Etwa 1300 Meldungen zu potenziellen Gefahrenstellen auf Schulwegen sind im Sommer und Herbst bei einer Aktion unserer Zeitung eingegangen. Nun hat die Stadtverwaltung in einem ausführlichen Bericht dargelegt, was sie alles für die Sicherheit von Kindern tut.
Die Zahl spricht für sich: Etwa 1300 Meldungen sind bei der Aktion „Achtung, Schulweg!“ bei unserer Redaktion eingegangen und haben gezeigt, wie wichtig Eltern die Sicherheit ihrer Kinder ist. Von Juli bis Oktober war die Stadtgesellschaft dazu aufgerufen, Gefahrenstellen auf Schulwegen in ein von dem Recherchenetzwerk Correctiv zur Verfügung gestelltes Online-Tool einzutragen. Das Thema war im Sommer und Herbst in Stuttgart virulent.
Wie reagierten die Mitglieder des Gemeinderats?
Die Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat brachten im Zuge der Aktion mehrere Anträge ein. Puls forderte von der Stadt einen umfassenden Bericht. Die Verwaltung sollte darlegen, wie sie auf die eingegangenen Meldungen reagiert, wo kurzfristig Verbesserungen möglich sind und wie Gefahrenstellen, die nicht sofort behoben werden können, in die zukünftige Verkehrsplanung und -überwachung einfließen. Auch SPD und Volt riefen in einem gemeinsamen Antrag die Stadtverwaltung dazu auf, mögliche Lösungen für die im Rahmen der Aktion gemeldeten Beobachtungen aufzuzeigen – auch im Hinblick auf die im Herbst 2024 auf Bundesebene beschlossene Novelle der Straßenverkehrsordnung. Die Fraktionsgemeinschaft Die Fraktion forderte in ihrem Antrag unter anderem mehr Vor-Ort-Begehungen, um mit den Schulen und den Eltern Gefahrenstellen zu identifizieren und Abhilfe zu schaffen.
Was tut die Stadt bereits für sichere Schulwege?
Susanne Scherz, die Leiterin des Ordnungsamts, betonte in einer Stellungnahme in dieser Woche im zuständigen Ausschuss, dass Stuttgart bei dem Thema Sicherheit auf Schulwegen Vorbild für andere Kommunen sei. So gebe es bereits seit 1953 eine Jugendverkehrsschule, in der Kinder das richtige Verhalten auf den Straßen lernen. Seit den 1980er Jahren stelle die Verwaltung Schulwegpläne bereit, in denen für die jeweilige staatliche Grundschule die sichersten Strecken eingezeichnet sind, um diese zu erreichen. In Zusammenarbeit mit der Polizei machen Kinder ihren Fußgängerschein.
Was sind die sogenannten Stuttgarter Ecken?
Vor vielen Bildungseinrichtungen in Stuttgart gilt Tempo 30. Querungshilfen wie zum Beispiel eine Mittelinsel sollen Fußgängern das Überqueren von stark befahrenen Straßen erleichtern. An fast allen Stadtbahnübergängen gibt es Z-Überwege, an denen die Blickrichtung erst nach links und dann nach rechts gelenkt wird, bevor die Gleise überquert werden. Seit 2022 gibt es die sogenannten Stuttgarter Ecken. Bei diesen verhindern Poller, Parkscheinautomaten oder Radbügel, dass Autos widerrechtlich abgestellt werden und damit in Kreuzungsbereichen die Sicht einschränken. Das Ordnungsamt hat bisher zwölf dieser Stuttgarter Ecken angeordnet, acht sind bereits gebaut beziehungsweise markiert. Weitere sollen folgen, insbesondere im Umfeld von Schulen.
Wie geht die Stadt mit den Meldungen um?
