Mit Smoking, langen Abendkleidern und Maske feiern etwa 200 Gäste einen Ball auf Schloss Solitude, wie es ihn in Stuttgart in dieser Form noch nie gab Foto: Andreas Engelhard

Das hätte Herzog Carl Eugen 230 Jahre nach seinem Tod gut gefallen: Turbulent feiern 200 Gäste in der Nacht zum Sonntag einen geheimnisvollen Maskenball mit venezianischer Leidenschaft auf Schloss Solitude.

In dieser mystischen Nacht sind die Masken verrutscht – von Mund und Nase weiter nach oben über die Augen. In der Pandemie ist der FFP2-Schutz zum festen Bestandteil des Alltags geworden. Und was machen feierfreudige Menschen an diesem idyllischen Flecken hoch über Weilimdorf ganz freiwillig, da längst die Maskenpflicht fast überall aufgehoben ist? Sie verbergen erneut ihr Gesicht, diesmal den oberen Teil! Und sie haben sichtlich Spaß daran. In der Nacht zum Sonntag schlägt der Maskenball auf Schloss Solitude voll ein!

„Uns Frauen gefällt es, sich mal wieder in Schale zu werfen“

„Masken sind sexy“, findet die Moderatorin und Autorin Emma von Bergenspitz. Das Verhüllen, wenn man also nicht alles sieht, entfaltet oft erotische Reize. Stuttgart hat den letzten Landespresseball im Jahr 2019 erlebt. „Uns Frauen gefällt es, sich mal wieder in Schale zu werfen“, sagt sie. Bei der ersten „Masquerade“ treten etwa 200 Gäste im Spiegelsaal der Schlossgastronomie zum farbenfrohen Schaulaufen der Eitelkeiten an. Viel zu lange hing ihre Abendkleidung ungenutzt im Schrank.

Es sind viele Gäste da, die man sonst beim Presseball antrifft. Margit Mayer-Vorfelder, die Witwe des VfB-Ehrenpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder, hat schon viele Partys gefeiert. „Bei einem Maskenball war ich aber noch nie“, sagt sie – und fühlt sich wohl in dieser Nacht, auch wenn man ihre stets stark geschminkten Augen, ihr Markenzeichen, gar nicht sieht. „Das ist ein ganz besonderes Fest“, lobt Frau MV, „gerade, weil die prächtige Schlosskulisse im Spiegelsaal so wunderbar dazu passt.“

Schon auf der Allee zum Schloss weisen Fackeln den festlichen Weg. Für OB-Sohn Carl Alexander Nopper ist’s keine Premiere, wie er lächelnd sagt: „Bis vor Kurzem war ich bei vielen Maskenbällen, morgens in der Stadtbahn.“ Der Jurastudent begleitet seine Mutter, die Glitzermaske und Glitzertasche zum blauen Abendkleid trägt. Maskenbälle waren früher so beliebt, weil man in der Anonymität Dinge tun konnte, die man sonst nicht tut. Gudrun Nopper sagt, mit Maske ist ihr Verhalten nicht anders. Sie wird in dieser Nacht auch immer wieder erkannt.

Carl Eugen lernte auf seinen Italienreisen den Karneval von Venedig lieben

In Stuttgart häufen sich nach der langen Coronapause die Partys und Events. Große Ereignisse werfen ihre Schatten unter die Augen. Mit den Masken lassen sich Augenringe glanzvoll verbergen. Schon Herzog Carl Eugen von Württemberg war Maskenfan – bei seinen Italienreisen lernte er den Karneval von Venedig lieben. Auf seinem Lustschloss Solitude ließ er’s so richtig krachen.

Der Regent hat gern Feste gefeiert, die er von Versailles in Paris übernahm. Dem französischen König Ludwig XV. gefielen die Eleganz und Skurrilität von Maskenbällen. Der Geiz der Schwaben, man sieht’s am Herzog, ist ein Märchen. Sein Hang zu Luxus und rauschenden Festen führte das Land im 18. Jahrhundert an den Rand des Ruins. Und doch hat er Bleibendes geschaffen: neben dem Schloss eine riesige Nachkommenschaft – mit angeblich 300 unehelichen Kinder.

Veranstalter denken nach dem Erfolg an eine Fortsetzung

Für die erste „Masquerade“ haben sich Frederic Reinicke, der Organisator des Benefizfestes Wasenpirsch, die Eventmanagerin Isabel Richardi und der Business Club Stuttgart zusammengetan. Das Essen servieren Jörg und Jan Mink sowie Katharina Renz mit vegetarischen Gerichten aus ihrer Avocado-Show. Nach dem großen Erfolg bei der Premiere (zum Tanz spielt die Band DC and the Ga ng sowie DJ Uwe Sontheimer) denken die Veranstalter an eine Fortsetzung im Herbst.

Modemann Winni Klenk (Abseits) fragt in der Stuttgarter Maskennacht, wann diese in den Hollywood-Film „Eyes Wide Shut“ übergeht, also in eine wilde Orgie. So anrüchig wird’s nicht. Spät in der Nacht treten Artisten vom Friedrichsbau auf. Unter den Gästen: Varieté-Chef Timo Steinhauer, Festwirtin Sonja Merz, Goldrun-Veranstalter Marc Wenger, Schwabenquellen-Chef Martin Pesch, Bauunternehmer Florian Gauder.

Während der Pest in Venedig trugen die Ärzte Masken mit langem Schnabel

Beauty-Doc Oliver Gekeler, bekannt aus etlichen TV-Formaten, fühlt sich mit Frau Betty so wohl, weil er nicht ans Geschäft denken muss. Sonst schaut er bei Partys auf Stirnfalten, die er mit Botox entfernen könnte. Unter Masken sieht man die nicht. „Manche sehen mit Maske einfach besser aus“, resümiert Markus Christen von in.Stuttgart. Der Stadt steht dieser Ball gut. Das Klischee vom spießigen und langweiligen Schwaben schlägt in dieser Nacht voll daneben.

Anwalt Jörg Richardi trägt eine Maske mit langem Schnabel, wie man sie in Venedig während der Pest trug. Pandemien gab’s schon in der Vergangenheit. Waren die überwunden, ist umso turbulenter gefeiert worden. Die „Masquerade“ auf Schloss Solitude ist ein Volltreffer der guten Laune.