Die Neuffener Steige (Kreis Esslingen) ist eine bei Motorradfahrern beliebte Rennstrecke. Anwohner sind genervt vom Krach der Maschinen und der rücksichtslosen Raserei. Sie fordern in einer Petition Gegenmaßnahmen – etwa ein Tempolimit.
Es ist Idylle pur: Das Naturschutzgebiet Neuffener Heide liegt eingebettet zwischen Weinbergen, Streuobstwiesen und Wald und bietet gestressten Städtern Ausgleich und Erholung. Doch wenn die Tage wärmer werden, ist es mit der Idylle unterhalb der Burg Hohenneuffen vorbei. Denn dann ist von der Straße, die sich zwischen Neuffen und Hülben durch die Bilderbuchlandschaft schlängelt, ein lautes Röhren und Knattern zu hören.
„Die Motorradsaison hat unüberhörbar begonnen“, sagt Matthias Bäcker. In den letzten Tagen und Wochen sei wieder verstärkt Motorradlärm auf der Steige festzustellen. Im Neuffener Rathaus seien bereits viele Beschwerden eingegangen, räumt der Bürgermeister der 6300 Einwohner zählenden Kleinstadt am Albtrauf im Amtsblatt ein. Dabei ist die kurvenreiche Bergstrecke von April bis Oktober für Motorräder an den Wochenenden und Feiertagen gesperrt.
33 Biker ignorierten Durchfahrtsverbot auf der Neuffener Steige
Doch trotz deutlich erkennbarer Beschilderung hält sich so mancher Biker nicht an das Durchfahrtsverbot. Das bestätigt die Kontrollaktion der Polizei am ersten Aprilwochenende: 33 uneinsichtige Motorradfahrer wurden am Samstag und Sonntag von den Beamten angehalten. Ihnen flattert demnächst ein Bußgeldbescheid über 50 Euro ins Haus. „Die Kontrollen werden fortgesetzt“, kündigt das zuständige Polizeipräsidium Reutlingen an.
Dass diese Maßnahme Wirkung zeigen wird, bezweifelt Alexander Kiehlneker. Die Wochenenden sind seiner Erfahrung nicht das größte Problem. Vielmehr sei der Krach ein Dauerbegleiter der Anwohner. An schönen Abenden, nicht selten auch tagsüber, würden unzählige Motorradfahrer, aber auch „Autoposer“ die Neuffener Straße befahren und sich speziell am Parkplatz Sieben Linden versammeln, erzählt der Neuffener. „Durchdrehende Räder, laute Motoren oder Auspuffanlagen gehören immer dazu.“
Die Belastung durch den Lärm sei extrem und für eine Straße, die durch das Biosphärengebiet Schwäbische Alb führt, „nicht in Ordnung“, findet Kiehlneker. „Das komplette Tal wird durch den Krach beschallt.“ Seit zwei Jahren wohnt der gebürtige Neuffener wieder im Ort, er kennt die Steige seit seiner Kindheit. „Ich bin sie als junger Erwachsener gerne gefahren. Seit ein paar Jahren hat sich die Situation jedoch deutlich verändert. Autos werden ohne Rücksicht auf Verluste überholt oder sogar ausgebremst, damit die anderen Kameraden in Ruhe rasen können.“
Um daran etwas zu ändern, hat Kiehlneker im September vergangenen Jahres eine Onlinepetition gestartet mit dem Ziel, die Lärmbelästigung für die Anwohner und die Gefährdung der Verkehrsteilnehmer auf der Neuffener Steige zu stoppen. Knapp 360 Unterzeichner unterstützen das Anliegen – was wenige seien, wie Kiehlneker einräumt. Er hat die Petition daher bis zum kommenden September verlängert. „Ich rechne damit, dass sich in den Sommermonaten weitere Menschen daran beteiligen werden, weil das Thema dann an Brisanz gewinnt.“
Ruf nach Tempolimit auf der Neuffener Steige
Nein, sagt Kiehleker in aller Deutlichkeit, er halte nichts von einem kompletten Fahrverbot für Motorräder auf der Neuffener Steige. „Da auch hochmotorisierte Autos regelmäßig ihre Leistung und Sportlichkeit auf der Steige demonstrieren, müsste es eine Maßnahme sein, die auch Autos mit einschließt.“ Denkbar wäre für ihn ein Tempolimit von 50 Stundenkilometern. „Das trifft mich dann auch“, ist sich Kiehlneker bewusst. Er sagt aber klipp und klar: „Alles in allem ist ein Punkt erreicht, an dem die Situation so nicht weiter tragbar ist.“ Und natürlich müssten Verstöße auch konsequent verfolgt werden, fügt er hinzu.
Dass sich auf absehbare Zeit etwas an der Situation ändern wird, diese Erwartung dämpft Neuffens Bürgermeister. Weil die Neuffener Steige eine Landesstraße sei und damit in die Zuständigkeit des Esslinger Landratsamtes falle, habe die Kommune „leider keine Eingriffsmöglichkeiten“, räumt Bäcker ein und versichert, man stehe aber mit der Kreisverwaltung und vor allem mit der Polizei „im regen Austausch“ über Maßnahmen zur Lärmbekämpfung.
Die Lösung des Problems liegt für Bäcker auf der Hand: Die Motorradfahrer sollten „ganz einfach die Sperrung an Wochenenden und Feiertagen akzeptieren und ansonsten an den Wochentagen langsamer fahren und somit Rücksicht auf die Neuffener Bürgerinnen und Bürger nehmen“. Er selbst befürchtet jedoch, dass sein Appell bei den Bikern erst gar nicht ankommt. „Wir starten ihn trotzdem – die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Unfallträchtige Strecke
Neuffener Steige
Unfälle sind auf der 5,5 Kilometer langen Bergstrecke zwischen Neuffen und Hülben keine Seltenheit. Genaue Zahlen liegen nicht vor, doch allein in den vergangenen Tagen vermeldete die Polizei zwei Unfälle. Am 5. April war ein Autofahrer in einer Rechtskurve in den Gegenverkehr geraten und dort mit einem anderen Fahrzeug zusammengestoßen. Drei Menschen wurden leicht verletzt. Am 20. März zog sich ein 17-jähriger Mofafahrer leichte Verletzungen zu. Er war beim Abbremsen am Ausgang einer Rechtskurve zu Fall gekommen.
Motorradunfälle
Die Polizei hat im vergangenen Jahr im Kreis Esslingen 188 Unfälle mit Motorrädern (ab 125 Kubikzentimeter) registriert, das sind 4,8 Prozent weniger als 2023. Es waren drei Todesopfer zu beklagen (einer mehr als im Vorjahr). Die Zahl der verletzten Fahrer und Sozia blieb mit 143 auf Vorjahresniveau. Die häufigsten Unfallursachen waren überhöhte Geschwindigkeit und riskante Überholmanöver.