Die Stadt hat sich der etwa 1300 bei der Aktion „Achtung, Schulweg!“ eingegangenen Meldungen angenommen und 73 Bereiche herausgefiltert, zu denen es jeweils mindestens drei Beschwerden gab. Dabei seien keine verkehrssicherheitsrelevanten Mängel festgestellt worden, die ein sofortiges Handeln erfordert hätten, stellte Dirk Herrmann, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde, klar. Die meisten Hinweise hätten sich auf falsches Verhalten der Verkehrsteilnehmer bezogen. Alle Hinweise zu überhöhter Geschwindigkeit und Falschparken seien an die Verkehrsüberwachung weitergegeben worden. Susanne Scherz betonte: „Wir nehmen alle Meldungen ernst.“ Die Hinweise würden in die tägliche Arbeit der Verwaltung einfließen. Man werde schauen, wo weitere Verbesserungen möglich seien. Sie betonte aber auch, dass die meisten der genannten Orte bereits bekannt gewesen seien und dass es sich bei diesen nicht um „Gefahrenstellen“ handle, sondern um „subjektive Eindrücke“.
Welche Verbesserungen bringt die Novelle der Straßenverkehrsordnung?
Seit Oktober 2024 ist die Novelle der Straßenverkehrsordnung in Kraft. Sie eröffnet den Kommunen neue Handlungsspielräume, erläuterte Cornelia Diehl, die Leiterin des Bereichs Verkehrsregelung und -management. Städte und Gemeinden dürfen nach Paragraf 45 den Verkehr nun beschränken oder umleiten, wenn es dem Umwelt-, Klima- oder Gesundheitsschutz dient. Unter anderem vor Kitas und Schulen und auf dem Weg dorthin ist die Anordnung einer Tempo-30-Zone oder eines Fußgängerüberwegs einfacher geworden. Anders als zuvor, muss dafür keine besondere Gefahrenlage mehr nachgewiesen werden. Zudem kann zwischen zwei Tempo-30-Zonen ebenfalls Tempo 30 angeordnet werden, wenn die Strecke dazwischen nicht länger als 500 Meter ist. Allerdings braucht es jetzt noch eine „Allgemeine Verwaltungsvorschrift“ vom Land Baden-Württemberg, bevor Stuttgart die Novelle umsetzen kann. Diese ist für das erste Quartal 2025 angekündigt.
Wie geht Stuttgart mit dem Thema Schulstraßen um?
Mit „Schulstraße“ ist die Sperrung von Straßen vor Schulen gemeint. Zumindest zu Schulbeginn und Schulende sollen dort keine Autos fahren dürfen. Das Verkehrsministerium hat hierzu einen Handlungsleitfaden angekündigt. Stuttgart will einen Werkzeugkasten entwickeln und verschiedene, niederschwellige Lösungen ausprobieren.
Was tut die Stadt gegen Park- und Temposünder?
Eines der Hauptprobleme, das hat die Aktion „Achtung, Schulweg!“ gezeigt, sind Falschparker. Das Ordnungsamt verteilt Strafzettel, dafür gibt es 190 Personalstellen. Allerdings sind davon 30 Prozent nicht besetzt. In der Landeshauptstadt sind montags bis freitags von 6 bis 14 Uhr acht Zweierteams in einer Frühschicht unterwegs und schreiben Knöllchen. Durchschnittlich registrieren sie zwischen 6 und 8 Uhr etwa 80 Parkverstöße. Stuttgart möchte auch beim Thema digitale Parkraumüberwachung Erfahrungen sammeln und sich an einem Pilotprojekt des Landes mit einem Scanfahrzeug beteiligen.
Häufig mahnen Eltern auch an, dass entlang von Schulwegen gerast werde. Die Vertreter des Ordnungsamts versicherten in der Sitzung, dass Schulwege bei Geschwindigkeitskontrollen ein Schwerpunkt seien. Generell registriere man aber nur wenige Tempoverstöße in der Landeshauptstadt. Von Anfang 2021 bis September 2024 waren es in Tempo-30-Zonen und verkehrsberuhigten Bereichen 7,3 Prozent aller gemessenen Fahrzeuge. Auf Vorbehaltsstraßen waren es 4,7 Prozent. Dabei hätten die Geschwindigkeitsüberschreitungen der Autofahrer überwiegend im Bereich von bis zu 15 Stundenkilometern gelegen.