Entspanntes Schlendern prägt die Ostermärkte – doch in diesem Jahr kommt in Bietigheim-Bissingen nichts zustande. Foto: Werner Kuhnle

Die Aktiven Unternehmer in Bietigheim-Bissingen (Kreis Ludwigsburg) sagen zwei Großveranstaltungen ab. Sie wollen bei Anschlägen nicht in Haftung geraten und sehen die Stadt in der Pflicht.

Die Absage des Osterbrunnenfestes vor wenigen Tagen hat Uwe Grajewski überrascht und frustriert. „Das ist definitiv – ich glaube nicht, dass es noch etwas wird“, sagt der Bietigheimer, der in der Fußgängerzone einen Kinderschuhladen betreibt und gerne gesehen hätte, dass viele Familien auf dem beliebten Markt den Weg in sein Geschäft finden. Ob die angekündigten Gespräche zwischen Stadtverwaltung und Aktiven Unternehmern etwas bringen? Grajewksi richtet den Blick nach vorne: „Vielleicht wollen die Aktiven ein Zeichen setzen – für die nächsten Feste.“

 

Beim Konflikt zwischen den Machern der Aktiven Unternehmer und der Bietigheimer Stadtverwaltung geht es um Sicherheit. Die Geschäftsleute wollen nicht in Haftung geraten, wenn etwas Schlimmes wie bei den jüngsten Anschlägen in Mannheim, Magdeburg und München passiert und ihnen später eine Sicherheitslücke nachgewiesen werden kann.

Der Kinderschuhhändler Uwe Grajewski bedauert die Absage des Osterbrunnenfestes. Foto: Werner Kuhnle

Die Bietigheimer Stadtverwaltung hingegen hält an der Vorgabe fest, dass derjenige, der eine Großveranstaltung plant, auch für das Sicherheitskonzept verantwortlich ist. Unterm Strich steht die Große Kreisstadt an Ostern nun ohne zwei beliebte Ereignisse da: Die Werbegemeinschaft der Aktiven sagte nämlich auch wenig später noch den Bissinger Ostermarkt ab.

Die Absage kam aus heiterem Himmel und ist zum Stadtthema geworden. Sven Schaller, Erster Vorsitzender der Aktiven Unternehmer, räumt ein, dass die kurze Pressemitteilung vom Dienstag einige Irritationen ausgelöst habe und erklärungsbedürftig sei. Schaller legte am späten Mittwochabend mit einer ausführlichen Presseerklärung nach. „Ich hoffe, damit eine gesellschaftliche Diskussion in Gang zu bringen.“

Nach den Anschlägen seien die Sicherheitsvorschriften immer weiter erhöht worden, sagt Sven Schaller. „Das ist grundsätzlich richtig, bringt jedoch immense Herausforderungen für Vereine und private Veranstalter mit sich.“ Hohe Kosten entstünden für Absperrungen, Sicherheitskräfte und Notfallpläne. Das größte Problem sei jedoch die endgültige Haftung der Organisatoren.

Unternehmer sollen selbst für Straßensperren sorgen

Die Aktiven Unternehmer verweisen auf die monatelangen Gespräche mit der Bietigheimer Stadtverwaltung, die kein Gesamtkonzept vorgelegt habe, sondern nur kurzfristig einen Plan, an welchen Stellen sogenannte aktive und passive Straßensperren vorzunehmen seien: Fahrzeuge, die als Blockade dienen sollten. Für Sven Schaller stellt sich die Grundsatzfrage: „Warum eigentlich muss die Haftung für einen Ostermarkt eine Privatperson übernehmen, während die Stadt Bietigheim-Bissingen jährlich den Sternlesmarkt oder kürzlich den Krämermarkt organisiert und verantwortet?“

