Prostituierten pro Tag an den Betreiber zu bezahlen haben, kommen bei 14 Zimmern und Vollauslastung im Jahr Mieteinnahmen von 766 500 Euro zusammen. Das Gericht nimmt aber nur eine Auslastung der Zimmer von durchschnittlich 70 Prozent an. Das sind im Jahr immer noch stattliche 536 550 Euro.

* Anmerkung der Redaktion: Dass die vom Stuttgarter Verwaltungsgericht bestätigte Entscheidung nicht wegen Verstößen gegen das Prostituiertenschutzgesetz erfolgt ist, sondern ausschließlich aus baurechtlichen Gründen, wurde im Artikel an der gekennzeichneten Stelle nachträglich zur Klarstellung ergänzt.