Peter Ketnath in dem brasilianischen Film "Kino, Aspirin und Geier" Foto: Arte/Gil Vincente

Soko-Stuttgart-Kommissar Peter Ketnath hat noch eine zweite Leidenschaft: Südamerika.

Er ist der dynamische Kommissar Jo Stoll, der in der "Soko Stuttgart" seinen eigenen Kopf hat. Doch Peter Ketnath (36) hat noch eine zweite Leidenschaft: Südamerika. Mittwoch (13. Oktober) um 22.25 Uhr läuft auf Arte das brasilianische Roadmovie "Kino, Aspirin und Geier".

Derzeit dreht Peter Ketnath die letzten Folgen der zweiten Staffel der Krimireihe, die gerade im ZDF gestartet ist. "Ich kenne die Figur jetzt besser, aber da wir mit verschiedenen Regisseuren arbeiten, kann ich viel ausprobieren", sagt er während einer Drehpause im Gustav-Siegle-Haus. Er sieht aus wie seine Figur Jo Stoll - Lederjacke, Jeans, Dreitagebart - und ist doch ganz Peter Ketnath, den man sich in diesem Aufzug gut in Stuttgarter Clubs vorstellen kann; abgesehen von den Handschellen, die er am Gürtel trägt. "Ich werde inzwischen angesprochen, von Geschäftsleuten, Hausfrauen, Szenegängern, und ich bin erstaunt, wie gut sie die Serie kennen", sagt er nach eineinhalb Jahren "Soko" - und versteht das als Kompliment. "Ich bin Stuttgart näher. Ich freue mich, wenn ich wiederkomme."

Peter Ketnath, der fließend Portugiesisch spricht, ist häufig unterwegs, denn er dreht auch in Übersee. 2003 haben ihn brasilianische Filmemacher auf der Berlinale entdeckt, "jetzt mache ich für die immer den Ausländer", sagt er grinsend. "Im Film, der nun auf Arte läuft, musste ich meine Sprachkenntnisse sogar verleugnen und mit Akzent sprechen."

"Es ist eine Art ,Avatar'-Geschichte"

"Kino, Aspirin und Geier" (2005) spielt im Jahr 1942 und handelt von einem deutschen Kriegsflüchtling, den es nach Brasilien verschlagen hat, wo er als Vertreter für das neue Wundermittel Aspirin arbeitet. Mit Projektor und Werbefilmen reist er durchs Land und verliebt sich in die wüste Einöde im Nordosten. Sein Gehilfe Ranulpho ist von dort und möchte nichts wie weg, am liebsten nach Rio. "Es geht um Vorurteile und Missverständnisse, jeder möchte das, was der andere hat", sagt Ketnath, und wer ihn nur als Kommissar kennt, wird überrascht sein von seinem sensiblen Spiel in dem atmosphärisch dichten Film.

Der kam in Brasilien in die Oscar-Vorauswahl, er lief beim Filmfestival in Cannes und erreichte mit nur 15 Kopien 170.000 Zuschauer, mangels Verleih allerdings nicht in Deutschland - eine echte Premiere also für Arte. Mitte September lief dort bereits Ketnaths zweiter brasilianischer Film "Happy Desert" (2007), eine harte, poetische Geschichte über ein Mädchen, das in der Prostitution landet. "Der hatte auf Arte 600.000 Zuschauer", sagt der Schauspieler sichtlich erfreut, "mehr als in Brasilien."

Der gebürtige Münchner Ketnath, der in Berlin lebt, hat aktiv an der Entwicklung seiner Rolle mitgearbeitet, wegen der Entfernung per E-Mail. "Vier Wochen vor Drehbeginn bin ich hingefahren, wir haben geprobt und den Film dann in voller Länge im Theater aufgeführt - eine großartige Erfahrung." Brasilien hat es ihm angetan, nicht nur die junge Filmszene: "Es ist ein Land im Aufbruch, unglaublich reich an Menschen und Landschaften", sagt er, "Brasilien gehört die Zukunft." Als Beispiel führt er an, dass Präsident Lula Familien Geld gegeben hat, damit ihre Kinder in die Schule gehen können, anstatt auf den Feldern zu arbeiten.

Von dem einseitigen Blick des Westens, den Geschichten aus den Favelas hat er genug. "Es sind ewig dieselben Themen, Karneval und Elend, vielleicht noch plastische Chirurgie, aber es gibt so viel mehr in Brasilien, und diese jungen, engagierten Filmemacher wollen es sichtbar machen." Genau wie der palästinensische Regisseur Hany Abu-Assad, bekannt durch den Selbstmordattentäter-Film "Paradise Now", der einen Roman Paulo Coelhos verfilmen wollte - mit Vincent Cassell, Mickey Rourke und eben Peter Ketnath. Doch die Finanzierung stockte, das Projekt liegt auf Eis.

Ein anderes, chilenisches nimmt dafür konkrete Formen an: die Geschichte des Hamburger Malers Thomas Olsen, der Ende des 19. Jahrhunderts zu Pferd Argentinien und Chile erkundet und sich mit den Patagonen anfreundet, den indigenen Ureinwohnern Feuerlands. Als die Kolonialisierung mit ihren Gräueltaten einsetzt, gerät er zwischen die Fronten. "Es ist eine Art ,Avatar'-Geschichte", sagt Ketnath, "nur dass sie nicht gut ausgeht. Es gibt noch rund 600 Patagonen, sie sind fast alle Alkoholiker."

Arte, Mittwoch, 13. Oktober, 22.25 Uhr