Schaller, Inhaber eines Bettengeschäfts, scheut sich nicht, ins Detail zu gehen: „Ist es wirklich die Aufgabe von Ehrenamtlichen, in ihrer Freizeit Sicherheitskonzepte zu erarbeiten und Bedrohungen abzuschätzen?“ Die Unternehmer wüssten nicht, wie schwer und groß die Straßensperren sein und welcher kinetischen Energie sie standhalten müssten.“ Sei es ausreichend, pro forma undefinierte Fahrzeuge als Straßensperre aufzustellen, während die eigentliche Bedrohung – ein entschlossener Einzeltäter oder ein terroristischer Anschlag – damit keineswegs wirksam abgewehrt werde? „Das gehört professionell und offiziell geprüft, berechnet und vorgegeben. Hier braucht es mehr als Symbolpolitik.“

Stadt will Veranstalter nicht aus der Haftung lassen

Den Vorwurf, nur Symbolpolitik betrieben zu haben, lässt die Bietigheimer Stadtverwaltung nicht auf sich sitzen. „Es ist keineswegs so, dass die Aktiven Unternehmer mit der Erstellung eines Sicherheitskonzepts alleingelassen wurden“, sagt Stadtsprecherin Annette Hochmuth. Die Stadt habe das Konzept in weiten Teilen eng begleitet und geholfen, wo es möglich gewesen sei. Die Stadt könne die Veranstalter nicht aus der Haftung nehmen. Darunter fielen auch die alltäglichen Sicherheitsvorkehrungen, etwa gegen Brände, Unfälle sowie Gesundheitsvorschriften bei Imbissen. „All dies muss ein Veranstalter gewährleisten, und dafür erhebt er meist auch Standgebühren von den Teilnehmern.“

Hochmuth verteidigt insbesondere die geforderten mobilen Sperren mit einfachen Fahrzeugen. „Es ist das beste Mittel, sofort für mehr Sicherheit zu sorgen.“ Und es sei dank der Verfügbarkeit von Fahrzeugen und Fahrern bei nahezu jedem Veranstalter auch ohne großen Aufwand machbar. Dies klappe zum Beispiel beim Mittelaltermarkt in Buch und anderen Veranstaltungen. Zwar sei die Bietigheimer Altstadt schwerer abzusperren, doch könne die Verwaltung wegen des alltäglichen Lieferverkehrs nicht überall Poller errichten.

Stadtsprecherin: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht

Letztlich gebe es keine hundertprozentige Sicherheit – Terroristen fänden immer Wege, Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen. In diesem Punkt sind sich Schaller und Hochmuth einig. Die Stadt werde aber weiter in Gesprächen an einem Sicherheitskonzept mitwirken. „Mit der Umsetzung der Maßnahmen im Konzept befreien sich die Veranstalter auch von ihrer Haftung bei Unfällen – gerade das ist das Ziel solcher Konzepte.“

Sven Schaller setzt in dieser Woche auf Gespräche – mit Stadträten und mit der Verwaltung. Die Aktiven Unternehmer stünden nicht für eine „Verweigerungshaltung“, teilte er am Donnerstagabend mit. „Ich bin verhalten optimistisch, dass für kommende Veranstaltungen eine tragfähige Lösung gefunden werden kann.“

Welche Rolle spielt die Polizei?

Beratung
Grundsätzlich gilt: Für das Sicherheitskonzept von Veranstaltungen ist immer der jeweilige Veranstalter in Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde verantwortlich. Die Polizei wird meist – insbesondere bei größeren Veranstaltungen – beratend hinzugezogen und bringt ihre Expertise in der Vorbereitungsphase ein, berichtet Steffen Grabenstein, Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg.

Einsatz
Parallel dazu plant die Polizei für die jeweilige Veranstaltung einen eigenen Einsatz. Anhand verschiedener Faktoren, einer aktuellen Gefährdungsprognose und Erfahrungen aus zurückliegenden Einsätzen werde das polizeiliche Einsatzkonzept sowie der Kräfteeinsatz für die jeweilige Veranstaltung festgelegt, so Grabenstein. Dabei finde immer auch ein Austausch mit anderen beteiligten Stellen sowie den zuständigen Veranstaltern und Behörden statt.