Bereits 1946 hat die Stadt Kornwestheim eine Liste der Zwangsarbeiter unter der NS-Herrschaft angelegt. Am Samstag wurde eine Gedenktafel enthüllt. „Wir müssen das Vergessen durchbrechen“, sagte der Erste Bürgermeister Daniel Güthler.
Rund 3000 Menschen – Kriegsgefangene und Verschleppte – haben im Zweiten Weltkrieg im Stadtgebiet von Kornwestheim Zwangsarbeit geleistet. Die Erinnerung an sie hat jetzt einen sichtbaren und würdigen Platz: Der Erste Bürgermeister Daniel Güthler und Friedhelm Hoffmann, Vorsitzender der Initiative Stolpersteine Kornwestheim, weihten am Samstag eine Gedenktafel direkt neben dem Eingang zum Rathaus ein. Es war eine angemessene Zeremonie, bei der deutlich wurde, wie man Erinnerungen dieser Art lebendig halten kann – unter Einbeziehung der jungen Generation: Zehntklässler der Theodor-Heuss-Realschule in Kornwestheim hatten einen aktiven Part bei der Einweihung.
Sich der Wahrheit stellen
Güthler erinnerte in seiner Ansprache daran, dass die Stadt bereits 1946, also kurz nach dem Krieg, eine Liste der Zwangsarbeiter unter der NS-Herrschaft angelegt habe. „Man wusste in der Stadt von ihnen, und viele lebten ja auch bei Familien.“ Es gelte nun, „das Vergessen zu durchbrechen“. Der Gemeinderat hatte im Juli beschlossen, sich auch finanziell an der Gedenktafel zu beteiligen. Die Tafel solle ein Anlass sein, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. „Wir wissen immer noch zu wenig.“ Und: „Wir müssen uns der Wahrheit stellen, auch wenn das schmerzt.“ Güthler forderte, Lehren zu ziehen. Rechtsextremes Gedankengut dürfe nie wieder eine Rolle spielen.
Ganz still war es, als Friedhelm Hoffmann von der Initiative Stolpersteine einen Text von Vera Friedländer vorlas. Sie hatte in Berlin im Spätwinter 1945 in einem Schuhreparaturbetrieb von Salamander Zwangsarbeit leisten müssen. Hoffmann schilderte den Terror und die Schikanen einer SS-Aufseherin. Es ist ein langer, steiniger Weg bis zur Errichtung der Gedenktafel gewesen, sagte Hoffmann. Er dankte der Verwaltung für deren Kooperation und dass nun „ein würdiger Ort“ für das Erinnern gefunden wurde.
Den ersten Anstoß für die Tafel hatte Rainer Juchheim, Mitglied, der Initiative Stolperstein Kornwestheim, gegeben. Gemeinsam mit Bürgermeister Güthler und zwei Schülern enthüllte er sie nun. Der Text erinnert an alle 3000 Zwangsarbeiter bei den großen Unternehmen wie Salamander und Stotz, aber auch bei der Reichsbahn und in der Stadtverwaltung. Zu sehen sind auch zwei Fotos: ein Blick über die Stadt auf die Salamander-Werke in der Kriegszeit, dazu zwei Seiten aus dem Arbeitsbuch von Vera Friedländer, mit dem Stempel, dass sie 1945 in dem Salamander-Betrieb in Berlin beschäftigt war.
Menschen haben gelitten
Die Schüler und Schülerinnen zeigten auf einer Weltkarte der 40er-Jahre auf rote Punkte: Aus all diesen Ländern kamen die Zwangsarbeiter Kornwestheims. Es sind rund 30 Länder und Regionen, von Amerika bis Russland, von Syrien bis Polen. Was denken die 15- und 16-Jährigen über ihr Engagement? „Wir haben viel gelernt, haben selber viel recherchiert und geprüft, wir wollten ja, dass das alles korrekt ist“, sagt Arien. Paula zeigte sich nachdenklich: „Wir haben gelernt, wie die Menschen gelitten haben.“ Und dass man jemanden nicht gleich wegen seiner Herkunft oder Religion niedermachen sollte. „Die Menschen sollten sich erst mal kennlernen, bevor sie sich eine Meinung über den anderen bilden.“
Aus Berlin gekommen waren Herbert Hemke und Ulrich Schmidt, zwei Söhne von Vera Friedländer. Ulrich Schmidt zeigte sich bewegt. Vor allem davon, dass das alte Arbeitsbuch seiner Mutter nun auf der Gedenktafel zu sehen ist.