Der Autor Klaus Schmidt fühlt sich in Esslingen zuhause, auch wenn er manchmal zwischen Neckar und Weinbergen die Weite und Einsamkeit der Schwäbischen Alb vermisst. Foto: Gaby Weiß

Der Esslinger Autor Klaus Schmidt ist für das Finale des Sebastian-Blau-Preises für schwäbische Mundart nominiert. Im Dialekt gewinnt der Lyriker eine große Freiheit.

Aurawidzlr, Greitrhäx, Bollahitz und Buabaschbidzla – ein ganzes Gedicht voller schwäbischer Ausdrücke, im rhythmischen Sprechgesang als Rap intoniert. „Aufm Dorf, aufm Land“ erinnert reimend an die eigene Kindheit. „Schwäbische Flora und Fauna“ räsoniert über das Wirtshaus-Sterben auf dem Dorf, wo Adler, Hirsch, Linde, Rose und Grüner Baum längst geschlossen haben.

 

Das ist Mund-Art vom Feinsten aus der Feder des Esslinger Autors Klaus Schmidt. Mit seinen ebenso lustvoll-sprachspielerischen wie fein- und hintersinnigen Texten hat es der 58-Jährige ins Finale des diesjährigen Sebastian-Blau-Preises für schwäbische Mundart geschafft, das am Samstag, 11. Oktober, in Rottenburg stattfindet.

Er ist ein „Über-die-Welt-Nachdenker“

Klaus Schmidt ist in Hayingen auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Er sei ein „Über-die-Welt-Nachdenker“, offen, neugierig – und vielseitig: Er hat leidenschaftlich gekickt und das Fußballspielen beim SSV Reutlingen und beim VfL Kirchheim sogar eine Zeit lang zum Beruf gemacht. Nach dem Abitur habe ihn „einfach alles“ interessiert. Er hat Germanistik, Philosophie, Sportwissenschaft, Soziologie und Geschichte studiert, „aber nicht zu Ende gebracht. Jeder Mensch hat eine große Mehrdimensionalität in sich, das kann einen aber auch durcheinanderbringen“, gesteht er heute lachend. Ein Studium des Bibliothekswesens und eine Journalismus-Ausbildung hat er abgeschlossen.

Als er die Kickstiefel, mit denen er sich das Studieren finanzierte, an den Nagel hängte und eine Familie gründete, wechselte er in die Informationsbranche. Heute betreibt er eine Agentur für Medienrecherche und -analyse und durchforscht im Auftrag von Firmen Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehprogramme und Soziale Medien und stellt Presse-Spiegel zusammen. „Dass ich schreibe, hat vielleicht auch mit der Sozialisation im eher bildungs- und kulturfernen Dorf auf der schwäbischen Alb zu tun. Vielleicht schreibe ich, um mein Leben zu begreifen“, mutmaßt Klaus Schmidt. Die Gedichte, die er schreibt, leben von der Vielfalt seiner Erfahrungen: „Erleben, Denken, Geschichten, die Welt – all das steckt in meinen Texten.“

Anfangs schrieb er auf Hochdeutsch, später im Dialekt. Je länger er von zu Hause weg war, desto stärker drängte sich ihm der Klang der schwäbischen Heimat auf. „Ich musste erst weggehen, um die Alb wieder lieben zu lernen.“ Dabei treffe er beim Schreiben nie aktiv eine Entscheidung pro oder kontra Dialekt: „Ich öffne mich, es kommt intuitiv aus mir heraus, mal auf Deutsch, mal auf Schwäbisch.“ Er genießt es, in seiner Muttersprache zu schreiben: „Im Hochdeutschen muss es logisch und vernünftig zugehen. Das Schwäbische gibt mir dagegen eine große Freiheit, da kann ich musikalisch, klanglich, atmosphärisch schreiben“, erklärt er und erzählt, dass sich Rhythmus und Sound seiner Texte häufig beim Laufen formen.

Schmidts schwäbische Texte sind oft Gefühl pur: Die Maultaschen seiner Mutter werden zum Liebesbeweis. Die Erinnerung an das kindliche Faulenzen auf der Sommerwiese berührt. Da findet sich meist ein witziger Twist, ein liebevolles Augenzwinkern, ein doppelter Boden. Und immer wieder sind da fast schon philosophische Gedanken wie im Gedicht über den „Goddzigschdr“, jenen letzten roten Apfel, der im Herbst noch am bereits kahlen Baum hängt: „‚Goddzigschdr‘ oder ‚Gottes Einzigster‘ – was für eine Schönheit, Poesie und Welterklärung sich im Schwäbischen doch manchmal finden lässt“, schwärmt Klaus Schmidt. Er bedauere, dass das Schwäbische heute nicht selbstbewusster gesprochen wird. Und dass sich die Dialektsprecher nicht stärker gegen das vielfach gepflegte Klischee der maulfaulen Schwaben zur Wehr setzen: „Das Schwäbische gilt oft als plump, etwas dümmlich, da werden die immer gleichen Kehrwochen-, Geiz- und Bruddler-Witze gemacht.“

Der ganze Charme entwickelt sich beim Lautlesen

Er hat lange daran getüftelt, wie er seine schwäbischen Texte aufschreiben kann, wie sich „Bloama“, „Mugga“ und „Vrgniaga“ als schwäbischer Haiku notieren lassen: „Es ist ja keine Schriftsprache, sondern eine gesprochene Sprache, die im Detail oft sogar von Ortschaft zu Ortschaft variiert.“ Die schwäbischen Texte von Klaus Schmidt nur zu lesen, reicht nicht: Ihren ganzen Charme entwickeln sie beim Lautlesen oder wenn der Autor selbst sie bei Lesungen oder Poetry-Slams vorträgt: „Häägemark ond Saurampfr, pfuideifel, isch dees guet. Viele Zuhörer sagen mir, dass das so warm und vertraut klingt.“

„Schwäbisch gschrieba“

Der Preis
Der Verein Schwäbische Mund.Art e.V. vergibt seit 2002 alle zwei Jahre den Sebastian-Blau-Preis für schwäbische Mundart, abwechselnd für Musik, Kabarett, Film und nun zum vierten Mal für Literatur. Namensgeber ist der Gründer, langjährige Herausgeber und Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung Josef Eberle (1901-1986), der unter dem Pseudonym Sebastian Blau zu den bedeutendsten deutschen Dialektdichtern zählt. Mehr Informationen: www.mund-art.de

Der Autor
Neben seinem Beruf und dem Schreiben leitet Klaus Schmidt an der VHS Esslingen einen Kurs „Literatur am Nachmittag“ und beschäftigt sich mit Zen-Meditation, Tai Chi und Qigong. Er spielt Tenorsaxofon in der Bigband der Esslinger Musikhochschule und hat mit dem Saxofonisten Jochen Feucht und dem Gitarristen Günter Weiss das Trio „ModernGschwäZZ“ gegründet, das zu Schmidts Texten moderne Jazz-Melodien improvisiert. Infos dazu auf der Webseite www.stille-bewegung.de