Die Eiche vor der Bankfiliale darf auch nach 130 Jahren weiterleben. Foto: Werner Kuhnle

Der Rückzug der VR-Bank Ludwigsburg aus dem Neubauprojekt in Marbach löst bei den Naturschützern Jubel aus, beim Bürgermeister Bedauern.

Der Rückzug der VR-Bank Ludwigsburg aus dem Neubauprojekt am zentralen König-Wilhelm-Platz kam am Montag plötzlich, traf den Bürgermeister der Stadt Marbach, Jan Trost, aber nicht unvorbereitet. Die Bank hatte ihn vor dem kurzfristig anberaumten Pressegespräch informiert. Der Stadtchef bedauert das Aus, das zugleich den Erhalt der 130 Jahre alten Eiche vor dem Gebäude bedeutet, sehr.

Die VR-Bank zieht sich zurück, weil sie das Projekt noch einmal eingehend auf die Rentabilität geprüft hat. Ein Neubau mit Kosten von rund 15 Millionen Euro könne noch einmal leicht um zehn Prozent teurer werden, teilten die beiden Vorstandsvorsitzenden Timm Häberle und Heiko Herbst mit.

Das Projekt sei, so Häberle, schon vorher „auf Kante genäht“ gewesen. Die Bank habe sich auf Wunsch der Stadt Marbach mit einer ausführlicheren Planvariante befasst, weil der Kommune die Gestaltung des König-Wilhelm-Platzes im Rahmen der Landesgartenschau wichtig war.

Die Vorstandschef der VR-Bank, Timm Häberle (links) und Heiko Herbst. Foto: Werner Kuhnle

In Marbach war es zu massiven Protesten gekommen, nachdem der Umweltschützer und Filialnachbar Reinhard Wolf Alarm geschlagen hatte. Bei einer Unterschriftensammlung kamen bis Montag rund 400 Proteststimmen zusammen. Damit wollten BUND, Nabu und Nachhaltigkeitsgruppe erreichen, dass der Gemeinderat sich noch einmal mit dem Erhalt des mächtigen Stadtbaums befasst. Die erforderliche Mindestzahl von 200 Unterschriften hatten sie schon nach wenigen Tagen beisammen.

Die Bank will eine Spaltung der Stadtgesellschaft vermeiden

Die VR-Vorstandsvorsitzenden Häberle und Herbst betrachten vor allem die finanzielle Seite. „Wir haben eine breite Palette an Reaktionen bekommen von sehr kontroversen und teilweise unversöhnlichen Haltungen – es gab auch Mitglieder und Kunden, die uns fragten, warum wir das Projekt nicht einfach durchziehen“, sagte Timm Häberle. Eine Spaltung der Stadtgemeinschaft wolle man aber auf gar keinen Fall. Vom Tisch sei damit auch das Versetzen der Eiche durch ein Spezialunternehmen.

Die Bank sei mit der Stadt bewusst früh in die Beteiligung der Öffentlichkeit gegangen, betonen Häberle und Herbst. Dass es gerade um die Eiche eine so engagierte Diskussion geben würde, habe man aber nicht vorhergesehen. Den Gemeinderat habe man in der Vorlage zur nichtöffentlichen Sitzung jedenfalls in einem Extraabsatz über die Eiche informiert. „Wir sind weiter gesprächsbereit und wollen den Prozess mit der Stadt konstruktiv fortsetzen“, sagt Häberle. Das Filialgebäude stehe zurzeit leer. Die Sanierung werde geprüft. Man habe es damit nicht eilig.

Der Marbacher Bürgermeister Jan Trost respektiert die Entscheidung der Bank, die Filiale aus dem Jahr 1984 nun im Bestand sanieren zu wollen. „Ein modernes Wohn- und Geschäftsgebäude in zentraler Lage hätte zur Stärkung unserer Innenstadt beitragen können.“ Das wäre aus der Sicht des Verwaltungschefs eine attraktive Umgestaltung des König-Wilhelm-Platzes bedeutet. „Er hätte beispielsweise mit einem neuen Café bespielt werden können.“ Trost weist auf den schwierigen Immobilienmarkt in der Stadt hin und befürchtet, dass das Ausbleiben der geplanten 25 Wohnungen dem sozialen Zusammenhalt in der Stadt nicht förderlich sei.

Jubel bei den Umweltschützern in Marbach

Jubel macht sich hingegen bei den Umweltschützern breit. „Das ist für mich eine total freudige Überraschung“, sagt Andrea Lehning, Vorsitzende des BUND-Bezirksverbandes Marbach. Es sei viel auch ökologisch viel nachhaltiger, einen Altbau nicht abzureißen. Die Eiche könnte nun bei der Planung eines grüneren Platzes berücksichtigt werden. Was mit der Unterschriftensammlung geschehe, die noch bis zum 15. September läuft, könne sie noch nicht sagen. „Es gibt aber in Marbach noch genügend andere Bäume, die man zum Beispiel mit einer Satzung schützen könnte.“

Umweltschützer wie Eva Kissel von der Nachhaltigkeitsgruppe engagierten sich. Foto: a/vanti/Ralf Poller

Zuletzt hatte der BUND-Kreisverband noch einmal auf die Bedeutung der 130 Jahre alten Eiche für das Stadtklima hingewiesen. Dabei hatte der Kreisvorsitzende Stefan Flaig auch die Verkehrssituation an dem zentralen Platz angesprochen. Mit der Tiefgarage in dem Neubau wollte die Stadt auch öffentliche Stellplätze unter die Erde verbannen, um Fußgängern mehr Freiräume zu eröffnen. Die Stadt brauche die Parkplätze unbedingt, hatte die Stadtverwaltung mehrfach betont.

Das Projekt erreiche jedoch, so Flaig, dieses Ziel nicht. Eine Verkehrsberuhigung sei nur zu erreichen, „wenn weniger Straßenraum und Parkplätze für den Autoverkehr zur Verfügung stehen“. Die öffentlichen Stellplätze in der geplanten Tiefgarage würden den Verkehr trotzdem dorthin leiten. „Eine wirksame Verkehrsberuhigung kann nur durch Verzicht auf die Parkplätze erreicht werden.“ Das gelte auch für die bestehenden oberirdischen Stellplätze.

Was können Stadtbäume?

Alleskönner
 Stadtbäume sind „Alleskönner“, teilt der BUND mit: Sie speichern klimaschädliches Kohlendioxid, liefern Sauerstoff, kühlen und reinigen die Luft, spenden Schatten an heißen Tagen, dämpfen Umgebungslärm, beherbergen Eichhörnchen, Grünspecht und Co. und – ihr Anblick senkt den Stresspegel.

Praxis
 Stadtbäume verschwinden oft für Baumaßnahmen, obwohl sie noch gesund sind, teilt der BUND weiter mit. Dadurch werde es heißer. Für eine deutliche Verbesserung des Stadtklimas wäre nach einer Studie der TU München ein Anteil von 30 bis 40 Prozent von Grünflächen in Stadtgebieten notwendig. Ersatz
Nachpflanzungen können den Verlust eines alten Baumes nur schwer ausgleichen, so der BUND weiter. So wachse etwa eine Linde 25 bis 50 Zentimeter pro Jahr. Es dauere also durchschnittlich 25 Jahre, bis eine neu gepflanzte Linde die mittlere Höhe von zehn Metern erreicht – in Städten oft sogar länger.